Im niedersächsischen Hodenhagen versuchen die Bewohner, sich mit Sandsäcken vor den Wassermassen zu schützen.
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In einigen Regionen Nord- und Ostdeutschlands dauert der Kampf gegen das Hochwasser an.

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Teils "bedrohliche" Hochwasserlage - Sinkende Pegel in Bayern

Teils "bedrohliche" Hochwasserlage - Sinkende Pegel in Bayern

Die Hochwasserlage im Freistaat hat sich entspannt, doch in anderen Bundesländern ist sie weiter kritisch. Mehrere Landkreise haben die Vorstufe des Katastrophenalarms festgestellt. Zudem drohen ab Freitag neue Regenfälle.

Über dieses Thema berichtet: radioWelt am .

Nach dem ungewöhnlichen Dauerregen der vergangenen Tage herrscht in manchen der Hochwasserregionen leichtes Aufatmen. Etwa in Bayern: Hier beruhigt sich die Lage weiter. In Sachsen, Sachsen-Anhalt sowie in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen bleibt die Situation hingegen angespannt.

Jeder Tropfen Regen ist "eigentlich einer zu viel"

Und die Wetteraussichten lassen erneut steigende Pegel erwarten: Am Donnerstag soll es laut Prognose des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Deutschland zwar weitgehend trocken bleiben. Danach steigt die Gefahr kräftigerer Niederschläge allerdings wieder an. Insbesondere im Westen und Nordwesten sagen die Wettermodelle viel Nass voraus, was die Flusspegel wohl wieder rasch ansteigen lassen dürfte.

Regnerische Aussichten für die kommenden Tage

Zwar werde in den nächsten Tagen insgesamt nicht mehr so viel Regen wie um Weihnachten erwartet, so Marcel Schmid vom DWD - "allerdings ist jeder Tropfen eigentlich einer zu viel." Am Freitag könne es insbesondere im Umfeld von Harz, Bergischem Land, Sauerland und Siegerland immer wieder mal regnen.

Ein Tiefausläufer von Nordwesten bringe auch Regen nach Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Große Regenmengen seien aber nicht zu erwarten. Eher nur vereinzelte Schauer sind laut dem Meteorologen für Samstag vorhergesagt. Am Sonntag könnte es dann wieder häufiger zeitweise regnen, so Schmid.

  • Zum Artikel: "In Bayern wird Hochwasserschutz bei Extremwetter wichtiger"
  • Sechs-Meter-Marke an der Elbe nur knapp unterschritten

    Kritisch ist die Lage nach wie vor an der Elbe in Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie an der Weser in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen.

    Während die Wasserstände vieler Flüsse in Sachsen wieder zurückgingen, stieg das Hochwasser an der Elbe am Donnerstag weiter an - wenn auch nur noch langsam. Am frühen Nachmittag wurde in Dresden ein Pegelstand von 5,92 Meter gemessen. Das war weiterhin knapp unter der Sechs-Meter-Marke, ab der die zweithöchste Alarmstufe 3 gelten würde. Die Landeshochwasserzentrale rechnete damit, dass diese Grenze am Freitagmorgen überschritten wird - allerdings mit maximal 6,01 Meter nur sehr geringfügig. Normal ist in der Elbe in Dresden ein Wasserstand von 2,00 Metern.

    Um Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt Magdeburg vor Überschwemmungen zu schützen, wurde am Vormittag das etwa 135 Meter lange Pretziener Wehr geöffnet. Das war zuletzt im Juni 2013 geschehen. Auch jetzt soll es dafür sorgen, dass ein ungefähr Drittel des Elbwassers in einen 21 Kilometer langen Kanal fließt, der um Schönebeck, Magdeburg und andere Orte in den Elbniederungen herumführt, bis es wieder in die Elbe fließt. Auf den umliegenden Deichen verfolgten am Donnerstag mehrere Hundert Menschen das Geschehen.

    Ort in Thüringen durch geöffnete Talsperre gefährdet

    Aus der Talsperre Kelbra in Sachsen-Anhalt war bereits zuvor Wasser abgelassen worden. Dadurch stieg der Wasserstand des Flusses Helme und gefährdet nun nach Behördenangaben den Ortsteil Nikolrausrieth in Thüringen. Einsatzkräfte bauen laut Innenministerium dort Sandsäcke am Flussufer auf, um ein Überlaufen des Wassers in den kleinen Ort mit etwa 30 Häusern zu verhindern.

    Am Nachmittag entschieden die zuständigen Behörden beider Bundesländer, den in Sachsen-Anhalt liegenden Helme-Deich gezielt zu öffnen, um das Wasser auf umliegende Felder abzuleiten. An der Helme, die südlich des Harzes fließt, gilt voraussichtlich in den nächsten Tagen die höchste Hochwasseralarmstufe 4.

    Niedersachsens Ministerpräsident Weil: Lage angespannt wie nie

    In Niedersachsen rechnet der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz vor allem an der Mittelweser und an den Oberläufen von Aller, Leine und Oker mit weiter steigenden Pegelständen. Die Hochwasserlage ist nach Einschätzung des niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) so angespannt wie nie.

    "Ein Hochwasser diesen Ausmaßes hat es hier bei uns zuvor nie gegeben. Experten warnen seit langem davor, dass die immer häufigeren Wetterextreme mit dem Klimawandel zusammenhängen", sagte Weil in einer Mitteilung. Man müsse in der Zukunft das Engagement in der Hochwasserprävention weiter verstärken sowie den CO2-Ausstoß dringend weiter reduzieren.

    "Außergewöhnliches Ereignis" in mehreren Landkreisen

    Laut Weil sind im Bundesland mehr als 100.000 Menschen im Einsatz gegen das Hochwasser. "Die Bilder gleichen sich und doch sind sie vielerorts erschreckend: Riesige Wassermassen dort, wo sich sonst vergleichsweise kleine Flüsse durch die Landschaft schlängeln, mit Sandsäcken verstärkte Deichanlagen, Pumpen im Dauerbetrieb", so der niedersächsische Regierungschef. Mehrere Bundesländer helfen mit Sandsäcken und Feuerwehrhilfstrupps.

    In Niedersachsen sei in sechs Landkreisen sowie der Stadt Oldenburg ein sogenanntes außergewöhnliches Ereignis festgestellt worden, teilte ein Sprecher des Innenministeriums auf dpa-Anfrage mit. Betroffen sind die Landkreise Celle, Oldenburg, Emsland, Osterholz, der Heidekreis sowie Verden und die Stadt Oldenburg. Durch die Feststellung eines außergewöhnlichen Ereignisses können Landkreise beispielsweise einfacher auf Hilfskräfte zugreifen.

    Wasser auf den Straßen: Evakuierung in Niedersachsen

    Zahlreiche Pegel waren über der höchsten Meldestufe - insbesondere im südlichen Teil des Bundeslands, wie der Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz mitteilte. Betroffen von hohen Pegelständen seien etwa die Flüsse Weser, Aller, Leine und Oker. In dem sogenannten Unterlauf der Aller ab der Stadt Celle würden die Wasserstände zudem weiterhin steigen.

    Wegen des Aller-Hochwassers mussten in der niedersächsischen Gemeinde Winsen rund 300 Menschen ihre Wohnungen verlassen. Die Siedlungen Westohe und Südohe müssten evakuiert werden, teilte der Landkreis Celle mit. Der Wasserstand auf den Straßen sei dort auf rund 40 bis 50 Zentimeter gestiegen, aus Sicherheitsgründen sei daher der Strom abgestellt worden. Als Notunterkunft wird die Allertalsporthalle in Winsen eingerichtet.

    Historischer Wasserstand in Drakenburg überschritten

    In Drakenburg bei Nienburg an der Weser wurde den Angaben nach der historische Wasserstand von 1981 mit 834 Zentimetern überschritten. Der Scheitel werde dort in der Nacht zu Freitag erwartet, weiter flussabwärts in Richtung Bremen erst in der Nacht zu Samstag. Im Oberlauf der Weser sei der Scheitel bereits erreicht und die Pegelstände sinken.

    84-jähriger Mann aus Hochwasser gerettet

    Ein orientierungsloser Mann wurde bei Rotenburg in Niedersachsen aus den Fluten der Wümme gerettet. Er hatte sich am Mittwoch mit seinem Auto in dem über die Ufer getretenen Fluss festgefahren, wie die Polizei am Donnerstag mitteilte. Polizisten retteten den 84 Jahre alten Mann aus Schleswig-Holstein zusammen mit einem Zeugen, der den Notruf abgesetzt hatte. Der Mann war den Angaben nach stark unterkühlt und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Sein Gesundheitszustand habe sich dann stabilisiert.

    Am Oberlauf der Weser von Hann, Münden bis Höxter in Nordrhein-Westfalen sanken die Wasserstände am Mittwoch laut Landesbetrieb, für die Mittelweser wurden aber steigende Pegelstände vorhergesagt. In Nordrhein-Westfalen bleiben auch die zahlreichen Talsperren unter Beobachtung.

    Aufgeweichte Deiche reißen

    Nach einem Deichriss in Lilienthal bei Bremen wurden angrenzende Straßen erfolgreich evakuiert. In der Gemeinde waren in den vergangenen Tagen an mehreren Stellen Deiche stärker beschädigt worden. Nach einer ersten Evakuierung am Mittwochabend wurden in der Nacht weitere Straßen "aus dringenden Sicherheitsgründen" geräumt, wie die Feuerwehr mitteilte. Die Menschen kamen bei Freunden und Verwandten oder in einer hergerichteten Turnhalle unter. In dem evakuierten Bereich sei daraufhin der Strom abgeschaltet worden.

    Im angrenzenden Bremen ist die Hochwasserlage im Stadtteil Borgfeld ähnlich angespannt. Im Bremer Ortsteil Timmersloh konnte an den Deichen nachgearbeitet werden, sodass dort keine Evakuierungen mehr stattfinden mussten, wie ein Feuerwehrsprecher am frühen Donnerstagmorgen sagte. Im Serengeti-Park im niedersächsischen Hodenhagen wurden einige Tiere evakuiert, nachdem Wasser in Stallungen eindrang.

    Thüringen: Bewohner von Windehausen können in Häuser zurück

    Am Südrand des Harzes in Thüringen konnten die Bewohner des wegen Hochwassers evakuierten Ortes Windehausen in ihre Häuser zurückkehren. Er habe die Anordnung zur Evakuierung am Vormittag aufgehoben, sagte der Bürgermeister von Heringen, Matthias Marquardt. Nachdem Stromversorgung und Abwasserentsorgung wieder funktionierten, seien die Gründe für die Evakuierung weggefallen.

    Windehausen war Weihnachten von Schmelzwasser aus dem Fluss Zorge und nach oben gedrücktem Grundwasser überflutet worden. Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte das Wasser dem Bürgermeister zufolge um die 70 Zentimeter hoch auf den Straßen gestanden. Inzwischen sei es wieder abgeflossen. Der Ort war geräumt worden, 400 der 500 Einwohner folgten der Aufforderung zur freiwilligen Evakuierung.

    Feuerwehren klagen über Beleidigungen und Sandsack-Diebstahl

    Bei den laufenden Hochwasser-Einsätzen beklagen Feuerwehren den Diebstahl von Sandsäcken. "Sandsäcke, die an Deichen verbaut sind, werden von Anwohnern weggeholt, weil sie selber keine Sandsäcke haben, um ihre Häuser zu schützen", sagte der Präsident des Deutschen Feuerwehrverbands, Karl-Heinz Banse, in Berlin. Er sprach von vielen Problemen bei den Einsätzen.

    "Es gibt Beleidigungen, es gibt Diskussionen mit Betroffenen, warum wird erst in der Straße A begonnen und nicht in der Straße B das Wasser abgepumpt. Warum hat mein Nachbar vorher die Feuerwehr im Keller als ich", sagte Banse. Zudem habe die Feuerwehr mit sehr vielen Schaulustigen zu kämpfen.

    Niedersachsens Ministerpräsident Weil verurteilte außerdem den mancherorts zu beobachtenden Katastrophentourismus. "Mein eindringlicher Appell an alle Neugierigen lautet: Lassen Sie es bleiben, gehen Sie irgendwo anders spazieren oder bleiben Sie zuhause. Die Helferinnen und Helfer haben alle Hände voll zu tun, viele arbeiten Tag und Nacht. Man darf ihnen ihre schwierige Arbeit wirklich nicht noch schwerer machen."

    Im Video: Die Hochwasserlage in Niedersachsen

    Die Hochwasserlage in Niedersachsen bleibt weiter angespannt.
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    Die Hochwasserlage in Niedersachsen bleibt weiter angespannt.

    In Bayern sinken die Pegelstände

    In Ostbayern läuft das Hochwasser allmählich ab. Aber an der unteren Donau bei Straubing und Vilshofen gilt am heutigen Donnerstag immer noch Meldestufe zwei von vier. Das heißt Flussauen, Felder und Wiesen und auch einige Straßen und Wege sind noch überflutet. In Passau dagegen fielen alle Flusspegel unter die Meldestufe eins, in der Oberpfalz an Naab und Regen unter die Meldestufe 2.

    Lediglich die Schwarzach führt noch sehr viel Wasser, hier gilt örtlich immer noch Meldestufe 2. Laut Hochwassernachrichtendienst werden aber im Laufe des Tages die Pegel auch dort allmählich fallen. Weil auch heute keine nennenswerten Niederschläge zu erwarten sind, werde sich die Lage weiter entspannen, heißt es.

    Klimakrise führt zu Extremniederschlägen

    Der Klimawandel macht Extremwetterereignisse wahrscheinlicher. Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf hatte Heiligabend auf X geschrieben: "Extremniederschläge nehmen durch die #Erderwärmung weltweit und auch bei uns zu. Davor warnen Klimaforscher seit über 30 Jahren; längst bestätigen das die Daten von Wetterstationen."

    Mit Informationen von dpa

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