(Symbolbild) Seit Juli vergangenen Jahres ist der Agrar- und Handelskonzern ein Sanierungsfall, mindestens 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihren Job.
(Symbolbild) Seit Juli vergangenen Jahres ist der Agrar- und Handelskonzern ein Sanierungsfall, mindestens 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren ihren Job.
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(Symbolbild) Die Konzernzentrale der BayWa in München
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(Symbolbild) Die Konzernzentrale der BayWa in München

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"Tiefpunkt erreicht": BayWa-Chef Hiller glaubt an Sanierung

"Tiefpunkt erreicht": BayWa-Chef Hiller glaubt an Sanierung

2024 war ein schwarzes Jahr für die BayWa. Unter dem Strich stand ein Milliarden-Minus. Im BR-Interview zeigt sich Vorstandschef Frank Hiller optimistisch: Die Konzern-Sanierung werde nicht einfach, "aber wir bekommen das hin".

Über dieses Thema berichtet: Der Funkstreifzug am .

Die Aufgabe ist gewaltig: Dreieinhalb Jahre haben der neue BayWa-Vorstandschef Frank Hiller und sein Team Zeit, um den Mischkonzern zu sanieren. So ist es mit den mehr als 300 Gläubigern der BayWa AG vereinbart. Bis Ende 2028 ist das Unternehmen durchfinanziert. Bis dahin soll die BayWa schrumpfen und profitabler werden. Mindestens 1.300 Mitarbeiter verlieren ihren Job. "Es ist schon ein relativ dickes Brett, das wir hier bohren", sagt Hiller im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. "Sicherlich keine einfache Aufgabenstellung. Wir sind davon überzeugt, dass wir das hinbekommen", ergänzt er.

Wie tief die BayWa in der Krise steckt, macht der jüngste Geschäftsbericht für das zurückliegende Jahr deutlich. 2024 ist der Umsatz um etwa drei Milliarden auf rund 21 Milliarden Euro gesunken. Unter dem Strich machte die BayWa ein Minus von 1,6 Milliarden Euro. "Ich denke, dass wir jetzt den Tiefpunkt erreicht haben, und dass die Reise jetzt nach oben geht", sagt Hiller.

Ex-Finanzvorstand Helber: "Zinsentwicklung ganz klar unterschätzt"

Vor gut einem Jahr, am 12. Juli 2024, hatte die BayWa völlig überraschend in einer Ad-Hoc-Mitteilung ein Sanierungsgutachten angekündigt. Die BayWa reagiere damit "auf eine angespannte Finanzierungslage", hieß es in der Pflichtmitteilung für die Börse. Als ein Grund für die Krise sind in dem Gutachten, das dem BR vorliegt, unter anderem die seit 2022 gestiegenen Zinsen genannt.

Ex-Finanzvorstand Andreas Helber, der die BayWa mittlerweile verlassen musste, hatte im Mai 2024 in einem Interview mit dem Youtube-Format "echtgelt.tv" eingeräumt, die Zinsentwicklung "ganz klar unterschätzt" zu haben. Auf eine BR-Anfrage dazu hat Helber nicht reagiert.

BayWa-Insider: Fundament stand nicht mehr solide

Nur vier Wochen zuvor hatte der inzwischen geschasste CEO, Markus Pöllinger, auf der Hauptversammlung des Konzerns dem Redemanuskript zufolge gesagt, das Fundament der BayWa trage "überaus stabil".

Nach Ansicht einer Insiderin, mit der BR-Reporter gesprochen haben, war das eine gewagte Aussage. Sie will sich nur anonym äußern: "Leider stand das Fundament meiner Meinung nach schon nicht mehr so solide, sondern es wies schon Sanierungsbedarf auf. Ich gehe davon aus, dass Markus Pöllinger das wirkliche Ausmaß zu diesem Zeitpunkt nicht klar war." Der BR hat Markus Pöllinger dazu eine Anfrage geschickt. Geantwortet hat der ehemalige Vorstandsvorsitzende nicht.

Den Ton bei der Sanierung geben jetzt die Banken vor. Sie haben seit Juli vergangenen Jahres rund 1,3 Milliarden Euro in die BayWa gepumpt, um das Überleben des Konzerns zu sichern. Damit die hohe Schuldenlast sinkt und Banken und Investoren ihr Geld zurückbekommen, muss die BayWa sukzessive ihre ausländischen Beteiligungen verkaufen. Teilweise hat der Konzern das schon getan.

Sanierungsplan: Verkauf von Beteiligungen und Standortschließungen

Dadurch will das Unternehmen mit Stammsitz in München die Schuldenlast um vier Milliarden Euro reduzieren. Übrigbleiben soll eine stark geschrumpfte BayWa, die zu ihren Ursprüngen zurückkehrt: "Man hat in der Vergangenheit eher das Kerngeschäft vernachlässigt. Wir wollen das wieder zurückdrehen, wir wollen uns fokussieren auf die Landwirtschaft", macht Hiller klar.

Die BayWa ist noch immer der größte Agrarhändler in Bayern. Diese Marktmacht will der Konzern nutzen. Das Unternehmen habe ein flächendeckendes Netz an Standorten in Süd- und Ostdeutschland. Das sei ein großer Vorteil, so der neue BayWa-Chef. "Da wollen wir mehr im Netzwerk agieren und insbesondere Themen wie Einkauf, Logistik stärker zusammenlegen und die Stärke ausspielen", erläutert Hiller.

Unrentable Standorte will die BayWa allerdings schließen. Bis Ende des Jahres sollen insgesamt 26 Lagerhäuser dicht gemacht werden. Die traditionell geringen Gewinnmargen im Agrargeschäft sollen dadurch deutlich steigen.

Durchwachsene Geschäftsaussichten in den Bereichen Technik, Energie und Bau

Beibehalten wird die BayWa ihrem Sanierungsplan zufolge die Geschäftsbereiche Technik, Energie und Baustoffe. Zur Technik gehören im Wesentlichen der Verkauf von Landmaschinen sowie Service- und Werkstattleistungen. Hier liefen die Geschäfte auch im vergangenen Krisenjahr gut.

Anders die Entwicklung im Bereich Bau: Die schlechte Baukonjunktur sorgte zuletzt für sinkende Umsätze und Gewinne. Doch das könnte sich ändern. Dem Sanierungsgutachten zufolge rechnen die Experten mit einer anziehenden Konjunktur. Und davon könnte die BayWa profitieren, weil sie als Baustoffhändler in einer "starken Marktposition" sei.

Herausfordernd könnte die Zukunft der Energiesparte werden. Da die BayWa ihre Erneuerbare-Energien-Tochter BayWa r.e., die vor allem Solar- und Windparks entwickelt, verkaufen will, bleibt bei ihr vor allem das traditionelle Geschäft mit fossilen Brennstoffen wie Heizöl und Holzpellets. Hier geht das Sanierungsgutachten von einem weiter sinkenden Marktvolumen aus. Die "langfristigen Aussichten" der Sparte seien "ungünstig".

Die ersten Schritte zur Sanierung sind mit dem Verkauf von Beteiligungen, Standortschließungen und dem Abbau von Personal bereits erfolgt. Vorstandschef Hiller stellt zufrieden fest: "Wir haben die ersten Stationen gut gemeistert." Ein anderer BayWa-Manager, der ebenfalls anonym bleiben will, zeichnet ein durchwachsenes Bild, zum Beispiel mit Blick auf die Konzernzentrale: "Wenn man da jetzt reingeht, und man spricht mit Kollegen, da geht es bloß um ein Thema: Wie geht es weiter? Wann werde ich gekündigt? Da sind noch Leute da, aber die arbeiten nicht alle, weil dieses Thema alles überlagert."

Langjährige Wirtschaftsprüfer von PwC werden ausgewechselt

Neu orientieren will sich die BayWa auch bei ihrem langjährigen Bilanzprüfer PwC. "Wir werden im nächsten Geschäftsjahr die Wirtschaftsprüfungsleistung neu ausschreiben. Die Intention ist, alles nochmal auf den Prüfstand zu stellen. Nach so einer Krise ist es geboten, Änderungen herbeizuführen", begründet Vorstandschef Hiller diese Entscheidung.

Die Krise bei der BayWa hat sowohl die Wirtschaftsprüfer-Aufsicht APAS hinsichtlich der Arbeit von PwC auf den Plan gerufen als auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Mitte November teilte die BaFin mit, es gebe "konkrete Anhaltspunkte" für fehlerhafte Darstellungen der Finanzlage, der Konzernfinanzierung sowie der Darstellung der Risikomanagementziele im Abschluss und Lagebericht 2023. Ergebnisse der Prüfungen stehen noch aus.

Mehr zu diesem Thema gibt es am Mittwoch, 16.07.25, ab 12.17 Uhr auf BR24 in der Sendung "Funkstreifzug" und am Donnerstag, 17.07.25, ab 19.00 Uhr im BR Fernsehen in der Sendung "mehr/wert".

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