Einzig Lennart Karl hatten sie vergessen beim FC Arsenal. Der 17-jährige Shootingstar drückte dem Fußball-Champions-League-Spiel des FC Bayern München in London kurzzeitig seinen Stempel auf, als er einen sehenswerten Angriff erfolgreich zum 1:1-Ausgleich abschloss. Dass Karl zu einem der gefährlichsten Angreifer Europas aufsteigen könnte, das haben sie beim Spitzenreiter der Premier League und der Champions League vielleicht noch nicht so sehr mitbekommen wie die deutschen Mitbewerber der Münchner.
Ansonsten aber schien es so, als hätte der Londoner Trainer Mikel Arteta seine Mannschaft in der Analyse wahrlich ideal auf den FC Bayern eingestellt. In überzeugender Manier siegte der Hauptstadtklub 3:1 (1:1) gegen die Münchner, die in der zweiten Hälfte schlichtweg überrollt wurden vom aktuell stärksten Team Europas, das taktisch genau wusste, wie es die Münchner knacken musste.
Nächstes Standard-Gegentor: Wieder Ärger nach einer Ecke
Die Londoner haben die wenigen Schwächen des FCB – ähnlich wie zuletzt in der Bundesliga Union Berlin – schonungslos aufgedeckt: mit gut geschlagenen Standards, eine Stärke des FC Arsenal. Und, so weit muss man das festhalten, bis jetzt ist das eine Misere der Münchner in dieser Saison. Fünf der acht Bundesliga-Gegentore fielen nach Standardsituationen, nun kam das 1:0 von Arsenals Jurrien Timber aus dem Fünfmeterraum hinzu.
"Das ist einfach nicht zu verteidigen. Sie machen Chaos – und Chaos kannst du nicht verteidigen", sagte FCB-Sportvorstand Max Eberl hinterher, erstaunlich ratlos wirkte er da in den Katakomben von London. "Sie verwirren, kommen im Block, bleiben lang, bleiben in der Mitte, kommen kurz. Du weißt, dass sie an einer dieser Stelle stehen. Aber du weißt halt nicht, wo."
Neuer und Eberl monieren erstes Gegentor
Auch wenn Eberl fand, dass der Torwart Manuel Neuer seiner Meinung nach von Timber davor "blockiert und behindert" wurde. "Er bringt mich aus der Balance", sagte Neuer selbst, "aber ich bin kein Torwart, der sich hinschmeißt. Vielleicht hätte das geholfen." Die Unparteiischen fanden die Situation regelkonform.
Zugute muss man den Münchnern halten, dass schon andere daran scheiterten, diese Bälle zu verteidigen. Trotzdem bleibt nach der Niederlage am Mittwochabend ein Eindruck: Immer wieder wurde es im Strafraum des FCB gefährlich, wenn die hohen Bälle der Londoner hineinsegelten. Und immer wieder konnten die Münchner diese Gefahr nicht verhindern. Es könnte die Achillesferse dieser Saison werden.
Arsenal bissiger und schlauer in Zweikämpfen
Vor allem, weil Arsenal so wie Union darauf aus war, sich schlauerweise auch viele Freistöße zu erarbeiten, diese dann oftmals bekam und ansonsten immer wieder Zweikampfduelle für sich entschied. "Wir waren physisch nicht auf der Höhe", fand Joshua Kimmich. "Arsenal macht jeden Ball scharf, spielen jeden Abstoß, Freistoß, Ecke in die Box. Da haben wir zu viel zugelassen." Der Münchner Innenverteidiger Dayot Upamecano musste daher schon eine frühe Verwarnung verdauen, später wurde er gelb-rot-gefährdet ausgewechselt.
Wie gegen Union haben die Münchner auch "die zweiten Bälle nicht gewonnen, da waren sie sehr griffig", beobachtete der FCB-Verteidiger Konrad Laimer. Die Londoner haben die Bayern so sehr gestresst, dass diesem die anfangs erlangte Spielkontrolle komplett abhandenkam: "Wir sind nicht mehr gut aus der Kabine gekommen und haben die ganz einfachen Sachen nicht mehr so gemacht, wie wir sie normal machen, und dann hat Arsenal das Spiel für sich entschieden", analysierte Kompany.
Im Video: FC Bayern nach Niederlage zurück in München
FC Arsenal - Bayern München
Neuer-Patzer besiegelt Niederlage: "Da komme ich einfach nicht mehr hin"
Dazu hatten die Oberbayern erneut ihre Probleme mit langen Bällen auf schnelle Fußballer. Besonders augenfällig wurde dies bei den letztlich entscheidenden Treffern in der zweiten Halbzeit, als sich beim 2:1 Noni Madueke im Sprint durchsetzte - und dann beim 3:1, als Gabriel Martinelli Manuel Neuer weit vor dessen Tor ausspielte und traf. "Das war nicht notwendig. Manuel trifft da eine falsche Entscheidung", analysierte der Ex-Münchner Michael Ballack. Schon wieder ein Neuer-Patzer auf englischem Boden, vor einem Jahr stand er schon bei Aston Villa viel zu weit vor seinem Tor. Anders als damals allerdings beim Stand von 1:2 und nicht beim 0:0.
"Wenn man hinten liegt, ist es so, dass man ein bisschen mehr Risiko gehen muss", verteidigte sich Neuer. "Ich wusste, dass es zu einer Eins-gegen-eins-Situation und Großchance werden würde. Sein (Martinellis) Touch war dann einfach entscheidend und der Pass davor war schon gut, da komme ich einfach nicht mehr hin." Mit hängendem Kopf trottete der FCB-Kapitän danach vom Platz. Trainer Kompany dagegen gab sich kurz darauf schon wieder angriffslustig: "Ich würde hoffen, dass wir wieder gegen sie spielen. Ich würde es sehr gerne noch einmal versuchen." Dann muss er seine Fußballer aber in etwa so vorbereiten wie Arteta die Londoner für den Mittwochabend.
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Michael Olise
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