Am 13. Mai 2025 in Moskau
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Viel beschäftigt: Putin bei einer Tagung von "Business Russia"

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Ukraine-Gespräche? Russische Blogger sehen Putin in der Falle

Ukraine-Gespräche? Russische Blogger sehen Putin in der Falle

Russische Kommentatoren fürchten, dass der Kreml aus eigener Schuld in einer diplomatischen Sackgasse gelandet ist. Wenn Putin zu Verhandlungen nach Istanbul fliege, sei er nicht mehr Herr des Geschehens: "Er kann sich nicht auf Clownerie einlassen."

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

"Wird der König kneifen? Vermutlich", so ein russischer Leser über Putins aktuelle Lage, was eine mögliche Reise zu Waffenstillstandsverhandlungen nach Istanbul betrifft. Ein anderer meinte: "Ist dort zwar ein einziger Zirkus, aber immerhin etwas. Wir müssen irgendwie aus diesem Mist herauskommen." Ob Putin seinen Koffer packt oder sich lieber draufsetzt, ist derzeit hoch umstritten [externer Link].

"Die Amerikaner wollen Wladimir Putin buchstäblich nach Istanbul locken, damit er sich dort mit Selenskyj trifft und nutzen Trumps mögliche Teilnahme als Argument. Ehrlich, das alles ist sehr beunruhigend", so der kremltreue russische Militärblogger [externer Link] Alexei Schiwow (110.000 Fans). Er witterte einen "kompletten Betrug" in der Politik des Westens: "Ich glaube, es hat keinen Sinn, überhaupt zu erklären, wie ein solcher Waffenstillstand für uns enden würde."

"Putin verhält sich wie ein Mitläufer"

Nicht wenige Moskauer (und einige westliche) Kommentatoren argwöhnen [externer Link], Putin sei selbst verschuldet in eine diplomatische "Falle" geraten. Es wurde schon der Begriff "Istanbul-Effekt" geprägt [externer Link]: "Ein Ereignis, das vom russischen Präsidenten initiiert und von buchstäblich allen sehnlich erwartet wird, verliert plötzlich an Bedeutung und bringt ihn in eine absurde Lage." Putin wolle am Verhandlungstisch offenbar "gleichzeitig kämpfen und reden". Bei ihm liege womöglich eine "bipolare Störung zwischen Diplomatie und Militär" vor.

Die Propagandisten haben alle Hände voll zu tun, ihren Lesern zu vermitteln, warum Putin unter den gegebenen Umständen keinesfalls nach Istanbul fliegen kann, obwohl gerade er auf einer nächtlichen Pressekonferenz dortige Waffenstillstandsverhandlungen vorgeschlagen hatte. Es fällt ihnen nicht leicht, die Entwicklung als "diplomatischen Sieg" zu verkaufen.

Politologe Andrei Kalitin argumentiert [externer Link]: "In jener Nacht schien es vielen in Russland so, als hätte Putin seine Gegner in eine politische Falle gelockt und mit seinem unvermittelten Verhandlungsvorschlag die Initiative ergriffen. Doch nachdem Selenskyj und sogar Trump ihre Bereitschaft erklärt haben, nach Istanbul zu kommen, scheint der Kreml selbst in eine Falle getappt zu sein. Putin verliert die Initiative und verhält sich wie ein Mitläufer."

"Wäre Schlag für Putins Position"

Schon aus "psychologischen Gründen" sei es undenkbar, dass sich Putin persönlich mit Selenskyj treffe, schließlich habe der Kreml bis vor kurzem dessen Legitimität energisch bestritten, so Kalitin.

"Es wäre ein Schlag für Putins Position in Russland, auch bei seinen Wählern, da unsere Propaganda und unsere Politiker der Gesellschaft systematisch eintrichtern, dass Selenskyj nicht der rechtmäßige Präsident der Ukraine sei und es mit ihm nichts zu besprechen gäbe", stimmt Blogger Pawel Sudoplatow [externer Link] zu.

Nobelpreis für "Erforschung von Antimaterie"

In einem der tonangebenden russischen Polit-Blogs [externer Link] heißt es: "Neben allen anderen Gefährdungen würde Wladimir Putins Reise nach Istanbul bedeuten, dass er sich Trump unterwirft und bereit ist, ihm auf einen Pfiff hin hinterherzueilen. Eine Schande."

Kremlfans raunten, Putin müsse in der Türkei seine "Ermordung" befürchten, seine Sicherheit sei nicht gewährleistet. Blogger Alexander Baunow verglich Putin dagegen mit Stalin [externer Link], der nach dem Zweiten Weltkrieg "hin- und hergerissen" gewesen sei, "einerseits so viel Territorien wie möglich an sich zu reißen, andererseits zumindest einen Teil davon zu legalisieren".

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Der in London lehrende Politologe Wladimir Pastuchow scherzte [externer Link] , wenn es Trump schaffe, Selenskyj und Putin nach Istanbul zu lotsen, gebühre ihm tatsächlich der Nobelpreis, aber nicht der für Frieden, sondern der für Physik: "Für die Zusammenführung von Antimaterie."

"Selenskyj hat als Schauspieler Vorteile"

Die derzeitige Entwicklung ähnele dem postmodernen Theater, so Pastuchow: "Es gibt vereinbarte Handlungsstränge, entlang derer die Schauspieler improvisieren. Dabei gehen sie häufig über die ihnen zugewiesene Rolle hinaus und versuchen, die Entwicklung der Handlung als Ganzes zu beeinflussen, wobei sie ständig miteinander konkurrieren."

Der russische Politikwissenschaftler Alexei Schesnakow erinnerte in diesem Zusammenhang an den früheren Beruf des ukrainischen Präsidenten: "Selenskyj wird als Schauspieler in dieser Show Vorteile haben. Weil sie sich in einer vertrauten Umgebung abspielt. Für Putin ist es schwieriger. Er kann sich nicht auf Clownerie und Schauspielerei einlassen, zumal die Verhandlungen seine Idee waren."

"Frieden kann sich der Kreml nicht leisten"

Russische Finanzpolitiker verwiesen derweil vorbeugend darauf [externer Link], dass der Westen wenig Möglichkeiten für "vernichtende Sanktionen" habe, weil der Handel zwischen den USA und Russland ohnehin sehr gering sei. "Wir bereiten uns bereits darauf vor, was wir nach der Ankündigung weiterer Sanktionen tun werden, wie wir ihre Folgen minimieren werden", versuchte der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, seine Landsleute zu beruhigen.

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