Begünstigt durch milde Temperaturen sind Zecken mittlerweile ganzjährig aktiv. 2024 könnte ein besonders starkes Zeckenjahr werden
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Begünstigt durch milde Temperaturen sind Zecken mittlerweile ganzjährig aktiv. 2024 könnte ein besonders starkes Zeckenjahr werden

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Zecken-Experten warnen: Ganz Deutschland ist FSME-Risikogebiet

Zecken-Experten warnen: Ganz Deutschland ist FSME-Risikogebiet

Begünstigt durch milde Temperaturen sind Zecken mittlerweile ganzjährig aktiv. 2024 könnte ein besonders starkes Zeckenjahr werden. Die Parasiten können unter anderem FSME übertragen. Experten warnen: Das Risiko einer Infektion besteht bundesweit.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Sie sind klein und daher am Körper leicht zu übersehen: Zecken. Die Spinnentiere leben im Wald, auf Wiesen und sogar im heimischen Garten und können bei ihren Stichen gefährliche Krankheiten übertragen, wie etwa die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). In diesem Jahr rechnen Experten in Deutschland mit vielen Infektionen.

Expertin: "Wir können uns nirgendwo mehr richtig sicher sein"

Die vergangenen Monate haben den blutsaugenen Parasiten prächtiges Wetter zum Überleben geboten: milde Temperaturen, kaum frostige Nächte. Entsprechend aktiv sind die Tiere bereits.

"Auch in diesem Jahr gibt es bereits erste FSME-Fälle in Baden-Württemberg und Bayern", berichtet Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim. "Bei einem Vorlauf von vier Wochen bis zur Diagnose muss die Infektion mitten im Winter stattgefunden haben - Zecken haben also keine Winterpause mehr, das FSME-Geschehen verlagert sich nach vorn."

In Risikogebieten liegt die Wahrscheinlichkeit einer FSME-Infektion nach Angaben des baden-württembergischen Landesgesundheitsamts nach einem Zeckenstich bei 1 zu 50 bis 1 zu 100. Ein Infektionsrisiko besteht laut Robert Koch-Institut (RKI) vor allem in Bayern und Baden-Württemberg, in Südhessen, im südöstlichen Thüringen, in Sachsen und seit dem Vorjahr auch im südöstlichen Brandenburg. Hinzu kommen einzelne Risikogebiete in anderen Bundesländern. Mackenstedt spricht von ganz Deutschland als "Endemie-Gebiet für FSME" und warnt: "Wir können uns nirgendwo mehr richtig sicher sein."

Hohe Dunkelziffer bei FSME-Infektionen

FSME-Infektionen bei Menschen sind in Deutschland meldepflichtig. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Fälle in Deutschland zwar nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von 627 Fällen im Jahr zuvor auf 527 Fälle gesunken. In Baden-Württemberg gingen die FSME-Fälle von 209 auf 143 zurück, in Bayern waren es nach 291 Fällen noch 265.

Mackenstedt und andere Experten raten aber zu Vorsicht. "Die Entwicklung ist trügerisch", sagt etwa Rainer Oehme, der Laborleiter des Landesgesundheitsamts im baden-württembergischen Gesundheitsministerium. "Der längerfristige Trend zeigt deutlich nach oben." Viele FSME-Infektionen würden zudem nicht als solche erkannt, die Dunkelziffer sei hoch. 

Wie entwickelt sich eine FSME-Infektion?

FSME-Erreger werden durch Zeckenarten wie den Gemeinen Holzbock (Ixodes ricinus) und die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) übertragen. Die meisten Infektionen verlaufen ohne Symptome. Nach etwa zehn Tagen können in einigen Fällen grippeähnliche Symptome auftreten. Bei rund einem Drittel dieser Patienten kommt es nach einer vorübergehenden Besserung zu einem erneuten Fieberanstieg und einer zweiten Krankheitsphase.

Bei leichten Verläufen klagen die Patienten vorwiegend über starke Kopfschmerzen. Bei schwereren Verläufen sind auch Gehirn und Rückenmark beteiligt. Zu den Symptomen gehören Koordinationsstörungen, Lähmungen, Sprach- und Sprechstörungen sowie Bewusstseinsstörungen und epileptische Anfälle. Für rund ein Prozent dieser Patienten endet die Krankheit tödlich.

Auch sind bleibende Spätfolgen möglich. "Rund zehn Prozent von über 500 befragten Patientinnen und Patienten hatten auch nach über einem Jahr noch Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme mit der Balance oder beim Gehen", erklärt Professor Gerhard Dobler, Leiter des Nationalen Konsiliarlabors FSME am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München.

Wie kann man sich schützen?

Ideal ist es, wenn Zecken gar nicht erst zustechen können. Spaziergänger sollten in Wäldern sowie auf Feldern und Wiesen deshalb am besten lange Kleidung und feste Schuhe tragen. Über die Hosenbeine gezogene Strümpfe erschweren den Zecken die Suche nach nackter Haut zusätzlich. Es gibt zudem - ähnlich wie gegen Mücken - chemische Abwehrmittel, die zeitlich beschränkt wirken. Nach einem Ausflug ins Freie sollte die Haut gründlich abgesucht werden, um festgebissene Zecken zu entdecken und zu entfernen. Die Parasiten setzen sich besonders gern in die weichere Haut von Arm- und Kniebeugen, unter Achseln, am Haaransatz oder im Genitalbereich.

Wenn es der Zecke trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch gelungen ist, sich festzubeißen, ist es wichtig, den Blutsauger so schnell wie möglich zu entfernen. Denn je länger er im Körper bleibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung.

Längerfristig schützt gegen FSME eine aus drei Einzeldosen bestehende Impfung, die alle drei bis fünf Jahre aufgefrischt werden muss.

Borreliose als häufigste durch Zecken übertragene Krankheit

Am häufigsten durch Zecken übertragen wird jedoch eine andere Krankheit - die von Bakterien verursachte Lyme-Borreliose. Mehrere Hunderttausend Fälle gibt es jährlich. Die meisten Infektionen verlaufen auch hier ohne Symptome. Im Erkrankungsfall ist erstes Symptom oft eine größer werdende Rötung um die Einstichstelle herum.

Eine Schutzimpfung gegen Borreliose gibt es dagegen nicht. Früh erkannt, können Mediziner eine Infektion allerdings gut mit Antibiotika behandeln. Der Erreger kann sich bei einer im Frühstadium nicht behandelten Infektion auf andere Gewebe und Organe ausbreiten und irreparable Langzeitschäden verursachen, etwa an Nervensystem, Gelenken, Herz oder Haut. Spätformen können Monate oder sogar Jahre nach dem Zeckenstich auftreten.

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Tigermücke unter dem Mikroskop
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Tigermücke unter dem Mikroskop

Mit Informationen von dpa und AFP.

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