Alles zurück auf Anfang. Das Verfahren um den Tod der Studentin Hanna W. aus Aschau im Chiemgau wird ab Montag komplett neu aufgerollt. Der wegen Mordes verurteilte und seit Juni wieder frei gelassene Angeklagte Sebastian T. hatte Revision eingelegt – und der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil wegen Verfahrensfehlern aufgehoben.
26 Verhandlungstage sind angesetzt – bis Mitte Dezember. Es wird wieder die Anklage verlesen, es werden wieder Zeuginnen und Zeugen vernommen und Gutachten bewertet. Und es soll die Frage geklärt werden: Wurde Hanna ermordet oder starb sie durch einen tragischen Unfall?
Verurteilt in Indizienprozess
Angeklagt ist Sebastian T., ebenfalls aus Aschau. Er soll Hanna laut Staatsanwaltschaft auf dem Nachhauseweg vom Club "Eiskeller" von hinten angegriffen, ihr mit einem Stein auf den Kopf geschlagen, sie stranguliert und dann in den damals reißenden Bärbach geworfen haben. Die zum Todeszeitpunkt 23 Jahre alte Medizinstudentin ertrank. Ihr Körper wurde mitgerissen, viele Kilometer weit, hinein in die Prien. Dort wurde Hannas Leiche von einem Spaziergänger entdeckt.
Das Landgericht Traunstein hatte den inzwischen 23-jährigen Sebastian T. im März vergangenen Jahres in einem langwierigen Indizienprozess zu neun Jahren Jugendstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung und Mordes verurteilt.
Gutachten sollen Unfall beweisen
Die Verteidigerin des jungen Mannes, Regina Rick, sieht das ganz anders. Sie hat drei Gutachten vorgelegt, die beweisen sollen, dass die Studentin nicht getötet wurde, sondern bei einem Unfall ums Leben kam. Diesen neuen Gutachten zufolge könnte die stark alkoholisierte Hanna auf dem Heimweg nach dem Besuch des Eiskellers in den Bärbach gefallen sein und sich die Verletzungen im Fluss Prien an Hindernissen zugezogen haben. Unter anderem gibt es laut Rick eine Stauklappe, an der Hannas Körper aufgeprallt sein könnte. Dort gebe es mehrere Sechskantschraubenmuttern, die 24 Millimeter groß sind – genauso groß wie Wunden an Hannas Kopf.
Trotz Verurteilung wieder frei gelassen
Der Haftbefehl gegen Sebastian T. war im Juni aufgehoben worden, weil inzwischen Zweifel an der Aussage des Hauptbelastungszeugen bestehen. Das Landgericht Traunstein teilte mit, ein forensisch-psychologischer Experte sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Angaben des Zeugen aus dem vergangenen Verfahren nicht glaubwürdig seien. Ein dringender Tatverdacht von Sebastian T. sei deshalb derzeit nicht mehr anzunehmen. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, der Mann aus dem Gefängnis entlassen.
Angeklagter wird weiter schweigen
Ihr Mandant werde sich auch im erneuten Prozess nicht zur Sache äußern, erklärte Regina Rick: "Wir werden ihn nicht sprechen lassen." Sie verteidigt den inzwischen 23-Jährigen gemeinsam mit Yves Georg. Rick will den Angeklagten nach eigenen Worten einer Befragung durch die Staatsanwaltschaft nicht aussetzen. Ob er sich zu seinen persönlichen Verhältnissen äußern werde, war noch offen. "Das Ziel ist der Freispruch wegen erwiesener Unschuld", sagte Rick. Nicht nur aus Mangel an Beweisen.
Sebastian T. hatte sich, nachdem er im Juni überraschend aus der Haft entlassen worden war, im "Münchner Merkur" geäußert. "Unschuldig im Gefängnis ist jede Minute zu lang", wurde er zitiert. "Ich hoffe, es klärt sich alles auf. Für meine Familie und für die Familie von der Hanna."
Mit Informationen der dpa.
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