Ein Archivbild zeigt Donald Trump und Putin im Jahr 2018.
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Alte Zeiten: Donald Trump trifft Putin am 16. Juli 2018.

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"Kopf im Maul des Tigers": Was die Russen von Trump erwarten

"Kopf im Maul des Tigers": Was die Russen von Trump erwarten

Einer Umfrage zufolge scheren sich 61 Prozent der Russen wenig um Trumps Amtsantritt, gleichwohl ist der Medienwirbel enorm, womöglich aus "psychologischen" Gründen: "In Russland mangelt es derzeit an aktuellen Themen und interessanten Ereignissen."

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Valery Fjodorow, Chef von Russlands staatseigenem Meinungsforschungsinstitut, versuchte seine Landsleute zu beruhigen: "Trump wird versuchen, uns Angst zu machen, den Druck auf uns zu erhöhen, uns auszutricksen – aber nicht auf seine eigenen Kosten, sondern auf Kosten von Satelliten wie Europa, Japan, Korea."

Dagegen helfe nur Durchhaltevermögen, so Fjodorow: "Sie müssen stets Beharrlichkeit beweisen, das heißt, stillschweigend bei Ihrer Linie bleiben, Trump schmeicheln oder ihm zumindest nicht ausdrücklich widersprechen. Dann gelingt alles mit der Zeit – für alle, die warten können! Es ist wichtig, Reserven in der Hinterhand zu haben."

Besonderen Trost haben die Russen ausweislich einer aktuellen Umfrage von WZIOM, dem staatseigenen Meinungsforschungsinstitut, aber gar nicht nötig. Demnach ist Trumps Amtsantritt 61 Prozent der Befragten egal, 45 Prozent erwarten für Russland dadurch keinerlei Veränderungen.

Stimmung in Russland: "Es herrscht Friedhofsruhe"

Warum die russischen Medien und Blogger sich gleichwohl intensiv an Trump abarbeiten, erklärt sich ein viel zitierter Kommentator aus Pskow so: "In Russland mangelt es derzeit an aktuellen Themen und interessanten Ereignissen. Im Allgemeinen an allem, was einer genaueren Betrachtung wert wäre. Es herrscht Friedhofsruhe, es gibt nicht mal was zu belächeln. Vieles ist verboten, laute Äußerungen sind gefährlich wie in der schlechten, alten Sowjetzeit, die 'Wände haben Ohren'. Das ist alles traurig."

Offenbar nutzten manche Russen das Thema Trump, sich irgendwie abzureagieren, vermutet der Blogger, denn aktuell sei es ja nicht mal möglich, mangels Politik auf Fußball, Eishockey oder Biathlon auszuweichen: "Jeder durchschnittliche Psychoanalytiker wird Ihnen mit gutem Grund sagen: Wenn Sie sich so sehr für das Leben eines anderen interessieren, dann haben Sie ernsthafte Probleme mit Ihrem eigenen. Vielleicht existiert es einfach nicht."

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Ganz anders die Sichtweise eines der wichtigsten Militärblogger mit 500.000 Fans: "Sie können sich wie ein Mantra noch so oft sagen, dass Trump für uns nicht interessant ist und sich nichts ändern wird. Jeder weiß, dass sich viel ändern wird, auch die Lage in der Ukraine, obwohl unklar ist, in welche Richtung. Die Menschen spüren es womöglich unbewusst. Wir wissen nicht, ob es besser oder im Gegenteil schlechter wird. Aber es wird anders sein, und zwar deutlich anders – das ist sicher."

Russland als "Kopf im Maul eines Tigers"

Andere erwarten fortan ein zähes Ringen um Vorteile: "Da es keinen klaren K.o.-Sieg mehr geben kann, wird nun um einen Sieg nach Punkten gefeilscht. Sowohl Trump als auch Putin versuchen, Stiche in einem gefährlichen Kartenspiel zu machen, das nicht gewonnen werden kann – auf Kosten der Mitspieler." Zwischen Russland und den USA gebe es keineswegs ein "Nullsummenspiel": "Der Gewinn des einen geht nicht zwangsläufig nur auf Kosten des anderen. Der Dritte am Tisch kann ebenfalls verlieren. In diesem Fall die Ukraine, das ist sicher. Und das war von Anfang an klar."

Russland habe derzeit keine "starke Position", weil der vom Kreml angestrebte Regimewechsel in Kiew mit dem "Zusammenbruch der Spezialoperation im März 2022", also kurz nach Beginn des Krieges, unmöglich geworden sei. Putin könnte jetzt nur noch hoffen, dass sich die Ukraine irgendwann "von innen zerstöre", er müsse also Zeit gewinnen: "Ist es möglich, mit einem Tiger zu einer Einigung zu kommen, wenn der Kopf in dessen Maul steckt? Das kannst du, wenn dieser Kopf nicht dir gehört."

Nicht anwesend: Stellung des Kremls im Weltgeschehen

Der kremlkritische Blogger Anatoli Nesmijan verwies darauf, dass zwei global wichtige Ereignisse zeitlich zusammenfallen: "Bezeichnenderweise ist Russland weder bei Trumps Amtseinführung, noch beim Weltwirtschaftsforum in Davos anwesend, und das wird auch von niemandem erwartet. Russland war nicht mal eingeladen. Das unterstreicht ganz deutlich die derzeitige Stellung des Kremls im Weltgeschehen. Niemand wird irgendetwas mit ihm vereinbaren, sie wollen nicht einmal mit ihm kommunizieren, außer aus bestimmten und erzwungenen Gründen."

Das Fazit des kremlnahen Politologen Sergej Markow: "Die Amtseinführung findet bei russischen Temperaturen von minus 20 Grad statt. Auf diese Weise wird Russland daran teilnehmen."

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