Die Bundesliga und im Besonderen der FC Bayern haben in diesem Sommer schmerzhaft erfahren müssen, wie weit die englische Premier League ihnen finanziell inzwischen enteilt ist. Spieler wie Florian Wirtz oder Nick Woltemade verließen Deutschlands höchste Spielklasse und erlagen damit dem Lockruf der finanzstarken englischen Klubs.
Karl-Heinz Rummenigge beobachtet diese Entwicklung mit Sorge. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, der aktuell noch im Aufsichtsrat des Rekordmeisters sitzt, fordert deshalb in "Blickpunkt Sport" im BR Fernsehen eine Änderung im Transferwesen.
Rummenigge über Woltemade-Transfer: "Haben einen Idioten gefunden"
Bei Wirtz blitzten die Münchner mit einem 100-Millionen-Gebot ab, der Leverkusener ging für 125 Millionen nach Liverpool. Für Woltemade waren sie nicht bereit, mehr als 65 Millionen Euro zu bezahlen. Dass der VfB Stuttgart für einen Neu-Nationalspieler, der gerade mal eine gute Bundesliga-Saison inklusive beeindruckender U21-EM hinter sich hatte, einen so hohen Preis aufrief, wollten die Verantwortlichen in München nicht glauben.
Am Ende zahlte Newcastle fast 90 Millionen für die Dienste des Sturmtalents. "Ich kann ihnen in Stuttgart nur gratulieren, dass sie in Anführungszeichen einen Idioten gefunden haben, der so viel Geld bezahlt, weil das hätten wir ganz sicher nicht gemacht", kommentierte Rummenigge die Woltemade-Posse am Sonntagabend rückblickend.
Rummenigge: "Können nicht jedes Jahr immer höher, immer weiter"
Im BR Fernsehen forderte Rummenigge die FIFA und die UEFA auf, alle Klubs an einen Tisch zu bringen. "Wir müssen eine Lösung finden. Wir können nicht jedes Jahr immer höher, immer weiter, immer schneller. Die Gehälter und auch die Ablösesummen steigen in den letzten Jahren rasant an. In dem Stil kannst du nicht seriös weiter arbeiten", wird Rummenigge deutlich.
Als Grund sieht der langjährige Vorsitzende der europäischen Klubvereinigung (ECA) die finanziellen Möglichkeiten durch externe Geldgeber. "In England hast du mittlerweile Milliardäre oder zum Teil sind es Staaten, die Klubs besitzen, wie Saudi-Arabien oder Katar oder Paris Saint-Germain. Und dann musst du im Europacup gegen die spielen und mithalten. Und von dir wird dann noch verlangt, zwischendurch diesen Wettbewerb auch mal zu gewinnen", echauffiert sich Rummenigge.
Rummenigge fordert Änderungen beim Financial Fairplay
Um genau diesen Einfluss durch Investoren zu begrenzen, hatte die UEFA 2015 das Financial Fairplay eingeführt. Dieses soll sicherstellen, dass die Klubs nicht deutlich mehr ausgeben als sie einnehmen und sich damit finanziell übernehmen. Aktuell dürfen die Vereine 70 Prozent ihrer Einnahmen in Gehälter und Transfers reinvestieren. Für Rummenigge ist das noch zu viel: "Wir müssen runter auf 60, idealerweise sogar 55 Prozent. Weil alles über 55 bedeutet auch, dass du sonst Gelder verlierst. Der Fußball kann nicht die einzige Industrie weltweit sein, in der nur noch Geld verloren wird." Die Vereine müssten schon in der Lage sein, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen.
Rummenigge: "Nicht, dass einer direkt zum Europäischen Gerichtshof rennt"
Gleichzeitig nimmt der ehemalige Weltklasse-Profi und heutige Funktionär auch die Spielerseite in die Pflicht. "Die Spieler und die Berater müssen auch aufpassen, dass sie sich selbst nicht eine Falle bauen. Irgendwo muss das Geld herkommen und das kommt, indem man Wettbewerbe vergrößert oder neue Wettbewerbe schafft."
Rummenigge würde deshalb einen runden Tisch zwischen Vereins- und Spielerseite begrüßen. "Wir sollten uns an einen Tisch setzen und dann sollten wir seriös diskutieren, was man gemeinsam tun kann. Nicht, dass einer nach dem Treffen sofort zum Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg rennt und klagt." In der Vergangenheit hatten Spielerberater wie im Fall Lassana Diarra oder dem Bosman-Urteil vor dem EuGH Recht bekommen.
In München hoffen sie, dass diese Gespräche Erfolg haben und Reformen bringen. Sonst drohen dem FC Bayern künftig ähnliche Transfersommer wie der vergangene.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!