US-Präsident Donald Trump überraschte zuletzt mit ungewohnt scharfen Tönen: Kreml-Chef Wladimir Putin sei "komplett verrückt geworden". Wenn Putin wirklich die ganze Ukraine wolle, werde "es zum Untergang Russlands" führen. Trump, der in der Vergangenheit nicht nur Putins Intelligenz und Führungsqualitäten lobte, sondern ihn auch mehrfach in Schutz nahm, vollzieht offenbar eine weitere Kehrtwende. Anlass sind die zuletzt verheerenden Drohnen- und Raketenangriffe auf ukrainische Städte.
Trump und Putin: Von Annäherung zu Distanz
"In 24 Stunden" wollte Trump den Krieg in der Ukraine beenden, wenn er erneut zum US-Präsidenten gewählt werden sollte, kündigte er mehrfach im US-Wahlkampf an. Später behauptete er, dass diese Bemerkung nur ein Scherz gewesen sei.
Im Amt startete Trump einen Putin-freundlichen Kurs. Ziele Kiews – wie die Rückgewinnung aller besetzten Gebiete und einen Beitritt zur Nato – nahm die Trump-Regierung vom Tisch, bevor es überhaupt erste Verhandlungen gab. Tiefpunkt im Verhältnis zwischen den USA und der Ukraine war die öffentliche Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office. Die Trump-Regierung "übt Druck auf das Opfer, die Ukraine, aus, anstatt auf den Aggressor, Russland", erklärte die ehemalige US-Botschafterin in Kiew, Bridget Brink.
Zickzack-Kurs oder Kehrtwende?
Kurzzeitig sah es so aus, als würde sich Trump endgültig von Kiew abwenden. Selenskyj nannte er einen "Diktator", die militärische Zusammenarbeit wurde vorübergehend eingestellt. Es folgten zwei Dinge: Die ukrainische Führung änderte ihre Rhetorik, versuchte (noch) mehr auf Trump einzugehen. Zum anderen waren es europäische Partner wie der britische Premier Keir Starmer, die hinter den Kulissen zwischen Washington und Kiew vermittelt haben. Für Aufmerksamkeit sorgten die symbolträchtigen Bilder von Trump und Selenskyj bei der Beerdigung von Papst Franziskus.
Vergangene Woche kam es zu einem zweistündigen Telefonat zwischen Trump und Putin. Der US-Präsident verkaufte das Gespräch vorab über seine Kanäle als wichtigen diplomatischen Schritt, lobte anschließend den Inhalt. Putin dagegen war für das Gespräch nicht mal im Kreml, sondern in einer Schule an der Sotschi-Küste – als hätte er das Gespräch gerade so in seinen Zeitplan hineinschieben können. Zugeständnisse macht er keine, lediglich an einem "Memorandum für zukünftige Friedensgespräche" wolle man arbeiten.
Scharfe Kritik nach neuen Angriffen auf die Ukraine
Nur wenige Tage später folgten massive Angriffe auf die Ukraine. Putin "tötet unnötig viele Menschen, und ich rede nicht nur über Soldaten", erklärte Trump. "Ich weiß nicht, was zum Teufel mit ihm los ist."
Wie könnte es weitergehen? Vor allem drei Szenarien scheinen möglich.
Szenario 1: Trump erhöht Druck auf Moskau
Immer wieder deutete Trump an, weitere Sanktionen gegen Russland zu verhängen, machte die Drohung bisher aber nicht wahr. Ob es dabei bleibt, ist unklar – gemessen an Trumps jüngster Putin-Kritik. Die EU und Großbritannien hatten vergangene Woche weitere Sanktionen verhängt.
Entscheidend dürften daher zwei Gipfel sein: das Treffen der G7 in Kanada Mitte Juni sowie der anschließende Nato-Gipfel in Den Haag. "Wenn Trump den Krieg beenden will, muss er gegen Putin mit harten Bandagen kämpfen – und die Mittel dazu hat er", erklärte Dennis Ross, der als Berater für mehrere US-Regierungen tätig war.
Szenario 2: Trump verliert Interesse
Es könnte allerdings auch sein, dass Trump sich zurückzieht. Der US-Präsident rühmt sich als "Deal-Maker", als jemand, der schnelle Vereinbarungen zustande bringt. Dass er im Ukraine-Krieg kaum vorankommt, scheint ihn laut mehreren Berichten immens zu frustrieren.
Nicht ausgeschlossen, dass Trump das Interesse an dem Krieg verliert. Äußerungen in diese Richtung gab es bereits. Im Februar erklärte er: "Dieser Krieg ist für Europa viel wichtiger als für uns – uns trennt ein großer, wunderschöner Ozean." Zuletzt schrieb er außerdem, es sei ein Krieg "von Selenskyj, Putin und Biden – nicht von Trump." Zwar erklärte er unter anderem, dass nur er den Krieg beenden könne – zuletzt wiederum, dass nur die Ukraine und Russland das selbst könnten.
Szenario 3: Trump bleibt bei Zickzack-Kurs
Dass Trump seine Meinung schnell ändern kann, ist bekannt. Anfang März drohte er Putin mit weiteren Sanktionen und Zöllen – nur um wenige Stunden später Verständnis für ihn zu äußern. "Ich denke, dass er tut, was jeder in seiner Lage jetzt tun würde", erklärte Trump damals über Putin.
Sollte Trump in den kommenden Tagen wieder Putin-freundliche Äußerungen von sich geben – es würde wohl nur die wenigsten Beobachter überraschen. Richtungswechsel und widersprüchliche Signale waren bisher Teil von Trumps Russland-Politik – und könnten es auch bleiben.
Im Video: Beispielloser Angriff mit Drohnen auf Ukraine
Im Video: Beispielloser Angriff mit Drohnen auf Ukraine
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