Eine Ärztin untersucht eine Schwangere mit Ultraschall
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Marie-Christin Winkler arbeitet als angestellte Praxisärztin
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Marie-Christin Winkler arbeitet als angestellte Praxisärztin

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Mehr Zeit für den Job? Der Boom der Gemeinschaftspraxen

Mehr Zeit für den Job? Der Boom der Gemeinschaftspraxen

Von Jahr zu Jahr steigt der Anteil der Ärztinnen und Ärzte in Praxen, die nicht als selbständige Unternehmer arbeiten, sondern als Angestellte. Die Kassenärztliche Vereinigung sieht darin Chancen, aber auch Herausforderungen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio am .

Mittags um ein Uhr noch die letzte Patientin des Tages untersuchen und dann nach dem Ultraschall pünktlich um halb zwei zum Kinderabholen zur Kita fahren: In ihrem alten Job wäre das für Marie-Christin Winkler undenkbar gewesen. Bevor sie vor fünf Jahren Mutter wurde, war sie in einer Klinik beschäftigt. Auch selbst eine Praxis als Unternehmerin zu leiten, wäre mit ihrer Lebensplanung schwer in Einklang zu bringen. Ihre Teilzeitstelle in einer Frauenarzt-Praxis in Ingolstadt hingegen ist für sie "einfach ideal, wenn man auch Familie hat".

Anstellung wird Normalität

Die 35-jährige Ärztin steht für eine Entwicklung, die die Praxen in Bayern und auch in ganz Deutschland verändert: Immer mehr Medizinerinnen und Mediziner arbeiten nicht als Selbstständige, sondern mit einem Angestelltenvertrag. Ende 2010 lag der Anteil der angestellten Ärztinnen und Ärzte in bayerischen Praxen nach Daten der Landesärztekammer noch bei zwölf Prozent, inzwischen sind es rund 39 Prozent, also anteilig mehr als dreimal so viele wie vor 15 Jahren.

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), Christian Pfeiffer, erwartet, dass sich die Entwicklung fortsetzt: "Der Trend geht ganz klar da hin." Viele Nachwuchsärztinnen und -ärzte würden sich lieber ausschließlich der Medizin und ihren Patienten widmen und alles, was mit Verwaltung, Personalmanagement oder Digitalisierung zu tun hat, ihren Chefs überlassen, bei denen sie einen Anstellungsvertrag haben.

Außerdem sei es für Angestellte wesentlich leichter, in Teilzeit zu arbeiten, erklärt Pfeiffer. Das wiederum sei vor allem für junge Mütter oft wichtig, wenn sie Familie und Beruf vereinbaren wollten. Und die machen einen immer größeren Teil der Medizinerschaft aus. In immer mehr Bereichen des Arztberufs arbeiten inzwischen mehr Frauen als Männer.

Mehr Köpfe für gleiche Arbeitszeit?

Nach Einschätzung des KVB-Chefs bringt der steigende Anteil angestellter Ärztinnen und Ärzte Herausforderungen mit sich. Denn sie arbeiten in der Regel weniger Stunden pro Woche als ihre selbstständigen Kollegen. "Das verschärft natürlich noch mal unser Nachwuchs-Problem", stellt Pfeiffer fest. Die Zahl der Ärztinnen und Ärzte erreicht zwar Jahr für Jahr neue Rekordstände. Alleine in den vergangenen zehn Jahren ist die Zahl der berufstätigen Mediziner in Bayern um ein Sechstel gestiegen, auf zuletzt rund 73.000.

Doch Ärzteverbände erklären schon seit Längerem: Für zwei Kollegen, die ausscheiden, müssten drei nachkommen. Denn einerseits wachse der Bedarf. Vor allem aber sei die Arbeitszeit pro Kopf bei Nachwuchsmedizinern oft geringer als bei früheren Ärztegenerationen.

Kopf frei für die Medizin

Es gibt allerdings auch Widerspruch gegen dieses Argument. Katharina Hörner ist ärztliche Leiterin der Praxis in Ingolstadt, in der Marie-Christin Winkler arbeitet. Angestellte Ärztinnen und Ärzte müssten sich nicht um den unternehmerischen Betrieb der Praxis kümmern, betont Hörner. Das sei ein klarer Vorteil: "Sie arbeiten ausschließlich in der Patientenversorgung." Auch Marie-Christin Winkler bestätigt: "Ich versorge Patienten, mache das, was ich gerne mache, warum ich Ärztin geworden bin. Und dann gehe ich wieder."

Und die beiden Ärztinnen sind sich einig: Wenn es nicht die Möglichkeit gäbe, angestellt in Praxen zu arbeiten, würden vor allem viele junge Mütter aus ihrer Babypause erst mal gar nicht in den Beruf zurückkehren. "Wenn sich das nicht ergeben hätte mit der Anstellung in der Praxis, dann wäre ich jetzt wahrscheinlich immer noch zu Hause", sagt Winkler.

Mehr Flexibilität auch für Patienten

Auf die Frage, ob Patienten nicht Sorge haben müssten, dass sie immer wieder wechselnde Behandler haben, wenn immer mehr Ärztinnen und Ärzte angestellt arbeiten, hat die Praxis-Chefin Hörner eine klare Antwort: Wenn eine Praxis gut organisiert sei, lasse es sich fast immer einrichten, dass Patienten keine Einschränkungen erleben. Im Gegenteil: Größere Praxen mit angestellten Ärzten könnten Sprechzeiten am Abend oder auch am Wochenende anbieten.

Auch die Schulferien abzudecken, sei in der Regel kein Problem. "Wir haben keine Schließzeiten von mehreren Wochen, wie sie früher bei Einzelpraxen üblich waren", erklärt Hörner. Deswegen ist für sie ganz klar: Der Trend zu mehr Angestellten in Arztpraxen ist nicht nur unaufhaltsam, er ist auch positiv.

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