Schon seit einigen Jahren gibt es in Deutschland fast nur noch geburtenschwache Jahrgänge - genau genommen schon seit Ende der 60er Jahre, seit dem Ende des Baby-Booms. Doch so wenige Kinder wie heute gab es selten zuvor.
Fehlende Berufsanfänger verstärken den allgemeinen Fachkräftemangel
In den nächsten 12 Jahren gehen in Deutschland mit der sogenannten Boomer-Generation rund ein Drittel aller Erwerbstätigen in Rente. Gleichzeitig fehlen etwa vier Millionen Menschen, die neu ins Berufsleben starten, so viel ist bereits jetzt schon bekannt. In Zukunft könnte sich dieses Missverhältnis weiter verstärken, weil die Geburtenrate seit Corona drastisch zurückgegangen ist, unter anderem, weil jüngere Menschen vor allem in Ostdeutschland immer weniger Kinder bekommen.
Überraschend starker Geburtenrückgang in den letzten beiden Jahren
2021 bekamen Frauen in Deutschland durchschnittlich noch fast 1,6 Kinder, derzeit sind es etwa 1,3 im Jahr. 2022 und 2023 sank die Geburtenrate laut Statistischem Bundesamt um acht und um sieben Prozent. So wurden allein in den vergangenen beiden Jahren laut Ifo-Institut 80.000 Kinder weniger geboren als zuvor erwartet. Der Rückgang hat sich im ersten Halbjahr 2024 allerdings etwas verlangsamt, und zwar um weitere minus drei Prozent von Januar bis Juli.
Ob es sich dabei um vorübergehende oder dauerhafte Veränderungen der Familienplanung handelt, lasse sich anhand der bislang vorliegenden Daten nicht sagen, so Joachim Ragnitz von der Ifo Niederlassung Dresden: "Die Politik wäre aber gut beraten, diese Entwicklungen genauer zu beobachten, auch um mögliche Fehlentscheidungen beim Ausbau von Kita-Betreuung und Schulversorgung zu vermeiden."
Entwicklung in Ostdeutschland besonders besorgniserregend
Vor allem in Ostdeutschland gibt es weniger jüngere Frauen im Alter zwischen 27 und 36 Jahren. Die Altersklasse, die die meisten Kinder bekommt. Neben harten Faktoren wie fehlender Kita-Plätze nennt das Ifo-Institut eine Reihe von Unsicherheiten. Dazu zählen etwa die hohe Inflation und der Ukraine-Krieg. Das könnte viele junge Paare davon abhalten, jetzt Kinder zu bekommen.
Erfahrungsgemäß wirkten sich solche Faktoren mit einer Verzögerung von circa 14 Monaten aus. Gemeint ist, dass politische oder ökonomische Ereignisse die Stabilität gefährden und deshalb die Geburtenrate zurückgeht, ohne dass später ein Aufholeffekt sichtbar wird.
Geburtenraten in Bayern etwas über dem Bundesdurchschnitt
In Bayern beschäftigt sich das Staatsinstitut für Familienforschung an der Universität Bamberg mit dem Thema. Auch im Freistaat war 1970 die Zahl der Geburten (pro Frau im Alter zwischen 15 und 49 Jahren) erstmals unter 2,1 gesunken. Dieser Wert gilt als "Bestanderhaltungsniveau", bei dem die Bevölkerung zahlenmäßig gleichbleibt. 2006 wurde dann auch in Bayern der bisherige Tiefpunkt erreicht mit einem Wert von 1,32 Geburten pro Frau. Im laufenden Jahr 2024 könnte es nun noch weniger sein.
- Lesen Sie hier mehr: Weniger Geburten, mehr Todesfälle: Bayern wächst trotzdem
Jedes vierte Kind von einer Mutter mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit
Nach 2012 kam es auch im Freistaat bis 2021 zu einer Erholung der Geburtenziffer bis auf 1,62 - was 134.000 Kindern entsprach. 2022 begann auch in Bayern der jüngste Abwärtstrend (mit einer Rate von 1,49 und 125.000 Geburten). Stark gestiegen ist dabei der Anteil von Müttern ohne deutsche Staatsangehörigkeit, der mit 26,1 Prozent fast 33.000 Geburten erreichte. Zum Vergleich: 1960 hatten nur 0,6 Prozent aller neu geborenen Kinder eine Mutter mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit.
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