Seine Eltern hätten es ihm nicht gerade leichtgemacht, hat Frei Otto mal erzählt. Viele fänden seinen Vornamen idiotisch. Behalten hat er ihn trotzdem. Und mehr noch: Er hat ihn zum Programm gemacht.
Berühmt für seine Zeltkonstruktionen
Das Zeltdach des Olympiastadions, die Große Voliere im Tierpark Hellabrunn oder die Multihalle in Mannheim: Frei Otto ist berühmt für seine zeltartigen Dachkonstruktionen.
Viele seiner Bauten wirken noch heute avantgardistisch: schwebende Konstruktionen, die Freiheit und Weite atmen, Leichtigkeit und Transparenz. So wie beim Münchner Olympiapark von Günther Behnisch. Es waren vor allem Frei Ottos Zeltdächer, in denen sich die neue, offene Nachkriegsgesellschaft zeigen sollte.
Frei Otto wurde 1925 in der Nähe von Chemnitz geboren. Durch einen Lehrer kam er früh mit Segelfliegen und Modellbau in Kontakt und machte erste Erfahrungen mit Leichtbauweisen und rahmengespannten Membranen, später studierte er Architektur.
Pionier des ökologischen Bauens
Von Anfang an versuchte Frei Otto, beim Bauen so wenig Material, Energie und Fläche wie möglich zu verbrauchen. Das machte ihn wie nebenbei auch zu einem Pionier des ökologischen Bauens. Sein Einfluss auf andere Architekten war und ist bis heute enorm.
Anfang der 60er gründete er die Forschungsgruppe "Biologie und Bauen" zur Erforschung natürlicher Konstruktionen: Wie baut die Koralle ihr Riff? Wie zugfest ist ein Spinnennetz? Welche Bruchlast hält ein Röhrenknochen aus? Frei Otto war vor allem ein Forscher. Leicht bauen hieß für ihn: intelligent bauen. Die Ästhetik ergab sich aus der natürlichen physikalischen Form.
So fußt etwa der Glockenturm der evangelischen Kirche in Berlin-Schönow auf dem Skelett einer Kieselalge. Otto wollte die Natur aber nie imitieren, sondern sie begreifen. Er tauchte Drahtrahmenmodelle seiner Bauten in Seifenlauge: die so entstehende Seifenhaut entsprach automatisch der minimalen Dachfläche.
Bewunderer eigener Modelle: Frei Otto in der Pinakothek der Moderne im Jahr 2005
Verfechter von Sinnlichkeit in der Architektur
Doch bei aller Physik und Technik: Die Sinnlichkeit kam bei ihm nie zu kurz. Sogar von "Erotik" sprach Otto selbst - und beklagte, dass es in der Architektur, verglichen mit anderen Künsten, viel zu wenig davon gebe.
Alles in allem hat Frei Otto eher wenig gebaut, er sah sich eher als Ideengeber und Luftschlosserfinder im Geiste. Doch das, was er gebaut hat, das hat bis heute Bestand. Am feinmaschigen Edelstahlgewebe der großen Vogel-Voliere im Tierpark Hellabrunn etwa gibt es auch heute nichts zu verbessern. Spielerisch leicht umhüllt das Netz eine Fläche von 5000 Quadratmetern und verschmilzt dabei unmerklich mit der Baumlandschaft.
Posthum mit dem Pritzker-Preis geehrt
Größere Architekturen von Frei Otto entstanden auch im arabischen Raum: 1974 etwa ein Hotel- und Kongresszentrum in Mekka. Mit dem Aga Khan Award erhielt er einen der höchsten Architekturpreise dafür.
Die größte Ehre wurde ihm allerdings erst posthum zuteil. 2015 bekam Otto als erst zweiter Deutscher den Pritzker-Preis, die wichtigste Architekturauszeichnung der Welt. Erlebt hat er es nicht mehr. Genau einen Tag vor der Bekanntgabe war Frei Otto gestorben.
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