AfD-Politikerin Beatrix von Storch erklärt ihre Partei zur Siegerin im Kulturkampf. Damit ist kein kompromissorientierter demokratischer Streit gemeint, sondern eine unversöhnliche Auseinandersetzung mit einem zum Feindbild aufgebauten Gegner. Was bezwecken Rechtspopulisten mit dieser Strategie? Ein Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Philipp Adorf. Er forscht an der Uni Bonn unter anderem zur politischen Rechten in den USA und Deutschland.
BR24: Herr Adorf, welche Rolle spielt der Begriff Kulturkampf in der Strategie der Rechtspopulisten?
Philipp Adorf: Es gibt ja diese metapolitische Komponente, das heißt, die Sichtweise, dass man erst innerhalb der Gesellschaft die Werte und das kulturelle Fundament ändern muss, um dann einen nachhaltigen, dauerhaften politischen Wandel zu erzielen. Rechtspopulisten sagen: Politische Mehrheiten kommen und gehen, man wird gewählt, aber in vier Jahren ist man vielleicht wieder raus. Das reiche nicht, um wirklich langfristig Erfolge zu haben.
BR24: Woher kommt eigentlich dieses Denken?
Adorf: Man sieht heute das, was man schon in den frühen 90er-Jahren in den USA bei Pat Buchanan gesehen hat. Der hat auf dem republikanischen Parteitag 1992 davon gesprochen, dass es nach dem Kalten Krieg einen wichtigeren Krieg gibt, einen Krieg um die Seele Amerikas. Und dieses "Culture war"-Narrativ ist jetzt mit der AfD ein Stück weit herübergeschwappt.
BR24: Wie immer kommt man an dem Punkt auf die sozialen Medien. Welche Rolle spielen die im Kulturkampf?
Adorf: Der metapolitische Kulturkampf hat in den sozialen Netzwerken sein Fundament gefunden. Es ist eine interessante Veränderung, dass es heutzutage leichter ist, diese Position in die Gesellschaft hineinzutragen, dadurch, dass man ohne Mittelsmänner, ohne Einordnung, ohne Analyse seine Sichtweise ausbreiten kann. Das Ganze wird dann natürlich sehr emotionalisiert. Es werden existenzielle Ängste angesprochen.
BR24: Stichwort Emotionalisierung. Schon länger bleibt der Eindruck hängen, dass politische Sachfragen immer mehr ideologisch aufgeladen werden…
Adorf: Das kann man sicherlich sagen. Wir sehen das bei verschiedenen rechtspopulistischen Akteuren. Auch ein Viktor Orbán in Ungarn hat durch eine Forcierung der Polarisierung innerhalb der Gesellschaft Macht gewonnen. Das zentrale Argument ist dabei: Hier ist eine Politik der Elite, die gegen den Willen des Volkes umgesetzt wird. Jede politische Frage wird zu einer Systemfrage erklärt. Da geht es nicht um die einzelnen Aspekte, sondern es geht um das große Ganze.
Politikwissenschaftler Philipp Adorf
BR24: Kann man mit so einer populistischen Freund-Feind-Unterscheidung überhaupt sinnvoll Politik betreiben?
Adorf: Man sieht gerade in den Vereinigten Staaten: Der politische Gegner wird als das Böse schlechthin dargestellt. Also dieser Gegner, wird behauptet, kämpft für eine linksliberale Agenda. Und mit so einem Gegner kann man deshalb gar keine Kompromisse eingehen. Man kann sagen, dass sich die AfD damit einen potenziellen Weg zur Macht ein wenig versperrt. Wenn man den Gegner fortwährend dämonisiert, hat man ein Problem. Wenn man doch irgendwann in einer Koalitionsregierung ist, wird man gewisse Kompromisse eingehen müssen.
BR24: Viele Konservative und Rechtspopulisten sagen, ihr Kulturkampf sei nur eine Reaktion auf den Kulturkampf von links. Sehen Sie das auch so?
Adorf: Wenn die Rechtspopulisten sagen, dass sie im Kulturkrieg viele Schlachten in den letzten Jahrzehnten verloren heben, dann heißt das: Eine gewisse Sorge besteht da schon. Aber ich glaube, man sollte nicht daraus schlussfolgern, dass die eigenen Positionen eine Reaktion auf die Erfolge des Mitte-Links-Lagers gewesen sind. Sondern man hat eine eigene Agenda, und die versucht man auf verschiedenen Wegen umzusetzen.
Das ist durchaus erfolgreich. Zum Beispiel hat sich die Rhetorik beim Thema Migration seit 2015 verändert. Rechtspopulisten haben schon eine ganz klare Position, die über einen simplen Backlash gegen vermeintliche Exzesse von links hinausgeht.
BR24: Vielen Dank für das Gespräch.
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