Ein russischer Kampfjet vom Typ MiG-31. Drei solcher Maschinen waren laut estnischen Meldungen in den Luftraum des Landes eingedrungen.
Ein russischer Kampfjet vom Typ MiG-31. Drei solcher Maschinen waren laut estnischen Meldungen in den Luftraum des Landes eingedrungen.
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Ein russischer Kampfjet vom Typ MiG-31. Drei solcher Maschinen waren laut estnischen Meldungen in den Luftraum des Landes eingedrungen.
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Ein russischer Kampfjet vom Typ MiG-31. Drei solcher Maschinen waren laut estnischen Meldungen in den Luftraum des Landes eingedrungen.

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Abschuss von russischen Kampfjets? Ein schmaler Grat

Abschuss von russischen Kampfjets? Ein schmaler Grat

Nachdem russische Kampfjets mutmaßlich in estnischen Luftraum eingedrungen sind, hat sich nun der UN-Sicherheitsrat mit dem Vorfall befasst. Auch die Nato wird sich beraten. Forderungen nach Abschüssen werden laut. Was jetzt passieren könnte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Informationen am Nachmittag am .

Auf einer Karte, die das estnische Verteidigungsministerium im Internet veröffentlicht hat, ist die Route eingezeichnet, die drei russische Kampfjets am Freitag geflogen sein sollen: Um 9.58 Uhr Ortszeit seien sie in den estnischen Luftraum eingedrungen, teilt das Ministerium mit. Verlassen hätten sie ihn um 10.10 Uhr.

Wenn die Angaben so stimmen, dann waren die Maschinen vom Typ MiG-31 zwölf Minuten lang im Luftraum des Nato-Landes unterwegs und flogen in gerader Linie nah an dessen nördlicher Grenze über der Ostsee, bis sie von Nato-Kampfflugzeugen hinauseskortiert wurden. Die russischen MiGs hatten weder Transponder eingeschaltet noch auf Funksprüche reagiert, heißt es aus Estland. Der Vorfall wird dort als äußert brisant eingestuft.

USA: Werden "jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen"

Estland hatte deshalb eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates beantragt. Bei dieser Sitzung in New York sagte am Montagnachmittag (mitteleuropäische Zeit) der neue US-Botschafter Michael Waltz: "Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um zu wiederholen und zu betonen, dass die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten jeden Zentimeter des Nato-Territoriums verteidigen werden." Angesichts russischer Luftraumverletzungen in Europa wollen die USA Nato-Gebiet vor Eindringlingen schützen, so Waltz. Man erwarte von Russland, dass es nach Wegen zur Deeskalation suche und nicht eine Ausweitung des Konflikts riskiere. Zudem müsse Russland direkt mit der Ukraine über ein Ende des Krieges verhandeln, forderte der US-Botschafter bei den UN.

Was kann der Sicherheitsrat tun? Er könnte sich beispielsweise auf eine Resolution verständigen, in der das Vorgehen verurteilt wird, weil es die internationale Sicherheit gefährdet. Resolutionen des UN-Sicherheitsrates sind völkerrechtlich bindend. Dass in diesem Fall eine solche verabschiedet wird, ist aber unwahrscheinlich. Russland kann Resolutionen als ständiges Mitglied des Rates mit einem Veto blockieren.

Ohnehin bestreiten offizielle Stellen des Landes die Vorwürfe. Laut Darstellung des russischen Verteidigungsministeriums haben die Maschinen den estnischen Luftraum nicht verletzt und sich an internationale Vorschriften gehalten.

Nato-Beratungen nach Artikel 4

Neben dem UN-Sicherheitsrat wird auch der Nato-Rat zusammentreten. Das ist das politische Entscheidungsgremium der Nato. Estland hatte Konsultationen nach Artikel 4 beantragt. Derartige Konsultationen sind äußerst selten. Ein Nato-Mitgliedsstaat kann sie beantragen, wenn es sich bedroht fühlt. Wörtlich heißt es im Nordatlantikvertrag: "Die Parteien werden einander konsultieren, wenn nach Auffassung einer von ihnen die Unversehrtheit des Gebietes, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Parteien bedroht sind."

Russischen Maschinen droht der Abschuss

Ergebnis solcher Beratungen könnte die offizielle Verurteilung der russischen Flüge sein. Denkbar wäre auch, dass sich die Vertreter der Nato-Staaten auf eine schärfere Reaktion auf derartige Vorkommnisse verständigen. Seit den Ereignissen vom Freitag mehren sich Stimmen, die einen Abschuss fordern, wenn russische Maschinen in den Nato-Luftraum eindringen.

Als Beispiel wird gerne der Abschuss eines russischen Jets durch türkische Militärs im türkisch-syrischen Grenzgebiet im Jahr 2015 angeführt. Vorangegangen waren damals mehrere Luftraumverletzungen durch Russland sowie Beratungen beider Seiten.

Der Grat in solchen Fällen ist schmal, kann doch ein Abschuss als Kriegserklärung der Gegenseite gewertet werden.

Wie weit gehen die einzelnen Nato-Staaten?

Allerdings gilt im Bündnis ohnehin das Einstimmigkeitsprinzip. Das heißt: Jedes Nato-Mitglied muss bei so einer Verschärfung der Einsatzregeln mitziehen. Wie weit die einzelnen Staaten zu gehen bereit sind, ist aber unklar. Vor allem die Haltung der USA ist offen.

Donald Trump hatte die Flüge zwar in einer direkten Reaktion kritisiert, ob die Vereinigten Staaten aber unter seiner Führung bereit sind, auch weitere Schritte einzuleiten, darf angesichts seiner bisherigen Haltung bezweifelt werden. In so einem Fall könnte das Bündnis nach Außen uneinig und damit schwach wirken. Nach Ansicht von Beobachtern würde das Putin in die Hände spielen.

Flüge kein Einzelfall – Russland testet Reaktionen

Die nun gemeldeten Vorfälle über der Ostsee sind bei weitem kein Einzelfall. Sie bekommen aber gerade jetzt besondere Aufmerksamkeit, zumal die baltischen Staaten auf verstärkten Schutz durch die Nato drängen.

Tatsächlich meldet das Bündnis seit Jahren regelmäßig Flüge russischer Maschinen, die ohne Transpondersignal in Grenzgebieten über der Ostsee unterwegs sind. Häufig ist die russische Exklave Kaliningrad ihr Ziel.

Nach Ansicht von Militärs testet Russland auf diese Weise auch die genaue Reaktion der Nato. Der Politikwissenschaftler und Verteidigungspolitikexperte Christian Mölling sprach im Deutschlandfunk von Handlungen "knapp unterhalb der Schwelle eines Krieges".

Mit Informationen von dpa

💡 Wer bewacht den Nato-Luftraum?

Werden zum Beispiel russische Flugzeuge von der Luftraumüberwachung erkannt, steigen Nato-Kampfjets auf, um diese zunächst zu identifizieren und dann - je nach Flugroute - entweder zu begleiten oder aus dem Luftraum zu drängen. Teils fliegen die Maschinen dabei eng nebeneinander. Da die baltischen Staaten über keine eigenen Kampfflugzeuge verfügen, stellen andere Nato-Staaten abwechselnd Einheiten zur Verfügung. So ist zu erklären, dass die russischen MiGs von italienischen F-35-Jets eskortiert wurden.

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