Nicht länger Chef der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Bernhard Maaz in der Pinakothek der Moderne am 08.02.2024.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Felix Hörhager
Audiobeitrag

Nicht länger Chef der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Bernhard Maaz in der Pinakothek der Moderne am 08.02.2024.

Audiobeitrag
> Kultur >

Neue Vorwürfe gegen Pinakotheken-Chef Bernhard Maaz

Neue Vorwürfe gegen Pinakotheken-Chef Bernhard Maaz

Von "Fehlverhalten" sprach Kunstminister Markus Blume gestern, nun wurden konkretere Vorwürfe gegenüber der Leitung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen bekannt: darunter mutmaßliche sexuelle Belästigung Minderjähriger durch das Aufsichtspersonal.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Kulturleben am .

Gestern verkündete der bayerische Kunstminister Markus Blume (CSU) einen Wechsel an der Spitze der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (BStGS), die unter anderem die Münchner Pinakotheken umfassen: Der bisherige Generaldirektor Bernhard Maaz gibt sein Amt nach zehn Jahren auf und wird laut Blume künftig am Institut für Kunstgeschichte forschen. Der ehemalige Münchner Kulturreferent Anton Biebl, der gerade erst den Posten des Change-Managers für die bayerischen Museen übernahm, wird die Leitung der Staatsgemäldesammlungen interimsmäßig übernehmen. Maaz steht wegen seinem Umgang mit NS-Raubkunst in der Kritik, gestern wurden aber vor allem "Fehlverhalten" und "Organisationsversagen" als Gründe für den Wechsel an der Spitze der BStGS genannt.

Neue, massive Vorwürfe

Nun sind konkretere Vorwürfe publik geworden: Wie Stefan Koldehoff vom Deutschlandfunk berichtet, dokumentieren interne Unterlagen der Staatsgemäldesammlungen "mindestens 19 Vorwürfe", darunter mutmaßliche sexuelle Belästigung Minderjähriger durch Aufsichtspersonal, wie Koldehoff im Gespräch mit dem BR erzählt. Es gebe "Klagen von mindestens zwei Schülerinnen, die sich in einem Pilot-Projekt haben ausbilden lassen als ehrenamtliche Helferinnen." Diese seien durch Aufsichtspersonal belästigt worden, "nach Telefonnummern gefragt, im Aufzug wohl auch körperlich berührt, durch Räume verfolgt worden bis ins Museums-eigene Café."

Des weiteren gebe es Vorwürfe, Überwachungskameras in den Sammlungsräumen der Häuser seien zur Verhaltenskontrolle von Mitarbeitenden genutzt worden. Es seien Protokolle angelegt worden, darüber "wer wann im Dienst telefoniert, wer seinen Sakko nicht ordentlich anhat, wer vielleicht mit dem Fuß gegen die Wand lehnt," so Koldehoff.

Es seien in der Sicherheitszentrale auch weitere Datenschutz- und Sicherheitsvorschriften nicht eingehalten worden. Zudem gebe es auch Vorwürfe bezüglich der Sicherheit der Kunstwerke in mindestens einem Haus der BStGS – zum Teil solle das von Fremdfirmen gestellte Wachpersonal im Rahmen von Kontrollgängen auch Zugang zu Depoträumen gehabt haben, und originalgetreue Kopien deutscher Blanko-Reisepässe, die für ein Ausstellungsobjekt hergestellt worden waren, sollen aus einem Lagerraum gestohlen und an Mitarbeitende verteilt worden sein.

Interne Untersuchungen angekündigt

Um die Vorwürfe aufzuklären, hat das Ministerium gestern eine interne Untersuchung angekündigt. Eine frühere Staatsanwältin sei mit der Untersuchung der Vorwürfe beauftragt worden und solle laut Blume "in den nächsten Wochen dieser Vielzahl von Hinweisen nachgehen". Ob es sich auch um Vorwürfe handelt, die möglicherweise strafrechtlich relevant sind, könne der Minister nicht sagen: "Das wird auch Gegenstand der Untersuchungen sein, herauszufinden, welche Qualität es hat."

An manchen Stellen gehe es um Vermutungen, an anderen um Hinweise, wieder an anderen um "sehr starke Hinweise, die zum Teil auch von verschiedenen Seiten kommen und ein ganzes Konvolut von Bereichen betreffen". Daher werde möglicherweise auch die Frage zu klären sein, wie so etwas in einer solchen Organisation passieren konnte.

Allerdings, so Stefan Koldehoff, seien viele diese Vorwürfe lange bekannt gewesen. Markus Blume habe gestern zwar gesagt, ihm sei das alles erst seit kurzer Zeit bekannt, doch "die Unterlagen, die mir vorliegen," sagt Koldehoff, "sprechen da eine andere Sprache. Die gehen zurück bis ins Jahr 2022, 2023. Und wenn es der Minister tatsächlich nicht gewusst hat, dann muss er sich fragen, wo es denn bei ihm im Ministerium in der Abteilung K vielleicht hängen geblieben ist oder hängen bleiben sollte."

Skandal um NS-Raubkunst

Zu den Staatsgemäldesammlungen gehören die drei Pinakotheken in München, das Museum Brandhorst, die Sammlung Schack und zwölf Staatsgalerien. In den vergangenen Wochen hatte es zunächst schwere Vorwürfe gegenüber Bernhard Maaz und auch Markus Blume selbst gegeben, die den Umgang der Staatsgemäldesammlungen mit NS-Raubkunst betreffen. Der Verdacht steht im Raum, dass die Staatsgemäldesammlungen seit mehreren Jahren von rund 200 Raubkunst-Verdachtsfällen wussten, die Erben der einstigen jüdischen Kunstbesitzer darüber aber nicht informiert haben – obwohl das nach den auch von Deutschland unterschriebenen Washingtoner Prinzipien eigentlich angezeigt gewesen wäre.

Man habe "die letzten Wochen genutzt, um aufzuklären, um viele Gespräche zu führen, uns ein Bild von der Lage zu machen, richtig auch von falsch zu trennen", sagte Minister Blume zu den Raubkunst-Vorwürfen. Gesichert sei, dass der Kernvorwurf nicht gestimmt habe: "Unzutreffend war und ist, dass 200 Werke eindeutig als Raubkunst identifiziert waren und zurückgehalten würden." Vielmehr gebe es ausschließlich Verdachtsfälle. Allerdings galt der ursprüngliche Vorwurf auch nur solchen Verdachtsfällen – die eben nach den Washingtoner Prinzipien den Nachfahren der einstigen Besitzer genannt werden müssten.

Biebl will Vertrauen wieder herstellen

Anton Biebl, der neue Interimsleiter der BStGS, sprach von einer "tiefen Vertrauenskrise" bezüglich der Staatsgemäldesammlungen. Es gelte nun, "das Vertrauen nach innen und außen wiederherzustellen, die Arbeitsfähigkeit der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen zu gewährleisten und den Transformationsprozess hin zu einer Neuorganisation vorzubereiten".

Update: Das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst hat auf Anfrage des BR die Existenz der Vorwürfe bestätigt. Ob diese sich bewahrheiten, müsse die von Staatsminister Markus Blume angekündigte Untersuchung zeigen. Es brauche "eine kurzfristige und konsequente Sachverhaltsaufklärung zu den neben den Provenienzthemen in den letzten Wochen aufgekommenen Vorwürfen in den Staatsgemäldesammlungen," so Blume. Sein Ministerium habe die notwendigen Schritte eingeleitet und eine interne Untersuchung gestartet, die sich auch mit den genannten Vorwürfen befasse. "Dazu haben wir eine frühere Staatsanwältin als Untersuchungsführerin bestimmt. Zusätzlich wird es eine externe Untersuchung geben, die sich auf die erhobenen Vorwürfe im Bereich der Provenienzforschung konzentriert. Hier geht es zum Beispiel um einen Soll-/Ist-Abgleich mit den Standards des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste."

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

Verpassen war gestern, der BR Kultur-Newsletter ist heute: Einmal die Woche mit Kultur-Sendungen und -Podcasts, aktuellen Debatten und großen Kulturdokumentationen. Hier geht's zur Anmeldung!