"Passdeutsche": Warum der AfD-Kampfbegriff rassistisch ist
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"Passdeutsche": Warum der AfD-Kampfbegriff rassistisch ist

"Passdeutsche": Warum der AfD-Kampfbegriff rassistisch ist

"Passdeutsche": AfD-Politiker verwenden die Bezeichnung, um ein "deutsches Volk" und "deutsche Staatsbürger" zu unterscheiden. "Zweifelsfrei rassistisch", sagt ein Experte. Der Begriff zielt laut einem Gerichtsurteil auf Ausgrenzung und Abwertung.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TikTok am 27.05.2025 um 12:00 Uhr

"Passdeutsche" – das Wort taucht mehrmals im Gutachten des Verfassungsschutzes zur AfD auf. Für die Behörde ist es ein Beleg für ein ethnisch-kulturelles Volksverständnis. Durch die Sozialen Medien geistert der Begriff schon länger. Wer verwendet ihn und warum? Zunächst: Wer in rechtsextremistischen oder rechtspopulistischen Kreisen von "Passdeutschen" spricht, trifft eine Unterscheidung: Nicht alle Staatsbürger – also derjenigen, die einen deutschen Pass bekommen können – gehörten zum "deutschen Volk", wird behauptet.

Der Begriff der "Passdeutschen" geht, wie Experten hier erläutern, über eine sachliche Kritik an Zuwanderung, Einbürgerung und mangelnder Integration hinaus. Es kommt eine radikale Ideologie ins Spiel.

"Breite Unterstützung in der Partei"

Zum Beispiel nannte die AfD-Bundestagsabgeordnete Christina Baum 2022 die DFB-Elf eine "passdeutsche Fußballnationalmannschaft". Die heutige Co-Chefin der AfD, Alice Weidel, schrieb 2019 auf Facebook, bei den Tatverdächtigen einer Gruppenvergewaltigung habe es sich nicht um Deutsche, sondern "um Passdeutsche bzw. Deutsch-Türken" gehandelt. Häufig erwähnt die AfD den Begriff "Passdeutsche" im Zusammenhang mit Menschen mit Migrationshintergrund im außereuropäischen Raum.

Die Zitate von Baum und Weidel stehen im Urteil des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts zu einem Verfahren, mit dem sich die AfD gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz zur Wehr setzen wollte – am Ende vergeblich. Auch die AfD-Politiker Björn Höcke, Alexander Gauland und Maximilian Krah werden in dem Zusammenhang genannt. Solche Aussagen grenzten aus und werteten ab, befand das Gericht. Und sie hätten "breite Unterstützung in der Partei".

"Zweifelsfrei rassistischer Volksbegriff"

In einem ZDF-Interview (Video ab Minute 3:39) sprach der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla Anfang Mai von "zwei Gruppen", denjenigen, "die von Haus aus Abstammung haben als Deutscher" und den "Passdeutschen". Philipp Adorf von der Uni Bonn sagt dazu im Gespräch mit BR24: "Da die Unterscheidung zwischen Abstammungs- und 'Passdeutschen' im Kern ethnokulturell begründet ist, kann dieser Volksbegriff zweifelsfrei als rassistisch eingeordnet werden". Adorf hat den Aufstieg der AfD und des Rechtspopulismus wissenschaftlich begleitet.

"Passdeutsch" bedeute, erklärt Adorf, "dass bestimmte Personen aufgrund ihrer Herkunft oder äußeren Merkmale – etwa Hautfarbe oder ethnischer Zugehörigkeit – grundsätzlich vom 'eigentlichen' deutschen Volk ausgeschlossen bleiben". Die Motive dahinter sind eindeutig: Zum Beispiel will der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah in seiner Veröffentlichung "Politik von rechts" Deutschland als "Land der ethnisch Deutschen" zurückgewinnen.

Abstammung statt Staatsbürgerschaft

Nicht die Staatsbürgerschaft gilt für Politiker der Partei also als Kriterium für 'deutsch', sondern die Abstammung. Wie weit die zurückreichen soll, bleibt allerdings unklar, wie überhaupt eine klare Definition des Begriffs "Passdeutscher" bei der AfD fehlt. Sind es die frisch Eingebürgerten oder auch deren Nachkommen? Ist beispielsweise auch der Fußball-Profi Jamal Musiala "Passdeutscher"? Der gebürtige Stuttgarter ist Sohn eines britisch-nigerianischen Vaters und einer deutsch-polnischen Mutter.

Dagegen ist die Staatsbürgerschaft in Deutschland eindeutig festgelegt. Die Einbürgerung hängt hierzulande an bestimmten Voraussetzungen, unter anderem einem Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Nicht eingebürgert wird, wer etwa "die im Grundgesetz festgelegte Gleichberechtigung von Mann und Frau missachtet" oder eine "Mehrehe" eingeht, die in bestimmten Kulturkreisen zur Tradition gehört. Die ethnische Herkunft ist jedoch keine Voraussetzung.

"Wissenschaftlich nicht haltbar"

Nähme man das Abstammungskriterium ernst, dann wäre auch der CDU-Politiker und frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière "nur" 'Passdeutscher'. Seine Vorfahren flüchteten im 17. Jahrhundert aus Frankreich nach Deutschland. Doch die Berufung auf eine "deutsche" Abstammung ist laut dem Historiker Uwe Puschner – er forscht an der FU Berlin unter anderem über völkisches Denken – ohnehin wissenschaftlich nicht haltbar. Wer die Abstammung als Kriterium hernehme, unterliege einem "ideologischen Imperativ", sagt Puschner im Gespräch mit BR24.

Dennoch strickt die Neue Rechte, die einen prägenden Einfluss auf die AfD ausübt, an Ursprungsmythen. Ein "germanisches" Volk steht angeblich in direkter Abstammungslinie zu den heutigen Deutschen. "Die Gleichung germanisch = deutsch ist historisch unsinnig", sagt Puschner. Es handle es sich um "eine Geschichtskonstruktion […], die der Selbstüberhöhung des Eigenen und zugleich der Abgrenzung vom Anderen" diene.

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