Mit Fuß- und Handfesseln, eskortiert von jeweils drei Polizisten, betraten die vier Angeklagten den Gerichtssaal in Traunstein. Der Auftritt machte bereits deutlich: Hier geht es um schwere Kriminalität. Die Männer zwischen 28 und 44 Jahren aus Syrien sollen Teil des internationalen Schleusernetzwerks "Al-Sarawi" gewesen sein.
Zwischen 2022 und 2024 haben sie nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft fast 800 Menschen – größtenteils syrischer Herkunft – über die Balkanroute nach Deutschland geschleust. Dabei sollen sie mehrere Millionen Euro umgesetzt haben.
Tödliche Folgen der Schleusungen
Besonders schwer wiegen die Vorwürfe zu zwei Todesfällen. Bei einer Schleusung von Belarus nach Lettland kamen zwei Frauen während des anstrengenden Fußmarsches ums Leben. Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, Menschen unter lebensgefährlichen Bedingungen transportiert zu haben.
Die Anklage umfasst neben gewerbsmäßigem Einschleusen auch erpresserischen Menschenraub, Anstiftung zu Gewalttaten und Geldwäsche über das sogenannte Hawala-System – ein informelles Zahlungssystem ohne Bankbeteiligung.
Nur einer der Angeklagten äußert sich
Am ersten Prozesstag schwiegen drei der vier Angeklagten, darunter der Hauptangeklagte. Lediglich der 44-Jährige aus dem niedersächsischen Burgwedel machte Angaben. Er soll als "Finanzverwalter" des Netzwerks fungiert haben.
Der Mann bestritt jede Beteiligung an den Schleusungen: "Ich habe mit Schleusungen nichts zu tun", erklärte er vor Gericht. Er habe als Außendienstmitarbeiter im Hawala-System gearbeitet und gedacht, mit den Geldtransfers Familien zu unterstützen. Von den illegalen Aktivitäten der anderen Angeklagten will er nichts gewusst haben.
Im Video: BR-Korrespondentin Julia Ley zum Prozess
Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat vor knapp einem Jahr ein internationales Schleusernetzwerk ausgehoben.
Lange Verfahrensdauer und hohe Strafen erwartet
Das Gericht verwies auf die Schwere der Vorwürfe und stellte klar, dass frühe und umfassende Geständnisse strafmildernd berücksichtigt würden. 23 weitere Verhandlungstage sind angesetzt – Prozessbeobachter rechnen mit einer längeren Verfahrensdauer und möglicherweise hohen Freiheitsstrafen.
Verfahren nach dem "Traunsteiner Modell"
Der Prozess wird nach dem sogenannten "Traunsteiner Modell" geführt, das seit 2018 als spezielles Konzept zur Bekämpfung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität gilt. Es basiert auf spezialisierten Abteilungen bei grenznahen Staatsanwaltschaften, enger Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Behörden sowie nachweisbaren Erfolgen – etwa einem Rückgang von Schleuserfällen und hohen Strafen für deren Hintermänner.
Im Video: Auftakt zum Schleuser-Prozess in Traunstein
Die Liste der Vorwürfe gegen die vier gebürtigen Syrer ist lang. Bislang sind 23 Verhandlungstage angesetzt.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!