Emma Sagasser war bis zu ihrem 15. Lebensjahr aktive Fußballspielerin, dann musste sie verletzungsbedingt aufhören. Ihr 56-jähriger Vater Rainer hat in seiner Jugend auch gekickt, beide haben mit großer Leidenschaft gemeinsam Fußballspiele im Fernsehen geschaut. Oft waren Vater und Tochter unzufrieden mit den Entscheidungen der Unparteiischen, deshalb beschlossen sie vor fünf Jahren, die Ausbildung zum Schiedsrichter zu absolvieren.
Machen statt Meckern
Seitdem stehen sie hin und wieder als Familiengespann auf dem Platz. "So bleib ich einfach dabei beim Sport und ich finde es super charakterbildend", definiert Emma Saggasser ihre Rolle auf dem Platz. Ihr Vater Rainer ergänzt: "Sie trifft die Entscheidungen, dafür muss sie am Ende auch geradestehen, wir diskutieren darüber und wir geben unsere Einschätzung ab, draußen an der Linie."
Lage in Bayern: Schiedsrichter werden gesucht
Damit gehört das oberfränkische Schiedsrichterduo zu den insgesamt 10.254 aktiven Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern im Freistaat, das gibt der Bayerische Fußball-Verband (BFV) auf BR-Anfrage an. An den Höchststand im Jahr 2000 mit 13.379 Unparteiischen reicht die aktuelle Zahl aus 2023 zwar noch nicht heran. "Wir können wieder nahezu jede Klasse besetzen", erklärt Fabian Frühwirth, stellvertretender BFV-Geschäftsführer.
Die Anzahl der Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter hatte in den vergangenen Jahren rapide abgenommen. Bis 2022 standen nur noch 9.856 Schieds- und Linienrichter regelmäßig auf dem Platz. Als Konsequenz dieser Entwicklung wurde unter anderem eine Erhöhung der Aufwandsentschädigungen beschlossen. Frauen sind mit einem Anteil von rund 20 Prozent an bayerischen Fußballschiedsrichtern und Schiedsrichterinnen weiterhin unterrepräsentiert, insbesondere im Männerbereich.
VIDEO: Ein Schiri-Duo mit großen Zielen
Tochter Emma und Vater Rainer Sagasser sind ein Schiedsrichtergespann.
Vorbereitung auf das Spiel
Beim FC Coburg und der Spielvereinigung Bayreuth geht es heute um die Tabellenführung, jedenfalls in der U15-Mannschaft, die in der Bayernliga spielt. Die Jungs stehen schon um 09.00 Uhr morgens zum Warmmachen auf dem Platz.
Die Sagassers sind schon eine halbe Stunde früher in der Schiedsrichterkabine. Das Schiedsrichter-Trio wird durch den 16-jährigen Paul ergänzt. Gemeinsam prüfen sie, welcher der Jugendlichen möglicherweise foulgefährdet sein könnte, weil er in seiner Klasse als Torschützenkönig gilt. Außerdem werden die gelb- und gelb-rot-gefährdeten Teenager in Augenschein genommen. Ein letzter Check der Sprechfunkgeräte, die auch bei dieser Spielklasse schon eingesetzt werden, dann startet die Partie. Emma Sagasser ist die Chefin der Unparteiischen bei diesem Spiel, Paul und Rainer arbeiten ihr als Linienrichter zu.
BR24-Instagram-Video: Diese Familie pfeift zusammen auf dem Fußballplatz
Klare Ansagen sind wichtig
Während die erste Halbzeit spielerisch dahindümpelt, wird es in der zweiten Halbzeit sehr hitzig. Torwartfehler sorgen für zwei Tore bei den Bayreuthern, etliche Fouls heizen die Stimmung auf dem Platz weiter an. Emma muss einerseits den Überblick behalten, andererseits ihre Entscheidung mit Klarheit für die Spieler kommunizieren. Drei verteilte gelbe Karten wegen Moserns sorgen bei den Teenagern für Unmut. Dennoch reflektiert ein FC-Coburg-Spieler nach der gewonnenen Partie im BR-Interview: "Wir Jugendliche in der Pubertät lassen uns eh nichts sagen und als Frau ist es nochmal einen Ticken schwieriger als Mann gegen Jungs, aber das hat sie sehr, sehr gut gemacht."
Ziel: Pfeifen in der Bundesliga
Ob die Coburgerin Emma Sagasser so weit kommt wie die erste Deutsche Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb, die bis 2021 in der höchsten Männer-Liga gepfiffen hat, ist unklar. Ihre Ambitionen umsetzen will die Physiotherapeutin in einer Step-by-Step-Karriere. So sei es ihr Ziel, im kommenden Jahr in die Bezirksliga aufzusteigen, um dort bei den Männern zu pfeifen, erklärt die 20-Jährige, denn dann dürfe sie auch bei den Frauen in höheren Klassen pfeifen.
"Ultimativ will ich dann zu den Frauen in die Bundesliga kommen", so Emma Sagasser. "Ein Ziel, das stark von der sportlichen Qualifikation abhängt", ordnet BFV-Sprecher Fabian Frühwirth die Geschwindigkeit der Aufstiegschancen ein.
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