BayWa-Banner vor Konzernzentrale in München
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Erkennbar derangiert in stürmischen Zeiten: Die BayWa

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BayWa-Bilanz: Warum es beim Agrarriesen kriselt

BayWa-Bilanz: Warum es beim Agrarriesen kriselt

Der Agrarkonzern BayWa meldet das erste Mal in seiner Unternehmensgeschichte einen Jahresverlust. Überschattet wird der Abschluss 2023 auch vom schlechten Aktienkurs und einer Schlammschlacht in der Top-Etage.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Die "Bayerische Warenvermittlung landwirtschaftlicher Genossenschaften AG", seit 1973 kurz BayWa, hat im 101. Jahr ihres Bestehens erstmals einen Verlust im Jahresabschluss ausgewiesen. Nach Zinsen und Steuern ergibt sich ein Konzernjahresfehlbetrag von 93,4 Millionen Euro, nach einem Überschuss von 239,5 Millionen Euro im Vorjahr.

Auch das operative Ergebnis vor Steuern und Zinsen (EBIT) blieb mit 304 Millionen Euro unter der vom Vorstand prognostizierten Spanne von 320 bis 370 Millionen Euro. Das Unternehmen, das eine Fremdkapitalquote von 86,3 Prozent ausweist, macht vor allem den "rasanten Zinsanstieg" und "eine unerwartet hohe Steuerquote" für den Verlust über alle Geschäftsbereiche verantwortlich.

BayWa prägend für den Standort Bayern

Der Fehlbetrag ist von allgemeinem Interesse, nicht nur weil das Traditionsunternehmen den Freistaat in seinem Firmennamen trägt. Denn die BayWa steht für Grundversorgung, Grundbedürfnisse und ihre genossenschaftliche Grundidee: Großeinkäufer im Agrarsektor zu sein und Preisvorteile an Landwirte, Bauherren, Heizölkunden oder Handwerker weiterzugeben.

Vom Mähdrescher über Saatgut bis zum Obst aus Neuseeland, vom Dämmstoff über die Motorsäge bis zum Diesel an der Tankstelle – die BayWa ist mit solchen Handelswaren vom regionalen Riesen zum internationalen Handelskonzern aufgestiegen. Rund 23.000 Mitarbeiter erwirtschafteten 2023 einen Jahresumsatz von knapp 24 Milliarden Euro. Nun muss das Unternehmen um den Vorstandsvorsitzenden Marcus Pöllinger die Kehrtwende schaffen.

Dividendenausfall überschattet Bilanz

Schlechte Nachrichten gab es bereits kurz zuvor. Mitte März verkündete der BayWa-Vorstand die Streichung der Dividende für 2023, um das Eigenkapital des Unternehmens zu erhöhen. Das sorgte bei der im SDax gelisteten BayWa-Aktie für weiteren Sinkflug, der Kurs hat sich seit 2022 halbiert.

Neben dem allgemeinen Anleger-Publikum trifft das auch die Großaktionäre, die traditionell für Stabilität sorgende österreichische Agrar-Invest und die bayerische Raiffeisen-Beteiligungsgesellschaft. Selbst das Spitzeninstitut der Genossenschaftlichen FinanzGruppe, die DZ-Bank, sah sich daraufhin veranlasst, den fairen Aktienwert für BayWa von 37 auf 27 Euro zu senken. Eine ausführliche Begründung dafür wollte die Bank auf BR24-Nachfrage nicht geben.

Führungsstreit schwelt weiter

Damit nicht genug, zu Jahresbeginn kam es bei der BayWa zu erheblicher Unruhe in den Top-Etagen des Unternehmens. Aufsichtsrats-Chef Professor Klaus Lutz sah sich wegen öffentlich gewordener Vorstandsinterna nach eigenen Angaben gezwungen, eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einzuberufen. Da hier mögliches Fehlverhalten auch des amtierenden BayWa-Vorstandes Marcus Pöllinger untersucht werden sollte, wurde der Vorgang in der Öffentlichkeit als Paukenschlag und Machtkampf gewertet. Weil der Aufsichtsrat seinem Vorsitzenden Lutz jedoch nicht folgte, trat dieser mit sofortiger Wirkung zurück.

Obwohl die Presseabteilung der BayWa in der FAZ vom 22. Januar den Vorgang als "abgeschlossen" bezeichnete, wurde dieser Konflikt in den Medien weiter ausgetragen. Die gut informierte Agrarzeitung (externer Link) kritisierte Lutz, der auch Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages (BIHK) ist, als "Sonnenkönig", von Führung nach "Gutsherrenart", "Selbstgefälligkeit" und "Eitelkeit" wurde geschrieben.

Mitte März berichtete die Wirtschaftswoche dann neben anderen Interna, die nur von gut informierter Quelle aus dem Unternehmen stammen können, über einen "pikanten" Börsendeal von Lutz. Dieser hatte neun Tage vor der von ihm selbst einberufenen Aufsichtsratssitzung BayWa-Hybridanleihen im Wert von 500.000 Euro verkauft. Rechtzeitig, denn nach der Sitzung und seinem Rücktritt sank der Kurs der BayWa-Aktie um rund elf Prozent.

Auf BR24-Anfrage ließ Lutz mitteilen, dass der Deal ordnungsgemäß bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) angezeigt wurde und in keinem Zusammenhang mit der späteren Sitzung stand. Gegenüber BR24 teilte die Bafin mit, dass in solchen Fällen der Informationsstand des Handelnden zum Zeitpunkt der Transaktion ausschlaggebend und Gegenstand der Prüfung ist.

Wo bei der BayWa die Alarmglocken läuten

Dabei hat die BayWa Klaus Lutz nach allgemeiner Einschätzung eine alles in allem erfolgreiche Restrukturierung zu verdanken. Lutz war nämlich von 2008 bis 2023 selber Vorstandsvorsitzender. In seine Amtszeit fiel, wie das Unternehmen selbst in einer Presseerklärung würdigt, "die Diversifizierung und Internationalisierung sowie der Einstieg in die Erneuerbaren Energien".

Lutz hatte erkannt, dass die ewige Nachfrage nach Nahrung, Wärme, Energie und Maschinen als Geschäftsmodell nicht mehr ausreicht. Darauf reagiert die BayWa bis heute mit Einsatz von Kapital und Ideen für Reorganisation, Zukäufe und neue Geschäftsfelder. Eine Entwicklung mit Licht und Schatten, die sich im Jahresabschluss 2023 widerspiegelt.

Zufrieden zeigt sich der Vorstand mit den Ergebnissen der Segmente Technik, Futtermittel und Regenerative Energien. Demgegenüber belasteten die Krise im Wohnungsbau, drastische Preisrückgänge bei Düngemitteln, der Preisverfall bei Solarmodulen und wirbelsturmbedingte massive Ernteausfälle der neuseeländischen Tochtergesellschaft das Ergebnis erheblich.

Finanzergebnis zeigt, wo die Probleme liegen

Während witterungsbedingte und konjunkturabhängige Probleme eher kurzfristig sind und sich wieder verbessern können, weist das Finanzergebnis auf strukturelle Probleme hin. So sank die Eigenkapitalquote weiter auf nur noch 13,7 Prozent. Der Vorstand peilt deshalb mittelfristig eine Quote von 20 Prozent an - für die BayWa langfristig betrachtet ein Mindestwert.

Nach den Zukäufen der vergangenen Jahre steht also Schuldenabbau und Profitabilität aller Geschäftsbereiche im Fokus. So wurden allein in Bayern fünf Standorte geschlossen. Die Solarhandelssparte Solar-Trade steht schon lange zum Verkauf. Klare Worte zum Zukunftskurs der BayWa von Vorstandschef Marcus Pöllinger: "Wir nutzen das Jahr 2024 zur Konsolidierung. Dafür schauen wir uns aktuell jede unserer über 500 Beteiligungen an und definieren Wachstumsfelder, Optimierungsfelder sowie Geschäftsfelder, von denen sich die BayWa trennen will. Zukünftig muss jede Einheit für sich profitabel sein."

Markt schaut auf Fortschritte bei Finanzstabilität und Integration

Um die Zukunft der BayWa AG kurz und prägnant einzuschätzen, lohnt der Blick auf den Kapitalmarkt. Für die BayWa-Aktie liegt der aktuelle Konsens der Analysten mehrheitlich bei "Halten". Die Äußerungen des Top-Managements klingen momentan jedoch eher nach "Durchhalten". Ob daraus wieder ein "Kaufen" wird, hängt davon ab, ob die BayWa im kommenden Geschäftsjahr eindeutige Signale für weniger "Gemischtwarenladen" und mehr Kapitalkraft senden kann.

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