Wie flieht ein Punk vor den Cops? In einem Auto mit offenem Schiebedach, damit der Iro-Haarschnitt Platz hat. So jedenfalls macht es Russ im Kinofilm "Caught Stealing". Denn er wurde beim Stehlen erwischt. Nieten hin, Springerstiefel her – der von Matt Smith ("House of the Dragon", "The Crown") gespielte Punk ist eigentlich ein Softie. Er hat eine Langhaarkatze und Sorge um seinen Papa, der einen Schlaganfall hatte. Deshalb muss er schnell in die alte Heimat und bittet seinen New Yorker Nachbarn Hank (Austin Butler, "Elvis") um einen Gefallen: ein paar Tage auf seinen Kater aufzupassen.
Aus der klitzekleinen guten Tat wird schnell ein großes Problem. Denn plötzlich stehen zwei Skinheads vor der Tür. Sie dreschen so lange auf Hank ein, bis seine Niere reißt. Er soll ihnen verraten, wo Punker Russ und die Diebesbeute sind. Nur: Der versoffene Sunnyboy hatte mit seinem Nachbarn und dessen Geschäften bisher so viele Berührungspunkte wie mit alkoholfreiem Bier. Keine.
"Caught Stealing": Bad Bunny und die Idles sind Teil des Films
"In was hast du mich da reingezogen?", ruft er bald verzweifelt. Die folgenden hundert Filmminuten rennt, brettert und klettert Hank durch das New York der 90er Jahre. Eben noch dachte er, Gentrifizierung sei die größte Gefahr im East Village, nun muss er sich mit Bullen und Gangstern herumschlagen, darunter Bad Bunny als Bad Guy. Der Musikstar aus Puerto Rico spielt in "Caught Stealing" einen Killer aus Puerto Rico.
Auch die britische Band Idles hat im Film einen Auftritt, zwar nicht in einer Gastrolle, aber als Soundtrack-Verantwortliche, samt eigens für den Film geschriebenen Songs wie "Rabbit Run". Um die Punkenergie der 90er Jahre einzufangen, habe er sich niemand Besseren wünschen können, so Regisseur Darren Aronofsky. Es sei traumhaft gewesen, mitzuerleben, wie die Idles mit ihrer Musik "ein Loch in die Leinwand reißen".
Wie ein schlechter Tarantino
Musik- und Schauspielgrößen, dazu Humor und Subkultur, zusammengetackert in einem Gangsterthriller – klingt nach Spaß. Ist es aber nicht. Denn Aronofsky, von dem auch die Filme "Black Swan", "The Wrestler" oder zuletzt "The Whale" sind, bleibt in diesem Projekt so oberflächlich wie belanglos. Das liegt vor allem an der vorhersehbaren Storyline und den Figuren: der Punk, der Skinhead, der Yuppie. Sie alle sind wandelnde Klischees. Und sie foltern, vermöbeln und schlitzen einander so lange auf, bis auch der letzte Zuschauer die Augen zusammenkneift oder das Kino verlässt.
Die Kombination aus Gewaltexzess und guter Musik in "Caught Stealing" mag kurz an Quentin Tarantino erinnern – sie kommt aber nicht an ihn heran. Mal abgesehen davon, dass auch ein Tarantino-Film wie "Reservoir Dogs" mit seinen schwulenfeindlichen Witzen schlecht gealtert ist, man kann ihm wenigstens zugutehalten, dass er aus dem Jahr 1992 ist. "Caught Stealing" dagegen spielt in den 90ern, ist aber heute gedreht. Trotzdem erinnern Sprüche und Frauenbild an damals. Zumindest in der deutschen Synchronfassung beschimpfen die Figuren einander mit Vorliebe als "Spasten". Und der von Zoë Kravitz gespielte weibliche Sidekick hat genau zwei Aufgaben: sich um den coolen Typen kümmern und verführerisch sein.
Frauen als sexy Krankenschwester
Ein Beispiel? Sie ist Notfallsanitäterin. Nach einem besonders krassen Arbeitstag rennt sie direkt zu ihm, noch in Uniform – unter der sie Reizwäsche trägt. Praktisch. Also für den Boyfriend. Im Krankenwagen und mit Defibrillator in der Hand hat die rote Spitze vielleicht doch gezwickt. Regisseur Aronofsky und Charlie Huston, der Romanvorlage und Drehbuch schrieb, waren wohl einfach zu verliebt ins Bild der sexy Krankenschwester, um zu merken, wie abgeschmackt es ist.
"Ich wollte einen Film machen, der so unterhaltsam ist, dass er die Menschen zurück ins Kino lockt", sagte Aronofsky kürzlich dem Guardian. "Das ist die Herausforderung unserer Tage: Wir befinden uns im Krieg mit der Meme-Kultur, TikTok und Instagram-Stories." Mit diesem Anspruch hat er sich verhoben. Uneingeschränkt unterhaltsam ist im Film nur die Langhaarkatze von Punkrocker Russ. Dann lieber Katzenvideos schauen – und dabei die Idles hören.
"Caught Stealing" (USA 2025, 109 Minuten) läuft ab sofort im Kino.
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