Drei Ärzte stehen vor einer Schlange wartender Menschen.
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Organisatorin Dorothea Licht mit dem Orthopäden Jörg Hausdorf und der Kinderärztin Pia Schuchmann vor der Krankenstation in Nepal.

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Von Bayern nach Nepal: Ein Ärzteteam im Einsatz

Von Bayern nach Nepal: Ein Ärzteteam im Einsatz

Mit dem Verein "Ärztecamp International" reisen Ende Februar bayerische Ärzte zu einer humanitären Mission nach Nepal. Doch trotz genauer Planung kommt alles anders als gedacht. Kontrovers - Die Story hat den Einsatz im Hinterland Nepals begleitet.

Über dieses Thema berichtet: Kontrovers am .

Knapp 130 Kilometer von Nepals Hauptstadt Kathmandu entfernt setzt Orthopäde Jörg Hausdorf das Skalpell am Fuß einer nepalesischen Patientin an. Mit den Assistenzkräften, die um das Patientenbett herumstehen, kann er nur auf Englisch sprechen. Das funktioniert zwar – ist aber deutlich komplizierter als gedacht.

Das merkt er spätestens, als einer seiner Assistenten ihm Operationsbesteck reichen soll: "Nein, nein, nein! Du bist steril. Du öffnest es stattdessen … Nein! Du hast sterile Handschuhe, du fasst es bitte nicht an." Der junge Nepalese mit den sterilen Handschuhen steht im Anzug statt im Kittel neben dem Patientenbett. "Hatte auch noch nie einen Assistenten im Anzug", kommentiert Hausdorf die fast surreale Situation in der Reportage von Kontrovers - Die Story. Doch Improvisation gehört in diesen Tagen in Nepal dazu: Jörg Hausdorf ist mit einem Team aus Ärzten mit dem Germeringer Verein "Ärztecamp International" von Bayern nach Nepal gereist, um dort ehrenamtlich für einige Tage Patienten zu behandeln.

Im Video: Die ganze Reportage von Kontrovers – Die Story

Nepal: Armes Land, schwaches Gesundheitssystem

Normalerweise würde Jörg Hausdorf seine Patienten im Ärztehaus in München-Harlaching behandeln: in einer ausgestatteten Praxis und mit der nötigen Technik. Ähnlich geht es Kinderärztin Pia Schuchmann aus der Nähe von Augsburg. Auch sie ist Mitglied im Verein und Teil des Teams, das nach Nepal reist.

Auf gewohnte Routinen können sie im zentralasiatischen Nepal, einem der ärmsten Länder der Welt, nicht setzen. Das Gesundheitssystem in Nepal ist schwach, die Kindersterblichkeit hoch und die Lebenserwartung ist mit nur 68 Jahren deutlich niedriger als in Europa. Auf über 3.000 Nepalesen kommt nur ein Krankenhausbett. In Deutschland sind es mehr als 25-mal so viele.

Ehrenamtlich: Medizinische Versorgung für nepalesische Patienten

In Nepal ist der Verein zum ersten Mal vor Ort und würde dort gerne eine dauerhafte Kooperation mit einer ortsansässigen Krankenstation aufbauen. Zunächst geht es für Jörg Hausdorf, Pia Schuchmann und das Ärzteteam für einen Tag nach Swaragau, ein kleines Bergdorf. Sie wollen wissen: Wie leben die Menschen in den abgelegensten Regionen Nepals und welche medizinische Versorgung wird dort wirklich gebraucht?

Schon am Morgen ist der Andrang groß, viele Patienten haben einen stundenlangen Fußweg auf sich genommen, um von den Ärzten aus Deutschland behandelt zu werden. Dolmetscher helfen den Ärzten, die Patienten zu verstehen. Fast alle Patienten, die Orthopäde Jörg Hausdorf heute sieht, haben eines gemeinsam: Selbst im hohen Alter arbeiten sie noch auf den Feldern und müssen schwer tragen. Tage zum Schonen oder gar Erholen gibt es dabei kaum. Von diesem Leben sind ihre Körper gezeichnet.

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"Alle Kinder, die ich bislang gesehen habe, haben Krätze"

Auch bei Kinderärztin Pia Schuchmann ist der Andrang groß. Obwohl der kleine Patient vor ihr wegen Bauchbeschwerden zur Untersuchung gekommen ist, fallen der Ärztin Hautveränderungen auf – und er ist nicht der einzige, stellt Schuchmann schnell fest: Nahezu jedes Kind hat Skabies, also Krätze.

"Das verbreitet sich in Umfeldern, wo die eng zusammenleben, vielleicht nicht die Möglichkeit haben, hygienisch immer einwandfrei die Sachen, die Kleidung zu waschen, Bettwäsche zu waschen. Und das breitet sich dann schon in den Familien oder in den Dörfern schnell aus." Pia Schuchmann, Kinderärztin, "Ärztecamp International"

Pia Schuchmann verordnet eine Creme, die gegen den Befall helfen kann. Einige Medikamente, wie die Krätze-Creme, sind für alle Patienten in Nepal kostenlos – unabhängig von ihrem Versichertenstatus. Die Kosten dafür trägt die nepalesische Regierung. Für die übrigen benötigten Medikamente während dieser Reise springt der Verein "Ärztecamp International" ein.

Abgelegene Dörfer medizinisch schlecht erschlossen

Schuchmanns nächster Patient lebt im Waisenhaus von Swaragau, denn seine Eltern können den Jungen nicht pflegen. Bereits seit seiner Geburt leidet er an einer sogenannten Parese: Die Muskelgruppen in seinen Armen und Beinen sind teilweise gelähmt. Den Arm oder das Bein kontrolliert durchstrecken oder beugen ist für den Jungen unmöglich. Ein Rollstuhl erlaubt ihm, sich fortzubewegen. Dafür ist er allerdings auf die Hilfe anderer angewiesen. "Er konnte noch nie stehen, er konnte noch nie laufen", sagt Schuchmann.

Gemeinsam mit Physiotherapeutin Petra Braun-Grabmaier aus dem Ärzteteam startet die Kinderärztin einen Versuch, um dem Jungen möglicherweise doch etwas mehr Freiheiten zu ermöglichen: Er soll womöglich das erste Mal in seinem Leben gehen können. Das Team hat – neben anderen Behandlungsinstrumenten – Krücken aus Deutschland mitgebracht. "In dem Moment, wo er die Krücken gesehen hat, war er sehr aufgeregt", erzählt Dolmetscherin Dizzy den Reportern von Kontrovers – Die Story.

Permanente Behandlung ist schwierig

Mit der Unterstützung der Medizinerinnen greift sich der kleine Nepalese den Handgriff der Krücken und probiert, einige Schritte zu gehen. Schafft er es, mit den Krücken zu gehen? Doch nur Sekunden später bricht die Physiotherapeutin Petra Braun-Grabmaier den Versuch ab: "Das geht nicht, die Spastik ist zu brutal", sagt sie und hilft ihm zurück in den Rollstuhl.

"Der bräuchte permanent, sein Leben lang, Behandlung, damit die Muskeln nicht so verkürzen (...) Schade, wir hätten ihm gerne eine Freude gemacht, aber es ging nicht." Petra Braun-Grabmaier, Physiotherapeutin, "Ärztecamp International"

Physiotherapeutische Behandlung könnte ihm zwar helfen, doch das Bergdorf liegt abgelegen und die medizinische Versorgung ist eingeschränkt. Ein einziger Behandlungstag reicht dafür nicht aus.

Nüchterne Realität nepalesischer Gesundheitsversorgung

Am nächsten Morgen geht es für das deutsche Ärzteteam weiter nach Arughat, dem eigentlichen Reiseziel. Dort werden sie die nächsten zwei Wochen behandeln. Mit der Krankenstation in der Kleinstadt ist eine langfristige Kooperation geplant. Der Aufenthalt soll auch klären, ob der Ärzte-Verein langfristig seine Spendengelder einsetzt, um die Station zur Klinik auszubauen. Dorothea Licht und Jörg Hausdorf wollen das Geld nur dort einsetzen, wo es wirklich hilft.

Eigentlich ist alles vorab ganz genau abgestimmt gewesen, berichtet Dorothea Licht, Gründerin des Vereins "Ärztecamp International". Doch der erste Eindruck der Krankenstation ist ernüchternd, wie Dorothea Licht schnell feststellt: "Das ist alles nicht aufgeräumt, das ist alles dreckig." Deutsche Gründlichkeit trifft dort auf nepalesische Realität.

Ohne Kompromisse und Improvisation geht nichts

Die Station ist spartanischer eingerichtet als erhofft: Die Räume sind dunkel, die Beleuchtung funktioniert nicht, es gibt nur wenige Behandlungsräume und auch in Hinblick auf Sauberkeit und medizinische Hygiene hätte sich das Ärzteteam einen höheren Standard erhofft. Sogar das Gebäude selbst hat schon einiges mitgemacht: Noch vor der Eröffnung der Krankenstation gab es hier ein Erdbeben, Risse durchziehen die Wände – für eine nötige Sanierung aber fehlt das Geld. Für die Arbeit in den kommenden Tagen werden die Ärzte einen Kompromiss finden – und sie haben keine Zeit zu verlieren, denn vor der Krankenstation bilden sich bereits erste Warteschlangen.

Wie dringend eine gute medizinische Versorgung dort benötigt würde, bemerkt Jörg Hausdorf schnell. Eine Patientin etwa klagt über starke Rückenschmerzen: Ein mobiles Röntgengerät zeigt dem Orthopäden, dass gleich zwei Wirbel der älteren Dame gebrochen sind.

Als die nächste Patientin an der Reihe ist, ahnt Hausdorf noch nicht, dass ihm diese Behandlung einiges abverlangen wird. Sie hat starke Schmerzen im Fuß. Der Orthopäde ertastet in der Nähe ihres Sprunggelenks eine Geschwulst.

Operation unter beschwerlichen Bedingungen

Ein kleiner operativer Eingriff könnte helfen, doch die Bedingungen sind nicht optimal für den Orthopäden – denn geplant waren Operationen dort nicht: "Ein deutscher Patient würde sich hier ungern operieren lassen, sage ich mal vorsichtig." Solange jedoch die Instrumente steril sind, reichen die Möglichkeiten für einen solchen Eingriff aus, sagt Hausdorf. Er entscheidet, den Eingriff gleich am nächsten Morgen vorzunehmen.

Was normalerweise ein Routineeingriff für den Orthopäden wäre, wird erschwert durch die Unerfahrenheit seiner nepalesischen Assistenzkräfte und ihrer Faszination für die Behandlung – für Hausdorf eine zusätzliche Belastung: "Ich zittere brutal, wenn halt 20.000 Leute zuschauen, das nervt mich ein bisschen." Nach 20 Minuten ist die Operation vorbei, Hausdorf konnte die Geschwulst erfolgreich entfernen. "Schwierige Bedingungen", lautet sein Resümee, "mit zehn Zuschauern, im Anzug: ungewöhnlich."

Dauerhafte Kooperation muss verschoben werden

Dieser Eingriff und die Behandlungen der Ärzteteams zeigen aber auch: Den lokalen nepalesischen Ärzten in der Kleinstadt fehlt vor allem die praktische klinische Erfahrung. Alle dort wissen, dass das deutsche Team nur wenige Tage vor Ort sein wird, darum werden die nepalesischen Kollegen gut eingebunden. Gleichzeitig hoffen die Nepalesen auf eine langfristige Kooperation, aber auch finanzielle Unterstützung.

Doch eine Nachricht bringt diese Pläne jetzt massiv durcheinander, berichtet Dorothea Licht: "Jetzt hab ich gestern erfahren, dass dieses ganze Gebiet geflutet wird für ein Kraftwerk und dass die Klinik woanders entsteht, nämlich in den Bergen." Sie hofft, dass dort eine größere Klinik entstehen wird, sodass der Verein eine langfristige Kooperation eingehen kann.

Denn der Besuch der deutschen Ärzte zeigt: Das Potenzial und der Bedarf einer besseren medizinischen Versorgung in Nepal wären groß. Allein in diesen wenigen Tagen in Nepal konnte das Ärzteteam medizinisch rund 1.500 Menschen helfen.

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