Am 1. September 2025 im Kreml
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Sergei Lawrow (Mitte) neben Putin beim Empfang des indischen Präsidenten Narendra Modi
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Sergei Lawrow (Mitte) neben Putin beim Empfang des indischen Präsidenten Narendra Modi

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"Geht zu weit": Lässt Putin seinen Außenminister Lawrow fallen?

"Geht zu weit": Lässt Putin seinen Außenminister Lawrow fallen?

Bei einem wichtigen Treffen des russischen Sicherheitsrats fehlte Außenminister Lawrow nach "einvernehmlicher Absprache". Er fährt auch nicht zum G-20-Gipfel nach Südafrika und wird wegen seines "ruppigen" Auftretens kritisiert. Das nährt Gerüchte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Informationen am Nachmittag am .

"Wenn wir wirklich an einem konstruktiven Dialog mit der Außenwelt interessiert sind, anstatt lediglich medienwirksame Geschichten für den heimischen Markt zu produzieren, dann ist es an der Zeit, ernsthafte personelle Veränderungen in Betracht zu ziehen. Nicht nur auf der Ebene der Sonderbeauftragten, sondern auch bei denjenigen, die Stil und Methodik der diplomatischen Arbeit festlegen", so der russische Publizist Juri Dolgoruki [externer Link], der behauptete, die russische Diplomatie verstehe sich offenkundig "nur noch auf Provokation". Namentlich angesprochen fühlen durfte sich davon neben Außenminister Sergei Lawrow auch dessen Sprecherin Maria Sacharowa.

Dolgoruki wirft ihnen vor, das "Wesen der Diplomatie" zu missachten: "Natürlich leben wir im Zeitalter der 'Netflix-Politik', in dem das Spektakel wichtig ist und die Medienberichterstattung die Wahrnehmung beeinflusst. Das ist die Realität der modernen Welt, und es wäre naiv, diesen Trend zu ignorieren. Doch sich davon so mitreißen zu lassen, dass man die grundlegenden Funktionen der Institution vergisst, geht zu weit und nährt Zweifel am Stil der russischen Diplomatie."

Lawrow fehlt bei Sitzung "nach einvernehmlicher Absprache"

Anlass für diese und andere kritische Äußerungen über den russischen Außenminister war dessen jüngstes Telefonat mit seinem US-Kollegen Marco Rubio. Danach wurde ein in Aussicht genommenes Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Budapest erst verschoben und dann abgesagt. Russische Medien spekulierten, Grund dafür sei der allzu ruppige Umgangston von Lawrow gewesen. Inzwischen heißt es sogar, er sei deswegen bei Putin in Ungnade gefallen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte dazu auf Fragen von Journalisten [externer Link]: "Nichts in diesen Berichten entspricht der Realität." Lawrow arbeite "natürlich" weiter als Außenminister. Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa sprach von einer "fantastischen Geschichte", die an die Krimis von Agatha Christie erinnere.

Bei einem Treffen des russischen Sicherheitsrats unter Leitung von Putin fehlte Lawrow jedenfalls "nach einvernehmlicher Absprache", wie das Wirtschaftsblatt "Kommersant" unter Berufung auf "informierte Kreise" meldete [externer Link].

Die Zeitung hatte auch mit einer höchst ungewöhnlichen Stellungnahme des russischen Außenministeriums für Verwunderung gesorgt, wonach Lawrow bei dem fraglichen Telefonat mit Rubio nicht von den zwischen Trump und Putin abgesprochenen Vereinbarungen abgewichen sei. Das wirkte nach Meinung von Beobachtern wie eine peinliche Ausrede Lawrows für das Scheitern des Vermittlungsversuchs.

"Burnout wäre verständlich"

Politologe Georgi Bovt schrieb zur Abwesenheit von Lawrow im russischen Sicherheitsrat [externer Link]: "Das wird mit Sicherheit neue Gerüchte auslösen, der Außenminister sei in Ungnade gefallen. Außerdem wird Russland beim G20-Gipfel Ende November in Südafrika durch den stellvertretenden Stabschef der Präsidialverwaltung, Oreschkin, vertreten sein. Vielleicht fühlt sich Lawrow aber auch einfach nur unwohl."

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Peter Jungblut

Auf den tonangebenden anonymen russischen Polit-Kanälen wird Lawrow "Inkompetenz" bescheinigt [externer Link], gewürzt mit Sarkasmus: "Ein Burnout des Außenministers wäre verständlich – in seinem Alter [75] dürfte es schwierig sein, von tiefem Hass, einem Schwall von Galle und Lügen im Inland, zu demonstrativer Verbindlichkeit auf internationaler Ebene umzuschalten. Zumal er in den letzten Jahren aufgrund seiner Isolation kaum Übung darin hatte. Moskaus Problem ist, dass man nicht mittendrin die Pferde wechseln kann."

"Putins Gunst eindeutig verloren"

Lawrow sei "offensichtlich deprimiert", war auf einem der mit 411.000 Abonnenten wichtigsten Telegram-Kanäle zu lesen: "Er hat Putins Gunst eindeutig verloren und wirkt wie ein Schwächling – das russische Außenministerium ist gezwungen, Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen, um seine Unschuld zu beweisen." Offenbar habe Lawrow gedacht, wenn er gegenüber seinen US-Amtskollegen "härter und prinzipientreuer" auftrete als vermeintlich nachgiebigere Kollegen im Kreml, erfülle er damit Putins Wünsche: "Es stellte sich jedoch heraus, dass dies überhaupt nicht der Fall war."

Andere Polit-Blogger argumentierten [externer Link], Lawrow habe "praktisch keinen Handlungsspielraum", da Außenpolitik im Kreml gemacht werde: "Hinzu kommt, dass im Rahmen der Inszenierungen für Donald Trump, die eine Hand [Putins] die andere demonstrativ bestrafen kann, wie jemand, der ein schelmisches Kind rügt, das gegen den Nachttisch gelaufen ist."

Der kremlkritische Politologe Andrei Nikulin postete unterdessen ein Foto [externer Link], auf dem Lawrow düster dreinblickt, während Putin die nordkoreanische Außenministerin empfängt: "Vielleicht kamen bei Lawrow Erinnerungen an die Zeit hoch, als wir in diesem Saal französische, britische oder japanische Minister und Staatsoberhäupter empfingen. Schöne neue Welt."

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