Schlammige, schneebedeckte Straße mit zerstörten Häusern
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Nach dem Krieg: Russische Landschaft

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"Klopfen wir auf Holz": Wie sehr muss Putin Frieden fürchten?

"Klopfen wir auf Holz": Wie sehr muss Putin Frieden fürchten?

Russische Beobachter schwanken zwischen Durchhaltewillen und der Sehnsucht nach Normalität. Die Debatte über einen Waffenstillstand mit der Ukraine nimmt Fahrt auf, die Furcht vor einem Mehrfrontenkrieg und einer politischen "Sackgasse" ist groß.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Seit Wladimir Putin vor einem Investitionsforum in Moskau von einer seiner Meinung nach "unausweichlichen" Normalisierung der Beziehungen zum Westen sprach, spekulieren russische Kommentatoren über die möglichen Bedingungen für einen Waffenstillstand. "Klopfen wir auf Holz und warten wir auf eine Beendigung dieses Schreckens ohne Ende", so einer der Blogger, der seine Hoffnungen in ein Telefonat zwischen dem russischen und dem amerikanischen Generalstabschef setzte, über das erstmals die "New York Times" berichtet hatte.

Das Gespräch soll am 27. November geführt worden sein. Dazu der zitierte russische Beobachter: "Vielleicht einigten sich die Parteien auf einen vorübergehenden Stopp der Zerstörung der Energieinfrastruktur der Ukraine durch die russischen Streitkräfte. Die Ukraine könnte im Gegenzug unsere Ölraffinerien in Ruhe lassen."

"Höchstwahrscheinlich Interessenausgleich"

Wie Russland die bevorstehende "Nachkriegszeit" bewältige, darüber müsse so oder so nachgedacht werden, argumentiert der prominente Moskauer Beobachter Juri Dolgoruki, und zwar nicht gerade mit einer Triumphgeste: "Unter Berücksichtigung jüngerer Konflikte in der Welt wird es keinen klaren und eindeutigen Sieg nach dem Vorbild des Zweiten Weltkriegs geben. Denn höchstwahrscheinlich werden wir einen gewissen Interessenausgleich suchen müssen."

Bisher habe Putin keine klaren Kriterien dafür genannt, was unter "Entmilitarisierung" und "Entnazifizierung" der Ukraine zu verstehen sei. Dies sei überfällig. Dolgoruki warnte, alle Soldaten, die "in ihrem früheren Zivilleben, sagen wir, den Randgruppen angehörten", müssten nach einem Waffenstillstand überwacht werden, um Gewalttaten aufgrund traumatischer Erfahrungen vorzubeugen.

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Informationshinweis

Es spricht Bände, wenn der russische TV-Propagandist Alexander Sladkow (890.000 Fans) um Verständnis für "Kriegszitterer" bittet, also Soldaten, die wegen ihrer Erlebnisse schwere psychische Ausfallerscheinungen zeigen. Wer den US-Film "Apokalypse Now" (1979) kenne, der wisse, wovon die Rede sei: "Das erste Jahr des Friedens wird für uns das schwerste sein. Wir müssen in der Lage sein, die Stimmungslage der Rückkehrer nachzuvollziehen. Bedrängen Sie sie nicht, sondern zeigen Sie Verständnis. Ehre, Mitleid, Toleranz – all das zählt nicht mehr, nur die Liebe. Wenn sie unsere Liebe nicht spüren, wird es noch schlimmer."

"Defätistische Stimmungen nicht ausgeschlossen"

Politologe Anatoli Nesmijan ist überzeugt, dass Putin sich selbst "blockiert", da er in nächster Zeit militärisch nicht in der Lage sein werde, sowohl die gesamte Ostukraine zu besetzen als auch die ukrainischen Truppen aus der russischen Region Kursk zu vertreiben: "Eines von beiden müsste geopfert werden, was bedeutet, dass Verhandlungen bei den derzeitigen Bedingungen nicht beginnen können." Russland stecke in einer "totalen Sackgasse" ohne Aussicht auf einen baldigen Waffenstillstand.

Blogger Juri Barantschik sorgt sich nach eigenen Worten um die "Friedenspartei" im Kreml und verpackt seine Vorhersage in die propagandistische Behauptung, die USA könnten Putin mit Atomwaffen erpressen: "Ich würde nicht ausschließen, dass es in einem Teil der russischen Elite defätistische Stimmungen gibt, die versuchen werden, den Präsidenten von einer Eskalation der Vergeltungsmaßnahmen abzuhalten." Russland brauche aber keinen "Weltfrieden auf unsere Kosten".

"Probleme selbst geschaffen"

Beobachter wie Andrei Nikulin warnten mit Hinweis auf Krisenherde wie Syrien und den Kaukasus davor, dass Russland keinen Mehrfrontenkrieg bestehen könne. Nicht einmal die USA seien nicht mehr in der Lage, zwei große regionale Kriege parallel zu führen: "In einer Lage, in der Russland zweifellos über ein überlegenes militärisches, wirtschaftliches und menschliches Potenzial verfügt, aber gezwungen ist, auf vielen Brettern gleichzeitig zu spielen und viele Probleme zu lösen, die es zuvor selbst geschaffen hat, ist die Ukraine sicherlich der schwächste Gegner, kann aber ihre ganze Kraft einsetzen und auf einen Punkt konzentrieren."

Das Fazit des Bloggers Dmitri Sewrjukow: "Die russische Führung machte deutlich, dass sie ihren Erzfeinden die Hand schütteln würde, wenn der Westen spürbar mehr Zugeständnisse macht als Russland. Natürlich kommt es im Geschäftsleben nur ausnahmsweise zu solchen Deals, aber die aktuelle Aufgabe der russischen Regierung besteht darin, Trump und seine Partner davon zu überzeugen, dass die Umstände tatsächlich etwas Besonderes sind."

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