Schätzfrage: Wie viele Arzttermine fallen hierzulande aus, weil Patientinnen und Patienten nicht auftauchen? Die Antwort laut der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): 10 bis 20 Prozent. Und das, obwohl viele Menschen lange auf einen Termin warten müssen, besonders in fachärztlichen Praxen.
Falsches Datum eingetragen, Termin ganz vergessen, trotz Krankheit nicht abgesagt, in der Früh verschlafen: Die Liste möglicher Gründe ist lang. Aber egal, ob der Einzelfall nachvollziehbar sein mag – die schiere Zahl der ausgefallenen Termine ist ein großes Problem. Der Sprecher des Bundesverbands der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske, fordert jetzt via "Bild"-Zeitung: "Es ist nicht mehr zu akzeptieren, dass Patienten Termine verbindlich vereinbaren und diese nicht wahrnehmen." Laut Maske wäre, je nach Länge des vorgesehenen Termins, ein Ausfallhonorar von bis zu 100 Euro nötig.
Kassenärztliche Vereinigung Bayerns: Strafgebühr schon möglich
Auch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) ist offen für Ausfallgebühren bei unentschuldigt verpassten Terminen, nennt dabei aber keine konkrete Höhe. Auf BR24-Anfrage betont Peter Heinz, erster stellvertretender KVB-Vorstandsvorsitzender: "Würden alle zu ihren Terminen erscheinen oder rechtzeitig absagen, dann hätten wir auch keine Terminengpässe in den Praxen." Eine Gebühr bei Nichterscheinen könne dazu führen, dass Patienten ihre Termine verbindlicher wahrnehmen.
Die KVB betont, dass "No-Show-Gebühren" schon jetzt möglich seien – wenn die Praxis das vorab bei der Terminvereinbarung kommuniziert. Sollte es eine generelle Strafgebühr für geschwänzte Arzttermine geben, müsste die Zahlung aus KVB-Sicht über die Krankenkassen laufen. Begründung: Die Strafgebühren einzeln von den (Nicht-)Patienten einzutreiben, wäre im Alltag für die Praxen zu kompliziert und aufwändig.
Gesetzliche Krankenkassen stellen sich gegen Ausfallhonorare
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen weist die Forderungen allerdings scharf zurück. Vor einem "beschämenden Überbietungswettbewerb" warnt Sprecher Florian Lanz auf dpa-Anfrage. Die Erfahrungen der Patientinnen und Patienten seien "vielmehr volle Wartezimmer, in denen trotz eines Termins lange gewartet werden muss".
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz betont, schon heute verlangten Praxen teilweise Strafgebühren für ausgefallene Termine. Vorstand Eugen Brysch spricht von "Abzocke", wenn die Kassenärzte von den Krankenversicherungen weiteres Geld forderten. Brysch zufolge müssten dann auch Ärzte den Patienten und Krankenkassen Ausfallgebühren zahlen, wenn sie Termine absagten.
Skeptisch ist auch die Verbraucherzentrale Bayern. Durch eine neue Strafgebühr würden lediglich neue Probleme entstehen, hieß es zuletzt. Ausfallhonorare seien rechtlich nicht einfach umzusetzen; der Arzt oder die Ärztin müsse genau nachweisen, dass die Kapazitäten der Praxis im besagten Zeitraum nicht anderweitig genutzt werden konnten. Geprüft werden müsse immer der Einzelfall, weil man auch unverschuldet einen Termin verpassen könne. Fazit der Verbraucherzentrale: Neue Strafgebühren würden einen Haufen neue Bürokratie bedeuten.
Geschwänzte Termine: Besonders Fachärzte betroffen
Der Bayerische Hausärzteverband teilt übrigens auf BR24-Anfrage mit, das Thema habe für die hausärztlichen Praxen keine Relevanz. Der Landesvorsitzende Wolfgang Ritter betont: "Wir sind auch gegen Strafzahlungen unserer Patienten, Fehlentwicklungen sollten über Anreize behoben werden."
Laut der KVB sind in erster Linie Fachärzte von unentschuldigt geschwänzten Terminen betroffen. Die Organisation macht gleichzeitig deutlich, dass eine mögliche Strafe ganz leicht zu vermeiden wäre: "Wer wie vereinbart in die Praxis kommt, wäre von einer Gebühr ohnehin nicht betroffen."
Gesundheitsministerin Gerlach: Strafgebühren "nicht zielführend"
Gegen Strafgebühren für verpasste Arzttermine ist Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Auf BR24-Anfrage teilt sie mit: Ein Ansatz für eine bessere Patientensteuerung könne das "Primärarztprinzip sein, bei dem ein Hausarzt an Fachärzte überweist". Nicht zielführend sei eine Debatte allein über Strafgebühren. "Solche Strafgebühren schaffen enorme Bürokratie, sind rechtlich sehr kompliziert zu begründen und umzusetzen – und würden wohl oft auch die Falschen treffen."
Mit Informationen von dpa und KNA
Audio: Warten auf Termine beim Facharzt – so könnte es schneller gehen
Auf einen Termin beim Arzt müssen Kassenpatienten oft monatelang warten. Bayerns Ärztepräsident will mehr Patientensteuerung.
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