Aus dem frühmittelalterlichen Bayern sind Funde bekannt, die vor allem Archäologen faszinieren. Zwei davon stehen nun besonders im Fokus: die sogenannte Prinzessin der Bajuwaren und der gefallene Reiter. Beide wurden im Jahr 2021 in der Gemeinde Bad Füssing im Landkreis Passau bei Ausgrabungen entdeckt. Ihre Grabbeigaben wurden vier Jahre lang restauriert und geben neue Einblicke in das Leben im frühen Mittelalter.
Bisher ging man davon aus, dass die Gräber aus dem 6. und 7. Jahrhundert stammen – die Zeit der Bajuwaren. Nun überrascht das Ergebnis einer Radiokarbonanalyse des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege: Der Friedhof wurde bereits ab der Mitte des 5. Jahrhunderts genutzt – etwa ein Jahrhundert, bevor die Bajuwaren erstmals schriftlich erwähnt wurden.
Gräberfeld mit rund 90 Bestattungen entdeckt
Im Jahr 2021 entdeckten Archäologen in Bad Füssing im Landkreis Passau bei Grabungen ein sogenanntes frühbajuwarisches Reihengräberfeld mit rund 90 Bestattungen. "Der Fund ist einer der spektakulärsten der letzten Jahrzehnte", sagt Kreisarchäologe Alois Spieleder.
Besonders herausragend ist die Bestattung einer jungen Frau. Ihre aufwendige Ausstattung und der Schmuck deuteten auf eine gehobene Stellung im Adel hin, weshalb sie schnell als "Bajuwaren-Prinzessin" bezeichnet wurde.
Eine echte bajuwarische Prinzessin
Zu den Grabbeigaben zählen unter anderem ein Goldcollier, zahlreiche Glasperlen und Halbedelsteine, Almandin-Scheibenfibeln als Teil der Tracht sowie eine Bergkristallkugel.
Grabbeigabe der bajuwarischen Prinzessin.
Eigentlich hätten die Ausgrabungen am "Friedhof der Bajuwaren" an dieser Stelle abgeschlossen werden können. Doch beim genaueren Blick in die Fundmaterialien weiterer Gräber entdeckten die Archäologen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege Auffälliges: gläserne Spitzbecher, Keramikschalen und frühe Gewandschließen.
Ein gläserner Spitzbecher aus einem anderen Grab früherer Datierung.
Radiokarbonanalyse bringt neue Ergebnisse
Die anschließenden Radiokarbonuntersuchungen von 16 ausgewählten Gräbern liefert nun genauere Erkenntnisse: Die Ergebnisse zeigen, dass der Friedhof bereits ab der Mitte des 5. Jahrhunderts genutzt wurde – also etwa 120 Jahre vor der Bestattung der bajuwarischen Prinzessin. Zu dieser Zeit stand die Region am Inn vermutlich noch unter römischer Verwaltung und die Bajuwaren werden in den Quellen noch nicht erwähnt.
Doch nicht nur das: Schon am Ende der Römerzeit kam es in der Gegend zu Migration. Bevor die Bajuwaren hier sesshaft wurden, lebten bereits andere nicht-römische Gruppen in der heutigen Grenzregion und bestatteten ihre Toten auf diesem Friedhof.
Mathias Pfeil, Generalkonservator des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, betont, dass für die Wissenschaft vor allem ältere Gräber noch bedeutsamer sind: "Über die Zeit zwischen dem Rückzug der Römer aus der Region und dem Beginn des Mittelalters ist bislang nur wenig bekannt. Nun kommt durch die Archäologie allmählich Licht ins Dunkel und wir verstehen immer besser, wie sich die Siedlungsgeschichte am Inn in dieser Umbruchszeit entwickelte."
Einblick in das Leben am Inn vor der Bajuwarenzeit
Untersuchungen an den Skeletten liefern zudem wichtige Hinweise auf das Leben am Inn zur Zeit des heiligen Severin von Noricum, also um das Jahr 480 nach Christus. Diese Epoche, die als "Severins-Horizont" bezeichnet wird, steht für einen entscheidenden Umbruch in der Region: Das Ende der römischen Ordnung im Ostalpenraum veränderte Gesellschaft, Politik und Lebensweise der Menschen nachhaltig. Anhand der anthropologischen Befunde lassen sich Rückschlüsse ziehen, wie die Menschen damals lebten, welche gesundheitlichen Bedingungen und Verletzungen sie hatten und wie sie mit den Veränderungen in ihrer Umgebung umgingen.
Was Spuren über den "gefallenen Reiter" verraten
Neben dem Grab der bajuwarischen Prinzessin wurde noch ein weiteres, männliches Skelett gefunden. Dieses zeigt Spuren einer gewaltsamen Auseinandersetzung, die vermutlich zum Tod führten. Im Grab wurde ein Reitersporn gefunden, und die Abnutzung an seinen Oberschenkeln deutet darauf hin, dass er viel Zeit zu Pferd verbrachte. Sein rechtes Bein trägt außerdem die Spuren eines Schwerthiebs, der möglicherweise tödlich war.
Solche Funde liefern wertvolle Einblicke in das Leben und Sterben der frühen Bajuwaren am Inn vor mehr als 1.500 Jahren. Sie zeigen, wie gefährlich der Alltag eines Kriegers in dieser Zeit war, und geben Hinweise auf die sozialen Strukturen, den Status und die Rollen der Menschen in dieser Region.
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