Heute vor 60 Jahren haben Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen. Es war ein Zeichen der Aussöhnung nach den Verbrechen der Nazis und der Ermordung von etwa sechs Millionen Juden.
Über die Jahre haben sich enge Partnerschaften gebildet – nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Städtepartnerschaften und Jugendaustausche verbinden die Gesellschaften. Doch aktuell belastet der Krieg in Gaza das Verhältnis.
Wie war die Ausgangslage?
Im Herbst 1951 erkennt der Bundestag die deutsche Verantwortung für die Verbrechen der Nazis gegen die Juden offiziell an. Es ist ein erster Schritt. Ein Jahr später verpflichtet sich die Bundesrepublik, als Entschädigung Wirtschaftsgüter nach Israel zu liefern. Das noch junge Israel kämpft um das wirtschaftliche und politische Überleben. Die Beziehungen zu Deutschland sind für Israel ein Weg, die internationale Isolation zu überwinden.
Für Deutschland ist es eine Möglichkeit zu zeigen, dass die Bundesrepublik mit dem Gedankengut der Nazis gebrochen hat. Am 12. Mai 1965 nehmen Bundeskanzler Ludwig Erhard und der israelische Ministerpräsident Levi Eschkol diplomatische Beziehungen auf. Zehn arabische Länder brechen aus Protest ihre Beziehungen zu Deutschland daraufhin ab.
Wie haben sich die deutsch-israelischen Beziehungen entwickelt?
Belastungsproben gab es viele. Zum Beispiel der Überfall palästinensischer Extremisten auf israelische Sportler bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Als Israel im Golfkrieg 1991 vom Irak angegriffen wird, liefert Deutschland Abwehrraketen und U-Boote. 2008 starten deutsch-israelische Regierungskonsultationen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nennt die Sicherheit Israels "Teil der deutschen Staatsräson". Ein Begriff, der immer wieder kontrovers diskutiert wird.
Frank-Walter Steinmeier hat die Beziehungen schon vor zehn Jahren als "Wunder" bezeichnet. Damals war der heutige Bundespräsident noch Außenminister. Der israelische Präsident Izchak Herzog betonte in Berlin, dass nach den USA kein Land der Welt so viel für Israel getan habe wie Deutschland. "Wir sind stolz auf das Bündnis mit Deutschland, und wir schätzen die tiefe Freundschaft und den deutschen Beitrag zu Israels Sicherheit und Wohlstand sehr."
Wie ist das Verhältnis heute?
Nach dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 rücken Deutschland und Israel zunächst noch enger zusammen. Die Bundesregierung zeigt sich nicht nur solidarisch, sondern unterstützt Israel durch weitere Rüstungsexporte. Je länger der Krieg in Gaza läuft, umso größer werden die Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der israelischen Kriegsführung. Appelle aus Deutschland, mehr humanitäre Hilfe für die Menschen in Gaza zuzulassen und eine politische Lösung zu entwickeln, werden von der israelischen Regierung weitgehend ignoriert. Einzelne Mitglieder der in Teilen rechtsextremen Regierung sprechen mittlerweile offen davon, die Palästinenser aus Gaza zu vertreiben.
Der Internationale Strafgerichtshof erlässt gegen Premier Benjamin Netanjahu und andere Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen. Der CDU-Wahlsieger Friedrich Merz lädt ihn dennoch nach Deutschland ein. Als Bundeskanzler schlägt er andere Töne an: "Wir schauen mit größter Sorge auf Israel", so Merz am Tag seiner Wahl.
Bundespräsident Steinmeier sagt heute, am deutsch-israelische Jahrestag in Berlin: "Mir ist sehr bewusst: Der Blick auf die Gegenwart stimmt alles andere als hoffnungsvoll in dieser schweren Zeit. Große Feierstimmung kann sich kaum einstellen – und wie auch?"
Israel müsse sich "zur Wehr setzen gegen islamistischen Terrorismus und Geiselnehmer und Verschleppungen", so Steinmeier. Er befürchte aber auch, "dass das Leid, das die Menschen in Gaza erleben, die Gräben immer tiefer macht, und das sorgt mich wie viele andere", sagte er. "Alles muss getan werden, um eine noch größere humanitäre Katastrophe in Gaza zu verhindern."
Welche Rolle spielt die deutsche Politik in Israel?
Keine große. Deutsche Politiker sind zwar gern gesehene Gäste in Israel. Das ist auch am aktuellen Besuch des neuen deutschen Außenministers Johann Wadephul (CDU) zu sehen. Wie seine Vorgängerin Annalena Baerbock (Grüne), wird er von Ministerpräsident Netanjahu empfangen. Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Allerdings sagt das noch nichts über den deutschen Einfluss. Der ist überschaubar. Deutschland ist wichtig als Unterstützer in internationalen Organisationen oder als Rüstungslieferant. Echten Einfluss hat allein die US-Regierung.
Wie wird das Jubiläum begangen?
Politischer Höhepunkt ist der Doppelbesuch der beiden Präsidenten Herzog und Steinmeier. Nach Gesprächen und Gedenken am Montag in Berlin werden beide zusammen nach Israel fliegen – das gab es so noch nie. Der Bundespräsident besucht unter anderem den Kibbuz Beeri, der besonders hart von der Hamas zerstört wurde, und wo viele Opfer zu beklagen sind. Deutschland finanziert den Wiederaufbau mit.
Steinmeier wird außerdem die Ehrenmedaille des israelischen Präsidenten erhalten und Politiker treffen, auch Ministerpräsident Netanjahu. Der Bundespräsident spricht von einem offenen Austausch in schwierigen Zeiten.
Im Video: Jubiläum - 60 Jahre deutsch-israelische Beziehungen
Vor 60 Jahren haben Deutschland und Israel diplomatische Beziehungen aufgenommen - ein Neuanfang, der bis heute hält.
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