Katharina Hörner ist Leiterin einer Frauenarztpraxis, die neben der Zentrale in Ingolstadt drei weitere Standorte betreibt. Insgesamt 36 Mitarbeiter hat das Medizinische Versorgungszentrum, kurz MVZ. Das habe auch für die Patientinnen Vorteile, sagt Hörner. Es gebe keine Schließzeiten, etwa in den Sommerferien: "Die Versorgung kann immer angeboten werden." Zu fachlichen Fragen könnten sich die Kolleginnen schnell untereinander austauschen.
Kritik an MVZ, Warnungen vor iMVZ
MVZ haben also Vorteile - doch manche werden kritisch gesehen: Medizinische Versorgungszentren, hinter denen nicht Ärzte stehen, sondern Investorengruppen. Auch Hörner sieht manche MVZ sehr skeptisch: Dahinter stünden "knallharte Wirtschaftler, die sehen nur Zahlen", sagt die Frauenärztin. Warnungen kommen auch von Ärzteverbänden.
Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Wolfgang Ritter, nennt Beispiele, die seiner Ansicht nach investorengetragene MVZ, kurz iMVZ, von anderen Großpraxen unterscheiden. Dort würden weniger Hausbesuche erbracht oder Altenheime schlechter versorgt.
VdK spricht von nie dagewesener Entwicklung
Im September bereits warnten unter anderem Ärztekammer, Kassenärztliche Vereinigung und Hausärzteverband in Bayern gemeinsam mit dem Sozialverband VdK vor einer "nie da gewesenen Entwicklung".
In der Radiologie beispielsweise seien seit 2021 rund neun von zehn Übernahmen von Großpraxen durch Investorengruppen erfolgt. In der Augenheilkunde hätten internationale Investoren bundesweit bereits mehr als 500 Praxen übernommen. Die Zahl habe sich innerhalb von drei Jahren verdreifacht.
Bringen iMVZ Probleme für Patienten?
Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Christian Pfeiffer, sieht im Vormarsch der iMVZ ein Problem für Kranke: "Patienten mit intensivem Betreuungsaufwand werden deutlich weniger in diesen Praxen versorgt als in den regulären Hausarztpraxen."
Von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns (KZVB) kommt der Vorwurf, in iMVZ werde mitunter auch mehr behandelt als nötig. Der KZVB-Vorstandschef Rüdiger Schott erklärt, dort werde in bestimmten Fällen um 30 bis 50 Prozent mehr abgerechnet als "beim Haus-Zahnarzt".
Siedeln sich Großpraxen vor allem in Ballungsräumen an?
Auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) sieht mit Sorge, dass die investorengetragenen MVZ eine immer wichtigere Rolle spielen. Sie teilt eine weitere Warnung von Ärzteverbänden: Dass die Großpraxen sich vor allem in großen Städten ansiedeln: "Das bedeutet aber gleichzeitig, dass die ländliche Fläche ausgedünnt wird."
Gerlach unterstützt deshalb Pläne, die die Bundesregierung im Koalitionsvertrag festgeschrieben hat. Dort wird ein "iMVZ-Regulierungsgesetz" angekündigt. Es soll zum einen transparent machen, wer hinter iMVZ steht. Außerdem soll eine "systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel" sichergestellt werden.
Unverständnis bei MVZ-Verband
Der Bundesverband der Betreiber medizinischer Versorgungszentren (BBMV), in dem viele iMVZ Mitglied sind, reagiert auf die Kritik der Ärzteverbände mit Unverständnis. Es gebe keine nachvollziehbaren Belege für Profitmaximierung auf Kosten der Patienten, sagt die BBMV-Vorsitzende Sibylle Stauch-Eckmann.
Auch der Vorwurf, iMVZ würden die Versorgung auf dem Land schwächen, lasse sich nicht belegen, wenn man die Zahlen genauer anschaue. Und es sei "rechtlich ausgeschlossen, Arztsitze vom Land in die Stadt zu verschieben." Eine "Ausdünnung" könne deshalb "gar nicht stattfinden".
Neue Regeln für iMVZ? Unklarheit über Gesetzesänderung
Wenn Ärztinnen und Ärzte sich entscheiden, mit dem Geld von externen Investoren zu arbeiten, sei das eine Frage der betriebswirtschaftlichen Logik, sagt Stauch-Eckmann. Moderne Medizin koste viel Geld, egal ob es um Digitalisierung oder neue Geräte in Arztpraxen geht: "All das braucht Investitionen." Das deutsche Gesundheitswesen müsse modernisiert und weiterentwickelt werden: "Und da brauchen wir jede helfende Hand, egal in welcher Trägerschaft."
Bayerns Gesundheitsministerin Gerlach will trotzdem, dass neue Regeln für die Arbeit von iMVZ gesetzt werden. Schon vor zwei Jahren hatte die Staatsregierung über den Bundesrat eine entsprechende Initiative auf den Weg gebracht. Das Thema steht zwar im Koalitionsvertrag, doch es sei noch nichts geschehen, kritisiert Gerlach: "Dementsprechend verlangen wir, dass der Bund dieses reguliert."
Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums antwortet auf eine entsprechende Frage des BR: "Die konkrete Umsetzung des Koalitionsvertrags bleibt abzuwarten."
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