Blau, lila, orange, ein Sonnenuntergang, ein Flugzeugflügel, darüber ein silberner, geschwungener Schriftzug: Irgendwie hat man beim Blick auf das Cover des neuen Romans von Leif Randt gleich ein sehnsuchtsvolles, schönes Gefühl – und vielleicht auch den passenden Soundtrack im Ohr.
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"Ein sehr musikaffiner Freund, er ist auch DJ, meinte, es sieht aus wie ein Daft Punk Album, als er das Cover zum ersten Mal sah. Da dachte ich: Hat er nicht ganz unrecht", sagt Randt im Gespräch mit dem BR, der Autor, der von vielen ja zur neuen Generation der Pop-Literatur gezählt wird.
Und ja, auch in seinem neuen Buch wird gefeiert, geravet, konsumiert und kopuliert. Spaß, Hedonismus, Liebe, Mode, Musik und Melancholie auf einer Reise, die von Berlin über Rügen nach Japan, dann nach Wolfsburg und schließlich bis Indien führt. Eine Coming-of-Middle-Age-Geschichte – so ist das also, wenn die Millennials älter werden.
"Ich bin heute ein bisschen traurig"
Der Buchtitel "Let's Talk About Feelings" bezieht sich übrigens tatsächlich auf ein Musikalbum, allerdings nicht von Daft Punk, sondern auf kalifornischen Skatepunk der Band Lagwagon. Und es geht natürlich um Gefühle, das Reden über Gefühle, so wie die Hauptfigur Marian das offenherzig tut: "Ich bin heute ein bisschen traurig, weil ich gestern ein enttäuschendes Treffen hatte. Mit einer Freundin, von der ich dachte, dass ich sie wirklich mag" – das sagt der Anfang 40-jährige Besitzer einer Mode-Boutique, nachdem sein Date im Drogenrausch ziemlich abstürzt.
Er kümmert sich, macht ihr Tee, sie nimmt ein Uber nach Hause, ein ganz normaler Abend in Berlin eben: "Sie verabschiedeten sich mit einer Umarmung, die sich für Marian so anfühlte, als würde er eine Verwandte umarmen. Er wusste, dass dies nicht zwingend etwas bedeutete. In den letzten 15 Jahren hatte er wahrscheinlich viele Menschen umarmt und er hatte sich viel zu selten besonders viel dabei gedacht."
Leif Randt: "Let's Talk About Feelings"
Die Liebe wartet woanders. Leif Randts Geschichte in 14 Episoden changiert zwischen Gefühlsexhibitionismus und Gefühlskontrolle, So war das schon im Vorgänger "Allegro Pastell". Dazu viele Gedanken zu Mode, die der Erzähler zwischen Designermarken und Outlet Stores einfließen lässt, bis schließlich alles in einem Arthouse-Film mit Shopping-Exzess kulminiert. Aber keine Sorge, selbst wenn es zügellos und exzessiv wird, bleibt Randts Sprache cool, sein Stil völlig unaufgeregt.
Neues Tablet für die Trauerrede
"Ich glaube, es ist extrem widersprüchlich, wie wir als Gegenwarts-Mitteleuropäer und -europäer*innen mit unseren Gefühlen umgehen, natürlich auch individuell. Es ist, glaube ich, auf jeden Fall im Wandel, so wie vieles im Wandel ist, was zu weiten Teilen mit der technologischen Entwicklung zusammenhängt", sagt Randt. Die blitzt im Buch auch immer wieder auf, wenn Marian sich extra ein neues Tablet kauft, um darauf die Trauerrede für seine verstorbene Mutter abzulesen. Wenn er sich weigert, mit seinem Modegeschäft online zu gehen, wenn sein Vater zum TikTok-Star wird oder wenn von der Bundesregierung die Rede ist: Keine AfD, kein Extremismus, die fiktive Progress-Fortschrittspartei stellt die Kanzlerin.
"Die Sehnsucht danach, ein Buch zu schreiben, das gute Laune macht, die war so groß wie noch nie, glaub ich. Auch wenn ich das jetzt nicht auf die Fahne geschrieben habe, ist das so passiert", erzählt Randt, "und das ausgerechnet jetzt in diesen Jahren, in denen es extrem viel Anlass für Pessimismus gibt. Da wollte ich direkt entgegenwirken. So ist "Let's Talk About Feelings" weit weg vom aktuellen gesellschaftspolitischen Gefühlschaos und ganz bei sich selbst, beim individuellen-Gefühle-nachspüren.
Sehnsucht nach dem Apolitischen
"Im Apolitischen, fand Marian, lag eine besondere bindende Kraft, die ein friedfertiges Miteinander überhaupt erst möglich machte. Nur wer in der Lage war, nicht in politischen Kategorien zu denken, konnte sich offen unterhalten und andere wirklich kennenlernen", heißt es im Buch. Man kann das unpolitisch, eskapistisch und sogar verantwortungslos finden. Oder man lässt sich darauf ein und hat eine richtig gute Zeit beim Lesen, zugegeben mit durchaus gemischten Gefühlen.
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