"Generell ist es die eigentliche Aufgabe von Diplomaten, sicherzustellen, dass das Land stets Verbündete hat, auch auf dem Schlachtfeld", so der russische Politologe Andrei Nikulin [externer Link]: "Wenn der langjährige Außenminister erklärt, es gebe keine Verbündeten, welche Folgerung lässt sich daraus ableiten? Es ist das Ergebnis der Politik seiner und anderer 'herausragender Geopolitiker'."
Grund für diese sarkastische Bemerkung war eine Rede auf einem außenpolitischen Kongress. Dort hatte Lawrow nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur TASS wörtlich gesagt [externer Link]: "Es liegt viel Arbeit vor uns. Die wichtigste Aufgabe ist es, den Feind zu besiegen. Zum ersten Mal in der Geschichte kämpft Russland ganz allein gegen den gesamten Westen. Im Ersten und im Zweiten Weltkrieg hatten wir Verbündete. Jetzt haben wir auf dem Schlachtfeld keine Verbündeten mehr. Deshalb müssen wir uns auf uns selbst verlassen und dürfen keine Schwäche oder Nachlässigkeit zulassen."
Nebenbei beschwerte sich Lawrow über angeblich "mangelnden Respekt" des Westens. Selbst im Kalten Krieg sei das noch anders gewesen.
"Mitreisende auf der Durchreise"
Politikwissenschaftler Anatoli Nesmijan zeigte sich überrascht [externer Link]: "Tatsächlich stellte Lawrow das völlige Scheitern der gesamten Außenpolitik des Landes fest. Ein Kriegseintritt ohne Verbündete ist für sein Ministerium offensichtlich eine Katastrophe. Technisch gesehen ist ein Beamter nach einer solchen Erklärung verpflichtet, seinen Rücktritt einzureichen. Doch wir befinden uns in Russland, wo die Verantwortung eines Beamten, insbesondere eines hochrangigen, nichts mit den Ergebnissen seiner Tätigkeit zu tun hat."
Es sei im Übrigen verwunderlich, dass Lawrow Länder wie Nordkorea und Venezuela, die sonst gern als "Verbündete" gehandelt werden, unerwähnt gelassen habe: "Es sind nur Mitreisende auf der Durchreise."
"Geduld geht schneller zu Ende als erwartet"
Blogger Alexei Schiwow (114.000 Fans) korrigierte Lawrow [externer Link] "bei allem Respekt" und betonte, der Iran, Nordkorea und China gehörten immer noch zu den russischen Partnern: "Wir sind also nicht allein!"
Peter Jungblut
In einer weniger zuversichtlichen Analyse [externer Link] heißt es: "Moskau hatte Verbündete. Doch deren Geduld geht schneller zu Ende, als Lawrow erwartete." Zur Begründung hieß es, Syrien und Iran hätten jetzt andere Sorgen, Serbien und Aserbaidschan seien quasi "abtrünnig" geworden. Sogar Belarus orientiere sich vorsichtig am Westen und suche Kontakte zu Donald Trump.
"Ewiges Feindbild wurde bestätigt"
"Mit einem einzigen Satz beleidigte Lawrow sowohl Kim Jong-un, der nicht nur Ausrüstung, sondern auch Soldaten an die russische Front geschickt hat, als auch Xi Jinping, ohne den die Russische Föderation längst unter dem Druck der Sanktionen kapituliert hätte", so einer der tonangebenden russischen Polit-Blogger [externer Link]: "Und [der belarussische Präsident] Lukaschenko, der sein Land für 'Manöver' vor der Spezialoperation zur Verfügung stellte, gilt offenbar ebenfalls nichts mehr."
Putins Außenpolitik sei gescheitert, ist einer weiteren Wortmeldung zu entnehmen [externer Link]. Er habe den Westen nicht etwa gespalten, sondern geeinigt: "Die Konfrontation mit Russland hat die EU nur geeint, da sie den Europäern das ewige Feindbild bestätigt hat – des 'russischen Bären', den sie seit Jahrhunderten fürchten und hassen. Darüber hinaus positioniert sich Russland heute als eine Macht, die bereit ist, nichtwestliche Zivilisationen im Kampf gegen den Westen anzuführen. Das erinnert an die nicht allzu fernen Zeiten, als die UdSSR nichtwestliche Länder auf diesem Weg anführte."
"Russland ist Schönwetterfreund"
Der frühere US-Botschafter in Moskau, Michael McFaul, streute in einer Bestandsaufnahme für das Fachblatt "Foreign Affairs" [externer Link] noch zusätzlich Salz in die Wunde: "In Krisenzeiten ist Russland kein verlässlicher Verbündeter."
Er konstatierte, dass Putins Ansehen bei vermeintlichen Partnern wie dem Iran mangels echter Unterstützung im freien Fall sei und auch China auf der Hut sein müsse: "Russland ist ein Schönwetterfreund. Im Falle eines Konflikts zwischen den USA und China – beispielsweise um Taiwan – kann Washington damit rechnen, dass Moskau sich zurückhält, so wie es dies bei seinen Partnern im Nahen Osten getan hat."
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