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Schon fast 800 Jahre reicht eine strikte Trennung bei den Zuständigkeiten von Apothekern und Ärzten zurück. Im Jahr 1231 erließ Kaiser Friedrich II das "Edikt von Salerno", das die Rechte und Pflichten der beiden Berufe regelte. Unter anderem legte der Stauferkaiser fest: Nur Ärzte dürfen Arzneien verordnen, sie dürfen sie aber nicht abgeben. Im Gegenzug bestimmte das Edikt: Nur Apotheker dürfen Patienten Arzneien aushändigen, sie dürfen sie aber nicht verordnen.
Bewegliche Grenze
Von dieser Regel gibt es schon lange Ausnahmen. Bestimmte Schmerzmittel oder Schleimlöser beispielsweise sind traditionell frei verkäuflich. Das können auch Arzneien sein, die ein beträchtliches Schadenspotenzial haben. So kann zum Beispiel Paracetamol bei einer Überdosierung tödlich sein. Schleimlösende Nasensprays mit bestimmten Wirkstoffen können abhängig machen. Apotheken sollen Patienten deshalb gerade bei der Abgabe solcher Medikamente beraten.
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will jetzt die Kompetenzen von Apotheken auch bei der selbständigen Abgabe von rezeptpflichtigen Arzneien ausweiten. Das Ministerium nennt vor allem zwei Bereiche: Chronisch Kranke, die dringend ein Medikament brauchen, aber Probleme haben, kurzfristig ein Rezept zu bekommen. Daneben nennt das Ministerium "grundsätzlich unkomplizierte Erkrankungen", wie zum Beispiel Blasenentzündungen.
Viele skeptische Reaktionen
Bei Ärzteverbänden stößt der Plan auf breite Ablehnung. Vor dem "Überschreiten einer roten Linie" warnen die Bundesärztekammer und acht weitere große Berufsverbände in einem offenen Brief an Gesundheitsministerin Warken. Unter anderem bezweifeln sie, dass die fachliche Qualifikation von Apothekerinnen und Apothekern ausreicht, um mehr Verantwortung bei der Medikamentenabgabe zu übernehmen.
Auch BR24-User "Bedenkenswert" befürchtet in den Kommentaren, die Ausbildung des Apothekenpersonals genüge nicht für umfangreiche zusätzliche Aufgaben: "Stellt sich nicht zuletzt die Frage der Haftung bei fehlerhafter Diagnose und nachfolgend falscher Medikamentenausgabe durch eine dafür nicht ausgebildete Berufsgruppe. Da kommt auf Anwälte, Gerichte und Haftpflichtversicherer wohl eine Menge Arbeit zu."
Nutzer "ToWi8930" "ToWi8930" wiederum nennt ein Argument, das schon bei der Trennung der Zuständigkeiten im Mittelalter eine Rolle spielte: "Es gibt einen erheblichen Interessenkonflikt beim Verschreiben von Medikamenten durch den Händler selber. (…)" Und kommentiert später noch: "(...) Ein Apotheker stellt ohne ausreichende Fachkenntnisse eine Diagnose und verdient am Medikament. Das ist eine vorprogrammierte Katastrophe."
Argumente für Stärkung der Apotheken
Es gibt allerdings auch Stimmen, die mehr Spielraum für Apotheken begrüßen würden.
BR24-User "AT" ist überzeugt, dass Apothekerinnen und Apotheker ausreichend qualifiziert sind, um bei der Behandlung von Patienten weiter reichende Entscheidungen als heute treffen zu können: "Ein Pharmaziestudium in Deutschland dauert fünf Jahre (vier Jahre Studium und ein Jahr praktisches Jahr) bis zur Erteilung der Approbation, der Zulassung als Apothekerin oder Apotheker. Das Studium, das mit dem 2. Staatsexamen endet, beinhaltet das Grund- und Hauptstudium von insgesamt acht Semestern (vier Jahre), gefolgt von einem einjährigen praktischen Jahr in einer Apotheke. Das sollte für die Pläne der Regierung und uns Patient*in reichen, denke ich."
Und Kommentator "Andi_R" hält gerade bei chronisch Kranken mehr Spielraum für die Apotheken für sinnvoll: "(...) Meine Apotheke kennt die Medikamente, auf die ich dringend angewiesen bin. Sie kann mich auch bezüglich Wechsel- und Nebenwirkungen umfassend beraten. Wieso muss ich dann immer erst zum Hausarzt, um mir meine ständig gleiche Verschreibung zu holen?"
Offene Fragen, zusätzliche Konflikte
Der Bayerische Apothekerverband betont dabei: Die Pläne von Bundesgesundheitsministerin Warken seien noch in einem sehr frühen Stadium. Was genau wann geändert werden könnte, sei noch offen, erklärt ein Sprecher.
Sicher ist allerdings, dass die Pläne aus dem Gesundheitsministerium berufspolitische Konflikte zwischen Berufsverbänden von Ärzten und Apothekern weiter verschärfen dürften. Die Apothekerverbände wünschen sich zusätzliche Kompetenzen, etwa bei Impfungen oder Vorsorge. Damit haben sie bei früheren Bundesregierungen bereits Gehör gefunden. So können Apotheken inzwischen sogenannte "Pharmazeutische Dienstleistungen" mit den Krankenkassen abrechnen, etwa Blutdruckkontrolle oder Beratung zu längeren Medikationslisten.
Bei vielen Ärzteverbänden stoßen solche Kompetenzausweitungen aber auf entschiedenen Widerstand. So ist die Kassenärztliche Vereinigung Hessen gegen die Einführung der Pharmazeutischen Dienstleistungen vor Gericht gegangen, allerdings ohne Erfolg.
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