Man tritt Olaf Scholz sicher nicht zu nahe, wenn man ihn als selbstbewussten Menschen beschreibt. Eine Eigenschaft, die der Kanzler zu Beginn der zweiten Amtszeit von Donald Trump auch anderen empfiehlt. Wenige Stunden vor der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten spricht sich Scholz dafür aus, im Umgang mit Trump "immer einen geraden Rücken" zu haben.
Damit bezieht sich der SPD-Politiker auf seine Reaktion nach Trump-Äußerungen zu Kanada, Panama und Grönland vor einigen Tagen, die zum Teil als Gebietsansprüche interpretiert wurden. Scholz betonte daraufhin in Absprache mit europäischen Partnern die Unverletzlichkeit von Grenzen. Eine ungewöhnliche Botschaft in Richtung Washington.
Bundesregierung: USA wichtigster Verbündeter außerhalb Europas
Bei aller Entschlossenheit, sich von Trump nicht verzwergen zu lassen, wird in Berlin aber auch die deutsch-amerikanische Freundschaft beschworen. "Die USA bleiben unser wichtigster außereuropäischer Partner und Verbündeter", sagt der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
Ganz ähnlich klingt es in den Reihen der größten Oppositionsfraktion. Unionsfraktions-Vize Johann Wadephul erinnert im Morgenmagazin von ARD und ZDF an die historische Verbundenheit beider Länder. "Die USA sind und bleiben das Land, das uns vom Nazi-Regime befreit hat." Zudem habe Amerika den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands in der Nachkriegszeit ermöglicht, so der CDU-Politiker: "Die USA ist schon mehr als Donald Trump."
Union und Grüne fordern mehr militärisches Engagement Deutschlands
Auch Wadephul rät zu einem selbstbewussten Auftreten. "Wir sind ja nicht hilflos." Allerdings sei dafür mehr militärisches Engagement Deutschlands und Europas nötig. Also mehr als die bisher im Nato-Rahmen vereinbarten zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Trump hat bereits während seiner ersten Amtszeit den europäischen Verbündeten vorgeworfen, zu wenig für die eigene Sicherheit auszugeben.
Aus Sicht der Grünen stellt sich die Frage nach höheren Verteidigungsausgaben "unabhängig von Trump". Deren Dringlichkeit ergebe sich aus dem Verhalten Russlands, das nach den Worten der Verteidigungspolitikerin Sara Nanni "imperialistische Vorstellungen für Europa" habe. Die Bundestagsabgeordnete verweist im Gespräch mit BR24 aber auch darauf, dass Trump nicht im Alleingang neue Zielvorgaben für die Nato-Staaten beschließen könne. "Dafür braucht es eine Konsensentscheidung." Grundsätzlich fordern allerdings auch die Grünen, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen.
Scholz hat zweimal mit Trump telefoniert
Auf wie viel transatlantische Gemeinsamkeit Deutschland noch hoffen darf, werden die nächsten Monate zeigen. Die Bundesregierung sieht sich jedenfalls vorbereitet auf die neue Trump-Präsidentschaft. Dem stellvertretenden Regierungssprecher zufolge steht man im Kontakt: So habe es zum Beispiel bereits "zwei gute und freundliche Telefongespräche" von Scholz und Trump gegeben.
Bei der Amtseinführung in Washington wird der Kanzler fehlen. Es ist zwar üblich, dass keine ausländischen Staats- und Regierungschefs bei der Zeremonie dabei sind. Doch wurden diesmal offenbar die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni und der argentinische Präsident Javier Milei eingeladen. Und aus Deutschland haben sich unter anderen der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt und der AfD-Co-Vorsitzende Tino Chrupalla angekündigt.
AfD kritisiert Brief des deutschen Botschafters in Washington
Er habe eine Einladung von den US-Republikanern erhalten, sagt Chrupalla im Morgenmagazin von ARD und ZDF. "Darüber habe ich mich sehr gefreut." Es sei richtig, dem neuen US-Präsidenten Respekt zu zollen – auch wenn es etwa in der Energiepolitik unterschiedliche Interessen gebe. Chrupalla warnt vor "Vorverurteilungen" und kritisiert in diesem Zusammenhang den deutschen Botschafter in Washington. Dessen Ausführungen seien "skandalös".
Am Wochenende war ein vertrauliches Schreiben des Diplomaten bekanntgeworden, das nun in Berlin hohe Wellen schlägt. Darin wird Trump als Gefahr für die amerikanische Demokratie beschrieben. Das Auswärtige Amt will den Vorgang nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren. Es sei jedenfalls wichtig, dass die Botschafter Deutschlands "ohne Schere im Kopf" von ihren Einsatzorten berichten. Bisher spricht allerdings wenig dafür, dass Trump diese Art von Offenheit schätzt.
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