Bei der Erläuterung der Ergebnisse des Alaska-Gipfels
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Kriegsrat im Kreml: Putin vor Kreml-Elite
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Kriegsrat im Kreml: Putin vor Kreml-Elite

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"Das Böse gewinnt": Erliegt der Westen einer Selbsttäuschung?

"Das Böse gewinnt": Erliegt der Westen einer Selbsttäuschung?

Russische Kommentatoren – auch solche im Exil – sind skeptisch, was langfristige Friedensaussichten betrifft. Der Westen, vor allem Europa, leide unter einer "psychologischen Deformation" und hänge Träumen hinterher. Wie stark sind die Feindbilder?

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Eine bittere, teils polemische Abrechnung mit dem Westen, die der in London lehrende russische Exil-Politologe Wladimir Pastuchow seinen 159.000 Fans vor dem "Kriegsrat" im Weißen Haus zwischen Donald Trump, Wolodymyr Selenskyj und europäischen Regierungschefs vorlegte [externer Link]: "Das Böse gewinnt, ohne jemanden danach zu fragen, und es gibt keine Möglichkeit, es zu stoppen, ohne Geld und Blut zu investieren, also das Leben unserer Bürger aufs Spiel zu setzen. Das Böse ist bereit, seine Trophäen mit Blut zu bezahlen, das Gute jedoch nicht. Das ist die ganze Wahrheit über diesen Krieg."

"Man sollte nicht von einem Traum ausgehen"

Trump sage wenigstens "ehrlich", dass er nicht bereit sei, zugunsten der Ukraine das Leben amerikanischer Soldaten zu riskieren. Die Europäer verstrickten sich dagegen in "leere, schöne Worte".

Im Übrigen spricht Pastuchow von "psychologischer Deformation" und einer Fehlwahrnehmung der Realität: "Die Ukraine ist kein Verlierer, sondern ein Gewinner [des Gipfeltreffens in Alaska], wenn man es richtig bewertet. Man sollte nicht von einem Traum ausgehen, sondern vom Abstand zwischen dem Kriegsziel und dem bisher erreichten Ergebnis. Für Russland ist diese Distanz um ein Vielfaches größer als für die Ukraine."

Der kremlkritische Politologe Anatoli Nesmijan schrieb düster [externer Link] letztlich gehe es Europa entgegen aller Beteuerungen darum, den Krieg fortzusetzen: "Ukrainer und Russen müssen weiterhin sterben, damit sich Europa relativ sicher fühlen kann."

"Unvollendeter Krieg kehrt immer wieder zurück"

"Die Realität ist viel härter [als allgemein angenommen]", so auch die Einschätzung des russischen Militärbloggers Roman Aljechin [175.000 Abonnenten, externer Link]. Seine Argumentation: "Die gedemütigte und um Teile ihres Territoriums verkleinerte Ukraine wird zum russenfeindlichsten Staat Europas. Russland wird zwar Gebiete erhalten, aber damit auch eine neue Front, viel länger und tiefgreifender als die bisherige. Das wird nicht nur ein Gewinn sein, sondern auch eine schwere Bürde, sie zu halten, zu festigen, zu schützen – unter Bedingungen von hybridem Druck und anhaltender Feindseligkeit."

Aljechin zitiert den italienischen Realpolitiker Niccolo Macchiavelli (1469-1527): "Kriege können nicht verhindert werden; man kann sie lediglich zum Vorteil anderer hinauszögern." Außerdem verweist er auf den deutschstämmigen russischen Militärtheoretiker Eugen Messner (1891-1974), der sinngemäß schrieb, dass Kriege niemals endeten, solange die Feindbilder in den Köpfen weiterbestünden.

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Peter Jungblut

Aljechins Fazit: "Die Realität ist: Frieden ist möglich, aber er wird kein Sieg, sondern eine Atempause sein. Russland wird denken, es habe einen Sieg errungen. Der Westen – hat Zeit gewonnen. Die Ukraine – fühlt sich verraten. Doch alle drei werden mit einem Gefühl des Unvollendeten zurückbleiben. Und ein unvollendeter Krieg kehrt immer wieder zurück."

"Dann nehme ich einen Stift"

An der "Realität" hat auch der Chefredakteur der "Nesawissimaja Gazeta", Konstantin Remschukow, einiges auszusetzen [externer Link]: "In den vergangenen neun Jahren hat der Westen unsere nationalen Interessen ignoriert, Augen und Ohren verschlossen und entschieden, Russland unter Druck zu setzen."

Die Argumentation des Journalisten: Seine internationalen Besucher wollten von ihm zwar dauernd wissen, welche Absichten Putin verfolge, weigerten sich aber beharrlich, die "nationalen Interessen" Russlands selbst zu definieren und suchten diesbezüglich nach "Ausreden": "Dann nehme ich einen Stift und schreibe in großen Buchstaben auf, was für uns über Jahrhunderte hinweg existenziell wichtig war. Unter vier Augen stimmen mir meine Gesprächspartner meist zu."

"Westen hat eigenen Jack Sparrow"

Sehr aufschlussreich auch die Analyse eines weiteren (anonymen) Polit-Bloggers [externer Link] zur "Realität" nach dem Treffen in Alaska. Demnach ist Putin zwar ein gewiefter Taktiker, aber ein lausiger Stratege. Der Krieg sei für ihn längst nicht mehr "Werkzeug", sondern "Daseinsgrundlage", weil er Gesellschaft und Wirtschaft diszipliniere: "Ein Kriegsende ist nicht vorgesehen."

Polit-Blogger Ilja Graschtschenkow [externer Link] fasste seine "Realität" mit Blick auf Trump so zusammen: "Russland war so ein böser Kerl, so ein Piratenstaat, der den Rest der Welt mit Normen und Dogmen und alten, zotteligen Perücken herausforderte, und jetzt hat der Westen seinen eigenen Kapitän Jack Sparrow [aus dem Film 'Fluch der Karibik']."

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