Der gemeinsame Aufruf der drei Außenministerien erfolgt 50 Tage nach der Verhängung einer vollständigen Blockade von Hilfsgütern in den Gazastreifen durch die israelische Regierung: Diese Entscheidung "ist untragbar", heißt es in der Erklärung Großbritanniens, Frankreichs und Deutschlands.
Forderung: Humanitäre Hilfe nicht als politisches Druckmittel
Humanitäre Hilfe dürfe niemals "als politisches Druckmittel eingesetzt werden." Zudem dürften die palästinensischen Gebiete "weder verkleinert noch demographischen Veränderungen unterworfen werden."
Damit beziehen sich die drei Außenministerien auf Ankündigungen der israelischen Regierung, wonach auch nach Kriegsende ihre Streitkräfte im Gazastreifen verbleiben und sogenannte "Schutzzonen" im zerstörten Küstenstreifen erweitern würden. Zugleich fordern Großbritannien, Frankereich und Deutschland die Hamas auf, "keine Hilfslieferungen für den eigenen finanziellen Nutzen abzuzweigen" sowie "zivile Einrichtungen nicht für militärische Zwecke zu nutzen."
Israels Verteidigungsminister: Genug Vorräte in Gaza
Israels Verteidigungsminister Katz sieht nach eigenen Angaben keine Veranlassung, die Blockade von Hilfsgütern, medizinischen Material oder Kochgas zu beenden. Bei der gestrigen Kabinettssitzung habe Katz erklärt, der Gazastreifen verfüge über genügend Vorräte – obwohl internationale Hilfsorganisationen dem entschieden widersprechen und die mangelnde Versorgung auch durch Mitarbeitende vor Ort belegen können. Laut der britischen Organisation Oxfam sei es beispielsweise für die Menschen in Gaza immer noch schwierig, an sauberes Trinkwasser zu kommen, seit Israel die Stromversorgung gekappt hat. Das wenige verfügbare Essen sei extrem teuer, sodass viele Menschen einem hohen Hungerrisiko ausgesetzt seien.
Katz bekräftigte demgegenüber, dass er sich jeder künftigen Hilfe widersetzen werde, die von der Hamas zur Kontrolle der Bevölkerung und zum "Aufbau einer terroristischen Infrastruktur" verwendet werden könnte. Dies berichtet die israelische Tageszeitung Ha’aretz unter Berufung auf Regierungskreise. Vor diesem Hintergrund dürfte der Appell der drei europäischen Außenminister weitgehend wirkungslos verhallen.
Palästinenser-Präsident Abbas zur Hamas: "Hundesöhne"
Der 89-jährige Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas griff heute die radikal-islamistische Hamas, mit der er seit 2007 im politischen Dauerclinch liegt, in einer vom Fernsehen übertragenen Rede frontal an: Die Hamas müsse ihre Herrschaft über den Gazastreifen abgeben, ihre Waffen der Palästinensischen Autonomiebehörde (die im Gazastreifen seit 18 Jahren gegenüber der Hamas nichts zu sagen hat) übergeben und sich zu einer politischen Partei wandeln.
In Ramallah, dem Verwaltungssitz der Autonomiebehörde im besetzten Westjordanland, sprach Abbas die Hamas mit den Worten an: "Ihr Söhne von Hunden, übergebt die Geiseln und beendet diese Situation." Jeden Tag gebe es im Gazastreifen "Hunderte von Toten". Israel müsse sich vollständig aus dem Gazastreifen zurückziehen und die "Angriffe auf unser Volk im Westjordanland beenden."
Israels Regierung lehnt die Rückkehr der Palästinensischen Autonomiebehörde nach Gaza und damit die Übernahme der Verantwortung für die Palästinenser im Küstenstreifen strikt ab. Eine politische Perspektive für die Zeit nach dem Krieg hat Premierminister Netanjahu bislang nicht auf den Tisch gelegt.
Gibt die Hamas die Macht in Gaza ab?
Für internationales Aussehen sorgte eine Meldung der britischen BBC, der zufolge die Hamas ihre Bereitschaft signalisiert hätte, ihre Macht im Gazastreifen an die Palästinensische Autonomiebehörde oder eine neu zu gründende Behörde abzugeben. Die BBC berief sich dabei auf einen palästinensischen Offiziellen, der mit den indirekten Gesprächen Israels mit der Hamas vertraut sei.
Ob es sich dabei um eine taktische Finte handelt oder um das Eingeständnis der Hamas, von den katastrophalen Folgen ihres Terrorüberfalls vom 7. Oktober 2023 für die Palästinenser endgültig überfordert zu sein, bleibt fraglich. Fest steht allerdings, dass es in den vergangenen Tagen und Wochen wiederholt zu offenen Protesten gegen die Hamas im Gazastreifen kam. Verzweifelte und wütende Bewohner des zerstörten Küstenstreifens nahmen daran teil.
Das sind extrem mutige Aktionen, angesichts der Brutalität, mit der die Hamas in den 18 Jahren ihrer Gewaltherrschaft jeglichen Protest unterdrückt hat. Verhaftungen, Folter und Hinrichtungen gehören dabei zu den Methoden. Palästinenser-Präsident Abbas dürfte daher vermutlich der überwiegenden Anzahl der von Tod und Hunger bedrohten Menschen im Gazastreifen aus dem Herzen gesprochen haben, als er in Richtung der Hamas ausrief: "Hundesöhne."
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