Laut ifo-Präsident Clemens Fuest braucht das deutsche Rentensystem eine Reform. Dafür brauche es zwei Komponenten, sagte der Ökonom in der Münchner Runde im BR Fernsehen.
Erstens: Das Renteneintrittsalter müsse steigen. "Das weiß jeder, der bis drei zählen kann", so Fuest. Aktuell kann man in Deutschland ohne Abschläge frühestens mit 65 Jahren und elf Monaten in Rente gehen. Eine Erhöhung dieses Alters reiche jedoch nicht aus, weshalb es laut Fuest zweitens auch auf eine Begrenzung des Rentenwachstums ankomme: "Die werden in Zukunft nicht mehr steigen können wie die Löhne." Die Renten könnten auch weiterhin steigen, so der ifo-Präsident, aber nicht im selben Ausmaß wie bisher.
Erhöhung des Renteneintrittsalters allein laut Fuest "unfair"
Seine Begründung: "Wenn wir nur auf ein höheres Renteneintrittsalter setzen, dann verteilen wir um." Dies sei laut Fuest "unfair" gegenüber Menschen, die in körperlichen Berufen arbeiten und einen niedrigeren Bildungsgrad hätten. Der Grund: Sie hätten eine geringere Lebenserwartung als beispielsweise Akademiker. Hier würde man also die Rentenbezugszeit stärker verkürzen als bei denjenigen, die ohnehin eine durchschnittliche Lebenserwartung von 85 Jahren hätten.
Der Grund für die Rentenreform
Clemens Fuest, der auch im wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsrates der CDU sitzt, begründete seine Forderungen in der Münchner Runde so: Deutschland brauche im Angesicht der Konjunkturkrise eine Vergrößerung des Arbeitsvolumens. "Hier ist eine Regierung angetreten, die will mehr Schulden machen, die will damit Infrastruktur bauen und die will mehr in Rüstung investieren", sagte der Ökonom. Schulden allein würden jedoch noch keine Brücken bauen, weshalb sich das Arbeitszeitvolumen der Bevölkerung vergrößern müsse.
Rente: Das steht im Koalitionsvertrag
Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung haben sich Fuests Forderungen in Sachen Rente nicht durchgeschlagen. Aktuell soll es bei einem abschlagsfreien Eintritt nach 45 Jahren Arbeit bleiben. Zudem sieht der Koalitionsvertrag vor, eine "Aktivrente" einzuführen. Wer nach dem Eintritt in die Rente weiterarbeiten will, kann das so bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei tun.
Im Video: Die Münchner Runde - Mehr Arbeit, weniger Feiertage?
Münchner Runde
IG-Metall-Vorsitzende kontert Fuests Rentenvorstoß
In der Münchner Runde stießen Fuests Forderungen in Sachen Rente auf Kritik. Die Vorsitzende der Gewerkschaft IG Metall, Christiane Benner, merkte an, dass 25 Prozent der Beschäftigten schon jetzt vor dem Renteneintrittsalter aufhören müssten. "Weil sie es körperlich, psychisch nicht mehr können, gehen die aus dem Erwerbsleben raus", so Benner.
In Bezug auf die Arbeitszeit bezog sich Benner auch auf die hohe Teilzeit-Quote – ein Hauptgrund, warum Deutschland laut einer Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft in Sachen Arbeitsstunden auf den drittletzten Platz aller OECD-Länder kommt. "Wie können wir erreichen, dass Menschen, die mehr arbeiten wollen, das auch können?", fragte Benner. Es brauche Innovationen in Sachen Produktivität, eine fairere Steuerpolitik für Menschen mit mittleren Einkommen und Investitionen in Kinderbetreuung und Pflege.
Sollten auch Politiker und Selbstständige in die Rentenkasse einzahlen?
Ines Schwerdtner, die Parteivorsitzende der Linken, merkte an, dass es in Sachen Rente auch "andere Stellschrauben" gebe. Es brauche insgesamt ein gerechteres Rentensystem, damit, so Schwerdtner, "niemand am Ende nach 40 Jahren Arbeit in Altersarmut fallen muss." Außerdem bezog sich Schwerdtner auf den Vorstoß von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) und bekräftigte, dass auch Selbstständige und Politiker in die Rentenkasse einzahlen könnten.
Sowohl Ökonom Fuest als auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) widersprachen in der Münchner Runde. Fuest merkte an, dass jeder, der einzahle, auch Ansprüche anmelden könne, weshalb Schwerdtners Rechnung nicht aufgehe. Hubert Aiwanger kritisierte darüber hinaus, dass Selbstständige die Rente aktuell ohnehin schon mit ihren Steuerabgaben mitfinanzieren würden.
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