Streikszene in Deutschland
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Die Geduld vieler Menschen ist durch die Streiks der vergangenen Wochen strapaziert. Auch der Unmut der Streikenden ist groß.

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Arbeitskämpfe ohne Ende: Brauchen wir ein neues Streikrecht?

Arbeitskämpfe ohne Ende: Brauchen wir ein neues Streikrecht?

Immer wieder Streiks bei Lokführern, Ärzten und Flugbegleitern: Zeitweise liegt die kritische Infrastruktur lahm. Ein Ende ist noch nicht in Sicht. Wie steht es um die Streikkultur in Deutschland? Und was bewegt die Streikenden?

Über dieses Thema berichtet: mehr/wert am .

An vielen Orten wird gestreikt, verhandelt und wieder gestreikt. Die BR-Redaktion mehr/wert hat Menschen begleitet, die in den Arbeitskampf gehen und nach den Gründen für ihren Unmut gefragt. Was sagt ihr Handeln über die Streikkultur in Deutschland aus?

Öfter, länger, gleichzeitig: Wird Deutschland zur Streiknation?

Vergangene Woche am Münchner Flughafen: Flugbegleiter am Boden statt in der Luft. Einer von ihnen, Dominik Kaspar, hätte sich eigentlich von seinem Langstreckenflug Mumbai-München erholen können – aber seine aktuellen Arbeitsbedingungen treiben ihn auch an seinem freien Tag zum Streik. Sein Ziel: fairer Lohn für seine Arbeit.

"Wir operieren aus München und Frankfurt heraus und gerade München ist einfach ein superteurer Standort", sagt Kaspar. Man müsse sich das Leben einfach wieder leisten können. "Hier geht es gar nicht um irgendwelche Luxusdinge, sondern um essenzielle Sachen. Wir streiken immer sehr ungern, das ist das letzte Mittel."

Politologe: "Das sind neuralgische Felder"

Zehntausende Passagiere waren in München vom Streik betroffen. Die verschiedenen Streiks, vor allem auch bei der Bahn, strapazieren überall in Deutschland die Nerven der Reisenden. Das Verständnis bröckelt. Für viele fühlt es sich nach einer regelrechten Streikwelle an.

"Das sind neuralgische Felder, die die Bürgerinnen und Bürger zu spüren bekommen, nicht erst, wenn der Streik beginnt, sondern auch im Vorfeld, weil sie sich dann Gedanken machen, wie sie von A nach B kommen", erklärt Politikwissenschaftler Professor Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel.

DGB Bayern: Mehr junge Menschen engagiert

Trotz allem ist Dominik Kaspar überzeugt: Die aktuellen Streiks sind legitim. "Man merkt es ja durch die vielen Streiks aktuell, dass viele Leute jetzt endlich mal Stimme zeigen und das ist auch gut so. Grad auch jüngere Kollegen, die da vielleicht noch nicht so firm sind, da noch keine Erfahrung mit den Themen haben, werden dafür auch offener", so Kaspar.

Mehr junge Menschen, die aktiv und engagiert für ihre Forderungen eintreten – das spürt man auch bei der Jugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bayern, wie Bezirksjugendsekretärin Anna Gmeiner erklärt: "Ich glaube junge Menschen haben erkannt, dass sie laut werden müssen und ihre Interessen artikulieren müssen. Und wo geht das besser als in Gewerkschaften?"

Dem Gewerkschaftsbund treten derzeit immer mehr junge Leute bei. Dass momentan in Deutschland viel gestreikt wird, hat laut Gmeiner durchaus einen Einfluss darauf. "Innerhalb von Tarifrunden stellen wir schon auch am meisten fest, dass junge Menschen oder Menschen im Generellen sich Gewerkschaften anschließen, weil sie sehen: 'Hey, da geht was, wir haben konkrete Ziele, für die wir eintreten.'" Ob es dabei nun um bessere Bezahlung oder kürzere Arbeitszeiten gehe.

Streikbereitschaft, wo es bislang keine Streikkultur gab

In Arnstein im unterfränkischen Main-Spessart, mit knapp 8.300 Einwohnern, ist der Backautomatenhersteller Miwe der größte Arbeitgeber. Es ist ein Familienunternehmen in der dritten Generation, 180 Jahre währt die Firmengeschichte schon. Doch mit dem jüngsten Kapitel sind viele nicht zufrieden. Gürcan Erdinc ist deshalb im Betriebsrat als Vorsitzender aktiv. Sein Ziel: endlich einen eigenen Haustarifvertrag. Denn bislang zahlt Miwe nicht nach Tarif.

"Man hat hier seit 2002 Sozialabbau betrieben", sagt Erdinc. "Wir haben keine Tariflöhne. Diese willkürliche Entgeltpolitik, was hier betrieben wird, fällt uns jetzt auf die Füße, wir wollen eine gerechtere Bezahlung." Zudem habe die aktuelle Geschäftsführung Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld gestrichen und vor allem würden die Löhne weit hinter den durch die Gewerkschaft IG Metall verhandelten Tariferhöhungen liegen.

Betriebsratsvorsitzender: Streik als letzte Möglichkeit

"Wir sind alle Miweianer. Tut auch weh, dass wir so weit kommen konnten", findet der Betriebsratsvorsitzende. Offiziell Stellung bezieht Miwe gegenüber der BR-Redaktion mehr/wert nicht. Zuletzt sah Erdinc nur noch eine Möglichkeit: die Arbeitnehmer zum Streik zu mobilisieren. Der Unmut ist groß, wie Äußerungen von Miwe-Mitarbeitern zeigen: "Wir möchten mit unserem Einkommen auch ein Auskommen haben und das ist nicht so, alles wird teurer" und "auch wir wollen unsere Rente machen können und im Geldbeutel noch was haben, dass wir auch mal einen Kaffee oder ein Bier trinken können."

Viele sind schon seit über 30 Jahren bei Miwe. Aber erst jetzt ist es Gürkan Erdinc gelungen, seine Männer in den Streik zu führen. Zuletzt vergangene Woche konnte er viele Mitarbeiter mobilisieren – mit Unterstützung der Gewerkschaft IG Metall. Rückenwind, der die Streikenden bestärkt.

Es ist die Zeit der Arbeitnehmer

"Das ist eigentlich die Konstellation, also Inflation, Energiekosten, gewisse Unsicherheiten, die da sind", erläutert Politikwissenschaftler Professor Wolfgang Schroeder von der Uni Kassel. "Auf der anderen Seite aber eine starke Marktmacht der Arbeitnehmer aufgrund der vielen freien Stellen. Sodass für sie auch eine klare Orientierung da ist, dass wenn man sich hier engagiert, dass eine gewisse Selbstwirksamkeit erreicht werden kann."

Streiktage: So viel wird in anderen Ländern gestreikt

Wenn es nach dem Gewerkschafter Gürkan Erdinc geht, könnten es sogar noch mehr Streiks sein. Denn in Deutschland wird im europaweiten Vergleich eher wenig gestreikt: In Belgien wurde in den vergangenen Jahren etwa 102 Tage im Jahr aufgrund von Streiks nicht gearbeitet. In Frankreich waren es 84 Tage, in Spanien etwa 42 Tage, an denen die Arbeit wegen Streiks ausfiel. In Deutschland dagegen waren es nur etwa 18 Tage im Jahr.

Interview mit Prof. Wolfgang Schröder
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Sollte das Streikrecht eingeschränkt werden? Eine Einschätzung liefert Politikwissenschaftler Prof. Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel

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