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Vergangene Woche hatte ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Aufsehen gesorgt. Darin warnte die WHO, dass Antibiotika immer häufiger nicht mehr wirken. Jede sechste laborbestätigte Infektion sei 2023 resistent dagegen gewesen. Und damit werde es für die Medizin immer herausfordernder, bakterielle Infektionen zu behandeln.
BR24-User "Augenzeuge" schrieb in den Kommentaren zu dem Bericht: "(...) Was nämlich NICHT in diesem Artikel vorkommt ist, woher primär diese Resistenzen kommen. (...)"
Antibiotika-resistente Keime entstehen vor allem dort, wo Antibiotika zu häufig und unsachgemäß eingesetzt werden. Die WHO schätzt, dass dies bei etwa der Hälfte der in der Humanmedizin eingesetzten Antibiotika passiert – etwa wenn die Behandlung vorzeitig abgebrochen wird. Das führt zu sogenanntem Selektionsdruck bei den zu behandelnden Bakterien – nur die resistenten überleben und vermehren sich.
Durch Abwässer oder internationalen Reiseverkehr verbreiten sich diese Keime weltweit – aber auch durch kontaminiertes Fleisch.
Tierhaltung als Grund für Antibiotika-Resistenzen
User "Petri" führte in den Kommentaren noch einen anderen Hintergrund an: "Die Resistenzen entstehen hauptsächlich aus dem übermäßigen Einsatz in der Massentierhaltung. (...)"
Die Tierhaltung gilt auch als Grund, weshalb sich Antibiotika-Resistenzen weltweit ausbreiten. In einigen außereuropäischen Ländern werden Antibiotika teils ohne Indikation zur Wachstumsförderung eingesetzt – 2019 wurden in den USA 80 Prozent der gesamten Antibiotika nur in der Tiermedizin eingesetzt. Auch in Südostasien wird die Abgabe von Antibiotika an Tiere schlechter überwacht – laut WHO sei hier die Resistenzquote weltweit am höchsten.
In Europa und Deutschland ist die Abgabe von Antibiotika an Nutztiere mittlerweile streng geregelt.
Das liegt vor allem am Antibiotika-Minimierungskonzept des Arzneimittelgesetzes (AMG), das 2014 in Kraft trat. Es besagt im Kern: Der Verbrauch von Antibiotika in der Nutztierhaltung muss auf das therapeutisch notwendige Minimum verringert werden. Antibiotika dürfen demnach nicht zur Wachstumsförderung eingesetzt werden und nur dann, wenn eine vom Tierarzt diagnostizierte Erkrankung vorliegt, das bestätigt auch Andreas Palzer, Nutztierarzt und Vizepräsident der Bayerischen Landestierärztekammer.
Das führte dazu, dass die abgegebene Menge von Antibiotika an Tiere seit 2011 um 67 Prozent gesunken ist. Das meldet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (externer Link). Allerdings ist die Menge im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr wieder um 34 Tonnen gestiegen. Das sind gut sechs Prozent im Vergleich zu den 562 Tonnen, die insgesamt verabreicht wurden. Die Daten lassen jedoch keinen Rückschluss darauf zu, welchen Tierarten wie viele Antibiotika verabreicht wurden, denn die Zahlen schließen sowohl Haus- als auch Nutztiere ein.
Dürfen auch gesunde Tiere Antibiotika erhalten?
Ja, sagt Nutztierpraktiker Andreas Palzer. In einigen Fällen, etwa in der Hühner-, teils auch in der Schweinehaltung sei es nicht anders möglich. Wenn einzelne Tiere zunächst gefangen werden müssten, sei dies auch ein Problem für den Tierschutz, weil unter Umständen Panik im Stall ausbreche. Also werden in der Regel alle Tiere über die Tränke medikamentiert. Es gehe darum, einen laufenden Ansteckungsprozess zu unterbrechen.
Doch immer wieder zeigen Erhebungen, dass Erreger auf dem Fleisch zurückbleiben. So auch die jüngst erschienene Untersuchung der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" (externer Link). Bei der Stichprobe enthielt gut jede dritte Hähnchenprobe aus konventioneller Haltung resistente Keime – darunter waren auch Proben aus drei Standorten in Bayern.
Kampagnenleiterin Vanessa Schilke sieht die Ursache in der intensiven Tierhaltung. Hier gebe es "das Problem, dass viele Tiere auf wenig Platz gehalten werden. Das führt dazu, dass sie ihren natürlichen Verhaltensweisen nicht nachgehen können und krank werden". Sie fordert: mehr Platz für weniger Tiere.
Bei Haltung nach Bio-Richtlinien müssen Antibiotika tatsächlich noch restriktiver eingesetzt werden, doch auch hier werden Antibiotika angewendet.
Tierarzt Andreas Palzer weist darauf hin: Bei solchen Beprobungen von Hähnchenfleisch sei nicht nachvollziehbar, woher die resistenten Keime kommen. Auch während des Schlacht- oder Verpackungsprozesses seien Kontaminationen möglich. Palzer verweist auf Zahlen des Bundesinstituts für Risikobewertung: demnach sei die Tierhaltung in Deutschland nur in geringem Maße für resistente Keime beim Menschen verantwortlich – jedenfalls belegen das Zahlen für zwei Antibiotika-Stoffgruppen.
Antibiotika bleiben notwendig
BR24-User "Gordel" schrieb: "Das Problem ist in erster Linie die derzeitige Tierhaltung, die ohne Antibiotika praktisch nicht realisierbar ist. (...)"
Palzer bestätigt: Nutztierhaltung ohne Antibiotika ist nicht möglich – ebenso wie auch in der Humanmedizin weiterhin Antibiotika notwendig bleiben.
"Kranke Tiere haben auch den Anspruch, behandelt zu werden." Oft bliebe ohne Antibiotika nur das Töten von Tieren und das "steht mit dem Tierschutz im Widerspruch". Generell hilft: Rohes Fleisch immer durchgaren, denn das tötet Bakterien ab.
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