Wer zum Nebelhorn im Oberallgäu hinaufsteigt und auf 1.932 Metern das Edmund-Probst-Haus erreicht, kann sich fühlen wie im Himalaya: Denn wie auf vielen Bergeshöhen dort flattern hier an der Hausecke tibetische Gebetsfahnen. "Im Himalaya, wenn Berge beklettert oder bestiegen werden, ist es ja üblich, dass die Bergsteiger die dort aufhängen", sagt Hüttenwirt Matthias Geiger. "Sie sollen den Bergsteigern ja Glück bringen. Und da dachten wir, das kann uns auch nicht schaden". Buddhist oder besonderer Fan des Dalai Lama sei er aber nicht.
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Fähnchen sollen buddhistische Lehre verbreiten
Ortswechsel in einen Hinterhof in der Münchner Maxvorstadt. Auch am buddhistischen Aryatara-Zentrum wehen die bunten Fähnchen. "Es ist eine tibetisch-buddhistische Tradition, dass man Gebetsfahnen aufhängt", sagt dessen Leiter Thorsten Schrammek. Der Zweck sei, anderen Lebewesen - Menschen und Tieren - den Kontakt zum Dharma, also zur buddhistischen Lehre, zu ermöglichen. "Dass man Eindrücke hinterlässt, die dazu führen, dass sie dann im nächsten oder in einem zukünftigen Leben sich dann auch auf den spirituellen Weg machen." Schrammek selbst hat sich bereits auf diesen Weg gemacht und ist Buddhist geworden. Ausschlaggebend war - wie wohl bei vielen anderen Westeuropäern und Nordamerikanern - die Bewunderung für den Dalai Lama.
Im Handel gibt es Gebetsfähnchen, die der Dalai Lama gesegnet haben soll. Aber wenn er da, wo er im Himalaya wohnt, öffentlich auftritt, wehen nur selten die mit Mantren, Tigern, Gottheiten und anderen Motiven bedruckten Gebetsfähnchen im Hintergrund. Sie seien zwar bei Buddhisten völlig üblich, erklärt die Tibetologin Ute Wallenböck von der Universität Bonn. Aber zentral für den Glauben seien sie nicht: "Sie haben den Ursprung in Zentralasien und kommen in Tibet vor allem aus der Bön-Religion, also der indigenen Religion Tibets, die vor dem Buddhismus in Tibet war."
Die Fähnchen seien ein Symbol für Energie und Wind. Und diese grundlegende Energie reitet wie auf einem Pferd. Darum werden die Fahnen auch Windpferde genannt.
Auch in Bayern bringen die Gebetsfahnen Glück
In Tibet seien die Menschen – egal, ob Buddhisten oder nicht – einfach sehr eng mit der Natur und besonders den Bergen verbunden, sagt Ute Wallenböck. Und das trifft auf jeden Fall auch auf den Oberallgäuer Hüttenwirt Matthias Geiger zu. Er hat die Fähnchen als Glücksbringer aufgehängt. "Wir sind jetzt zehn Jahre schon hier oben und haben keinen Bedarf, woanders hinzugehen, haben Nachwuchs auch bekommen. Es fehlt an nichts. Ich glaube, das ist Glück genug."
Wie viel die Gebetsfähnchen damit zu tun haben, darüber kann er nur spekulieren – hängen lässt er sie allemal. Man kann ja nie wissen. "Natürlich haben sie auch den tollen Nebeneffekt, dass sie gut aussehen und ein fotogenes Bild machen", sagt Matthias Geiger. Dass sie schon etwas verblichen und zerschlissen sind, zeige nur, dass der Wind ihre winzigen Fädchen und damit ihre Wirkung bereits ins Land getragen habe.
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