Ein Lieferandofahrer wartet an einer roten Ampel.
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Bundesarbeitsministerin Bas will ein Verbot von Subunternehmen. Oft arbeiten Lieferantinnen und Lieferanten unter prekären Bedingungen.
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Bundesarbeitsministerin Bas will ein Verbot von Subunternehmen. Oft arbeiten Lieferantinnen und Lieferanten unter prekären Bedingungen.

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Essenslieferdienste ohne Subunternehmer – wie wäre das möglich?

Essenslieferdienste ohne Subunternehmer – wie wäre das möglich?

Bundesarbeitsministerin Bas will ein Verbot von Subunternehmen bei Lieferando, Wolt und Co. prüfen. Oft arbeiten Lieferantinnen und Lieferanten unter prekären Bedingungen. Wie ein solches Verbot umgesetzt werden könnte und warum Bayern skeptisch ist.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Informationen am Nachmittag am .

Ausbleibende Löhne, undurchsichtige Firmen-Netzwerke und körperliche Gewalt. Die Missstände bei Subunternehmen in der Essenslieferbranche sind teils gravierend, wie eine rbb-Recherche (externer Link) zeigt. Nun wagt Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) einen Vorstoß, unterstützt von den meisten Arbeits- und Sozialministerien der Länder.

Bas will Subunternehmerverbot bei Lieferando, Wolt und Co. prüfen

Bas möchte effektiver gegen die arbeitsrechtlichen Verstöße bei Subunternehmern in der Essenslieferbranche vorgehen. Ein mögliches Verbot sei die einzige Chance, mehr Transparenz hereinzubringen und für die Beschäftigten selbst eine Sicherheit zu bieten, sagt sie gegenüber dem rbb. Dieses Verfahren nennt sich "Direktanstellungsgebot".

Das Bundesarbeitsministerium weist darauf hin, dass die Hürden hier aus verfassungs- und europarechtlicher Sicht sehr hoch seien, da der Einsatz von Leiharbeit oder Subunternehmern grundsätzlich legitim sei. Ein Verbot könne nur das letzte Mittel sein, wenn umfassende und belastbare Erkenntnisse über Missstände vorlägen.

Recherchen zeigen: Ausbleibende Lohnzahlungen und Gewalt

Der rbb hatte zur Situation von Lieferfahrerinnen und -fahrern recherchiert und war auf Fälle gestoßen, wie den von Dheeraj Tyagi: Löhne von teilweise sieben Euro pro Stunde, willkürliche Lohnabzüge und gebrochene Arbeitsverträge.

Tyagi, ein ehemaliger Uber Eats-Fahrer, organisierte über eine WhatsApp-Gruppe mit 700 anderen, meist indisch-stämmigen Kolleginnen und Kollegen im Januar einen Streik in Berlin. Zwei Tage lieferten sie kein Essen aus. Ein Subunternehmer droht, er werde den Streikanführern "zeigen, was Mafia ist". Ein Kollege wird tatsächlich von einem Schlägertrupp krankenhausreif geprügelt, Tyagi fristlos entlassen.

Lieferfahrerin Shiwani Sharma arbeitete drei Monate für einen Wolt-Subunternehmer ohne Bezahlung. Wolt erklärt gegenüber dem Sender, man habe die Zusammenarbeit mit dem Subunternehmer nach festgestellten Verstößen beendet.

Der BR wollte vom Deutschen Gewerkschaftsbundes (DBG) in Bayern wissen, wie er die Lage im Freistaat einschätzt. Der Vorsitzende Bernhard Stiedl antwortet: "Wir [beobachten] seit Längerem, dass in vielen Bereichen […] arbeitsrechtliche Standards unterlaufen werden." Er führt Entgrenzung, schlechte Planbarkeit und steigenden Druck durch ständige Überwachung an.

Bei Uber Eats ausschließlich Subunternehmer im Einsatz

Die Lieferplattform Uber Eats setzt seit ihrem Markteintritt in Deutschland ausschließlich auf Subunternehmer. Die Mitbewerber Wolt und Lieferando teilweise noch auf eigene Fahrer, bauen aber das Geschäft mit Subunternehmen aus. Bei dieser Marktform spricht man von Plattformökonomie oder -Arbeit: Die Anbieter treten als Vermittler auf, über ihre Smartphone-Apps können Käufer und Restaurants miteinander kommunizieren.

Laut DGB arbeiten im Freistaat rund 300.000 Menschen über Plattformen, 75.000 davon hauptberuflich. Das Bayerische Landesamt für Statistik antwortet auf BR-Anfrage, dass es über keine trennscharfen Zahlen zu Subunternehmen bei "Verpflegungsdienstleistungen" verfüge.

Fleischindustrie während Corona könnte als Vorbild dienen

Während der Corona-Pandemie hatte die damalige Ampel-Regierung bereits einmal ein "Direktanstellungsgebot" beschlossen. 2020 war beim Fleisch-Großunternehmen Tönnies in NRW Corona ausgebrochen. Beengte Massenunterkünfte und Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern, vorwiegend aus Rumänien und Bulgarien, kamen so ans Licht.

Mit dem sogenannten "Arbeitskontrollschutzgesetz" wurden in der Fleischindustrie in Firmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden sukzessive Werkverträge und Leiharbeit verboten.

Rückenwind von Arbeits- und Sozialministerkonferenz – Bayerns Ministerin Scharf aber skeptisch

Bereits in der letzten Woche hatte die Arbeits- und Sozialministerkonferenz mehrheitlich für ein "Direktanstellungsgebot" bei Essenslieferdiensten gestimmt. Mehrere Länder hatten den Antrag "Faire Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit schaffen" eingebracht. Der niedersächsische Arbeitsminister Philippi fordert etwa, die im Umgang mit der Fleischindustrie gewonnenen Erfahrungen auf die Plattformökonomie zu übertragen, weil es zu einer spürbaren Verbesserung geführt habe.

Bayern hat aktuell den Vorsitz der Konferenz inne, sich aber bei der Abstimmung zum Antrag enthalten. Das bestätige Arbeits- und Sozialministerin Ulrike Scharf am Nachmittag in einem Interview mit dem BR. Die Staatsregierung sehe das "Direktanstellungsgebot" kritisch, weil es zu sehr in die verfassungsrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit eingreife.

"Für mich ist die Perspektive wichtig, dass der Bund jetzt in der Überarbeitung des Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetzes die plattformbasierten Lieferdienste mit aufnehmen möchte und ich glaube: Der Ansatz ist der richtige. Wir müssen jetzt warten, was dieses Gesetz bringt", so Scharf weiter.

Caner Demir, Sekretär für die Region München bei der zuständigen Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) betont: "Was über Apps gesteuert wird, braucht genauso klare Regeln wie jede andere Form von Arbeit – sonst zahlen am Ende die Beschäftigten die Zeche".

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