Ein Mann im Anzug sitzt gestresst vor dem Computer und reibt sich die Augen.
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Weniger Überstunden - Mehrzahl aber unbezahlt

Weniger Überstunden - Mehrzahl aber unbezahlt

Zuerst die gute Nachricht für Arbeitnehmer: Die Zahl der Überstunden hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Die schlechte: Für sehr viele Beschäftigte sind sie nach wie vor üblich – und werden oft nicht bezahlt.

Über dieses Thema berichtet: BAYERN 1 am Vormittag am .

Deutschland fehlen Arbeitskräfte. Um den Mangel zu kompensieren, fordert die Wirtschaft unter anderem längere Arbeitszeiten. Davon halten Arbeitnehmervertreter aber wenig. Sie kritisieren schon jetzt das hohe Niveau an Überstunden.

Mehr Beschäftigte und weniger Überstunden

Die Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigen eine eindeutige Entwicklung. Die Zahl der Beschäftigten ist von 2015 bis 2024 von 38,72 Millionen auf 42,3 Millionen gestiegen. Enthalten sind hier sowohl die Vollzeit- als auch die Teilzeitstellen. Die Teilzeitquote erhöhte sich in diesem Zeitraum leicht von 38 auf 39,5 Prozent.

Währenddessen machen die beschäftigen Arbeitnehmer insgesamt weniger Überstunden. Hier ging es bei den bezahlten Überstunden von 858 Millionen auf rund 552 Millionen hinunter, das sind immerhin 306 Millionen weniger. Ähnlich die Entwicklung bei den unbezahlten Überstunden. Hier sank die Zahl von 993,5 Millionen auf 637,6 Millionen.

Die Zahlen zeigen aber auch, dass nach wie vor mehr als die Hälfte der Überstunden nicht bezahlt wird.

Freizeitausgleich wird immer wichtiger

Allerdings lässt sich der Trend zu insgesamt weniger Überstunden nicht einfach mit einer Zunahme bei den Beschäftigten erklären. Beim IAB weist man auf die zunehmende Bedeutung der Arbeitszeitkonten hin. Die sogenannten transitorischen Überstunden werden in der Überstundenstatistik aber nicht berücksichtigt, da diese später durch Freizeit wieder ausgeglichen werden. Insofern verändert sich damit nicht die Dauer der Arbeitszeit.

Der langfristige Trend zu weniger bezahlten und unbezahlten Überstunden stehe im Zusammenhang mit der steigenden Bedeutung von transitorischen Überstunden, meint denn auch die IAB Arbeitsmarktforscherin Susanne Wanger auf BR24 Anfrage. Mit Arbeitszeitkonten ergeben sich ihrer Beobachtung nach für die Betriebe auch Kostenvorteile, da bezahlte Überstunden verringert oder vermieden werden können.

DGB kritisiert aktuelle Entwicklung bei Überstunden

Der Deutsche Gewerkschaftsbund weist in seinem DGB-Index "Gute Arbeit" daraufhin, dass immer noch 44 Prozent der Beschäftigten keine transitorischen Überstunden machen, sondern bezahlte und unbezahlte. Wobei die unbezahlten mehr als die Hälfte hier ausmachen. Unternehmen würden so ihre Kosten senken – zu Lasten der Beschäftigten, beklagt der Gewerkschaftsbund. Überstunden verschärften zudem gesundheitliche Risiken. Dies gilt besonders für Arbeitszeiten von mehr als 48 Stunden pro Woche. Davon betroffen sind laut dem Index mehr als zehn Prozent der Beschäftigten. Darüber hinaus steige bei überlangen Arbeitszeiten das Risiko von Fehlern und arbeitsbedingten Unfällen.

Die Wochenarbeitszeit ohne Überstunden lag 2024 übrigens bei 38,2 Stunden und das hat sich seit 2015 nicht groß verändert.

Überstunden vermeiden: Gute Organisation ist alles

Die Gründe für Überstunden sind vielfältig. So zeigen die Daten, dass Beschäftigte im Homeoffice tendenziell mehr Überstunden machen. Zudem hängt es auch von der Qualifikation ab. Während in Hilfs- und angelernten Tätigkeiten 66 Prozent der Befragten keine Überstunden machen, sinkt dieser Anteil auf 42 Prozent in hochkomplexen Tätigkeiten.

Unabhängig von der Ausbildung ist die Arbeitsorganisation entscheidend. Steige die Anzahl der Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit, nehme auch der Umfang der geleisteten Überstunden zu. Das Gleiche gelte für widersprüchliche Anforderungen bei der Arbeit. Und je mehr sich die Arbeit verdichtet, desto seltener ist das natürlich in der regulären Arbeitszeit zu schaffen.

Was tun gegen Übermaß an Überstunden?

Der DGB Bayern fordert eine bessere, arbeitnehmerorientierte Arbeitszeitpolitik. Dazu gehöre auch die Erfassung von Arbeitszeiten und die Vergütung von geleisteten Überstunden. Die Arbeitnehmervertreter weisen darauf hin, dass die im vergangenen Jahr geleisteten 1,2 Milliarden Überstunden mehr als 750.000 Vollzeitstellen entsprechen. Das Hamsterrad durch steuerfreie Überstunden noch schneller drehen zu lassen, sei der falsche Weg, heißt es.

Damit wird eine Idee aus dem Sondierungspapier von CDU/CSU und SPD zurückgewiesen. Damit sich Mehrarbeit auszahle, sollten Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt werden, so der Vorschlag der Politiker.

Beim Institut der Deutschen Wirtschaft unterstreicht man derweil die prinzipielle Bedeutung von Überstunden. Unternehmen müssten auf bestimmte Situationen flexibel reagieren können, erklärte der IW-Arbeitsmarktforscher Holger Schäfer. Die Gesamtzahl an Überstunden in Vollzeitstellen umzurechnen, funktioniere nicht, weil der Bedarf eben nicht überall gleich anfalle.

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