Corinna will anonym bleiben. Denn was ihr passiert ist, ist ihr unangenehm. Obwohl die Frau aus Bayern eine erfahrene Anlegerin ist, ist sie auf gefälschte Aktienempfehlungen auf Facebook hereingefallen: "Das war alles täuschend echt", sagt sie bei Kontrovers – die Story. Corinna verlor 24.000 Euro, andere noch mehr: über Hunderttausende Euro. Das Ersparte fürs Alter und die Kinder.
Empfehlungen von Dirk Müller?
Auf Social Media sieht Corinna immer wieder Anzeigen und Videoclips mit Börsenexperte Dirk Müller, vielen als "Mr. Dax" bekannt. Börsenanalysen. Anlagetipps. "Er war das Zugpferd", weiß Corinna heute. Denn sie kannte Müller persönlich von der Frankfurter Börse.
Ein anderer Anleger schreibt der Kontrovers-Story: "Ich habe blind dem Börsenexperten Dirk Müller vertraut." Er hat 180.000 Euro verloren.
Doch Dirk Müller hat mit diesen Anzeigen nichts zu tun. Er ist selbst Opfer: "Das ist alles Betrug". Organisierte Kriminelle missbrauchen seinen Namen und den Dutzender anderer Finanzexperten gezielt, um Anleger zu betrügen.
Der ganze Beitrag von Kontrovers – Die Story im Video
Die Masche der Betrüger
Anleger, die auf Facebook auf den angegebenen Link drücken, werden anschließend in WhatsApp-Gruppen wie den "Bayerischen Börsen-Thinktank" weitergeleitet. Dort erhalten sie vermeintlich exklusive Börsenanalysen und konkrete Aktienempfehlungen. Eine angebliche Assistentin von Dirk Müller gibt Kaufsignale für Aktien zu günstigen Preisen.
Dann stürzt der Kurs ins Bodenlose
Der echte Dirk Müller erklärt der Kontrovers-Story die Methode: Die Betrüger kaufen zunächst selbst in wenig gehandelte Aktien ein. Durch die Empfehlungen an die Anleger treiben sie den Kurs nach oben, wetten gleichzeitig auf fallende Kurse und lassen die Opfer zum Höchstpreis einsteigen. Sobald der Kurs abgestürzt ist, überzeugen sie die Anleger unter einem Vorwand, die Aktien wieder abzustoßen. "Die Betrüger verdienen doppelt", sagt Müller.
Opfer aus allen Schichten
Die Münchner Rechtsanwältin Tanja Nauschütz ist auf solche Fälle spezialisiert. "Es kann wirklich jeden treffen, weil der Betrug so perfekt inszeniert ist", erklärt sie. Selbst vorsichtige Mandanten, Geschäftsführer, Unternehmensberater, Richter und Anwälte, die sich mit Finanzmärkten auskennen, würden betrogen.
Die Täter bauen systematisch Vertrauen auf. "Diese Rundumbetreuung – es wird einem das Gefühl vermittelt: Hier bist du willkommen", berichtet ein Opfer. Nachrichten wie "Ich werde dir noch mehr Gewinnchancen organisieren", treiben die Anleger dazu, immer höhere Summen zu investieren.
Ein Anleger steigt mit 129.000 Euro ein, nachdem ihm versprochen wird, dass "institutionelle Anleger dabei" seien und man "zwischen 30 und 40 Prozent holen" werde. Dann der Schock: Am 5. Juni, gerade mal 20 Sekunden nach Börsenöffnung, fällt der Kurs schlagartig. Über 100.000 Euro des Anlegers sind weg – er ist finanziell ruiniert.
Meta löscht kaum betrügerische Anzeigen
Dirk Müller hat eine Firma beauftragt, die mit KI das Internet durchforstet und Fake-Profile löschen lässt. Seit April wurden über 16.000 Fakes gelöscht. "Jeden Tag kommen Hunderte dazu", sagt Müller.
Die Berliner Firma von Tomasz Niemiec hat schon rund 200.000 betrügerischer Seiten für neun Kunden gelöscht – händisch. Denn automatisierte Löschungen seien von Meta verboten. "Meta ist, so wie es mir persönlich rüberkommt, völlig egal, was dort passiert", kritisiert Niemiec. Den Eindruck hat auch Wirtschaftswissenschaftler Hans-Werner Sinn, dessen Identität ebenfalls missbraucht wird. Er kontaktierte Meta, europäische Behörden und die Polizei. Meta habe auf Einschreiben gar nicht reagiert. "Alles verläuft im Sande", sagt er.
Reuters-Recherchen legen sogar nahe, dass Meta mit solchen Anzeigen im vergangenen Jahr rund 16 Milliarden US-Dollar Umsatz gemacht haben soll. Kontrovers gegenüber verweist der Konzern lediglich auf eine Seite auf der WhatsApp-Homepage des Unternehmens, auf der erklärt wird, wie der Kunde sich selbst vor Betrug schützen kann.
Ermittlungen gegen internationale Strukturen
Eine Sonderermittlungsgruppe des baden-württembergischen Landeskriminalamts ermittelt. Die Hintermänner werden auf dem Balkan und in Ostasien vermutet.
Solange weder die Ermittlungen die organisierten Strukturen zerschlagen noch Konzerne wie Meta gegen betrügerische Konten und Gruppen vorgehen, sind die Opfer auf sich gestellt.
Auf ihren Verlusten bleiben betrogene Opfer wie Corinna in der Regel sitzen. Sie hat ihre finanziellen Verluste noch immer nicht verwunden.
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