Eine Bronzeskulptur begrüßt die Besucher. Aus einem gemeinsamen Fuß streben drei Formen nach oben und bilden eine Art Kelch. Die Formen erinnern an Menschen, stark abstrahiert, aber man meint doch Tänzer zu erkennen: bewegt, jeder für sich und doch verbunden. "Dreiklang" heißt die Skulptur von Rudolf Belling aus dem Jahr 1919. Es ist der ideale Einstieg in eine Ausstellung zur Moderne, die die Kunst, die Architektur und das Design der Jahre zwischen 1918 und 1933 zeigt. Vom Parfumflakon bis zum Motorrad, vom Architekturmodell bis zum Gemälde: Hier sehen wir die Moderne in allen ihren Ausprägungen – und nicht wie sonst so oft getrennt in künstlerische Genres. Die Macherinnen und Macher sind begeistert vom neuen Format. Irene Meissner vom Architekturmuseum: "Man hat voneinander gelernt und man hat sich ausgetauscht, man hat gemerkt wie eng diese Sammlungen auch vernetzt sind miteinander. Thomas Mann hat das als "Beziehungszauber" zwischen den Künsten bezeichnet und das sieht man hier wirklich ganz toll, mit der Malerei, mit der Skulptur, mit dem Design, der Fotografie, der Architektur..."
Der Beziehungszauber zwischen den Künsten
Manche Merkmale der Moderne zeigen sich in allen Gestaltungsbereichen, etwa die Vorliebe für klare geometrische Formen wie Kreis, Quadrat und Dreieck. Wir sehen kreisrunde Kugelhäuser als Modell und als Zeichnung, eine Tischleuchte mit halbrundem Lampenschirm aus weißem Glas oder das Foto eines Wohnhauses mit Flachdach von Sep Ruf: ein weißer Würfel. "Man hat sich abgewendet vom Historismus" erklärt Irene Meissner, "man wollte nicht mehr nach den historischen Stilformen bauen, also diese Farbigkeit, die Dekoration, all das sollte nicht mehr sein, die Architektur sollte rein aus der Funktion entwickelt werden, sollte funktional sein, zweckmäßig und sachlich. Licht, Luft, Sonne zur Verbesserung der sozialen und hygienischen Verhältnisse – das kennzeichnet das neue Bauen."
Claus Richard Franzenburg: Motorrad "Weiße Mars", 1920/26, Mars-Werke, Nürnberg.
Neben einer neuen Ästhetik waren es vor allem neue Materialien, die die Moderne prägten. Mit Bakelit kam der erste Kunststoff in die Welt, die Ausstellung zeigt frühe Radioapparate, Stecker und einen Fön von 1936. In der Architektur ermöglichte Beton plötzlich enorme Dimensionen. Ein Foto zeigt die Großmarkthalle in Leipzig von 1929, mit 76 Metern Spannweite hatte sie damals die größte Kuppel der Welt.
Neue Materialien, neue Techniken, neue Ästhetik
Manche Materialien fanden auch neue Anwendungen: Stahl nutzte man in der Architektur schon seit dem 19. Jahrhundert, der Designer Marcel Breuer aber machte aus Stahlrohren Möbel und erfand so den Freischwinger. Joseph Straßer von der Neuen Sammlung: "Das war wirklich eine Revolution in der Zeit, eine völlig neue Art des Sitzens, dass man wie auf Luft sitzt, federnd sitzt. Auf der anderen Seite ist so ein Freischwinger ein Symbol für die Zeit: es zeigt die Luftdurchlässigkeit, die Freiheit, diese Öffnung, die man anstrebte, wie kein anderes Möbel, gerade im Vergleich zu dem, was es vorher gab, diese schweren Polstermöbel."
Fotografien, Teppiche, Keramikgeschirr, Möbel, Malerei und sogar ein Motorrad: die Ausstellung der vier Häuser ermöglicht einen Blick auf die ganze Moderne, und nicht nur auf Teilbereiche. Es ist die erste echte Gemeinschaftsausstellung der vier Museen in der Pinakothek der Moderne – und kommt reichlich spät: denn gerade für diese Art der Zusammenarbeit war das vor 23 Jahren eröffnete Haus konzipiert worden. Doch besser spät als nie. Und die nächste Gemeinschaftsausstellung ist auch schon in Planung.
„4 Museen – 1 Moderne“: Bis 28.09. in der Pinakothek der Moderne.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!