Es war eine Entdeckung, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte: Archäologen stießen vergangenes Jahr auf Massengräber in Nürnberg. Sie stammen aus einer Zeit, in der die Stadt auf eine harte Probe gestellt wurde: In den Jahren 1632 bis 1634 wütete die Pest in der eigentlich wohlhabenden Handelsstadt. 25.000 Menschen sollen der Seuche zum Opfer gefallen sein. 400 Jahre später geben die Gräber Auskunft darüber, was sich damals ereignet haben muss. Eine Ausstellung zeigt nun die außergewöhnlichsten Fundstücke.
Leichen mussten schnell unter die Erde
Es waren dramatische Monate für die Stadt, erklärt die Nürnberger Stadtarchäologin Melanie Langbein: "Es gibt Gräber, in denen man das noch sehr ordentlich gemacht hat. Und dann gibt es Gräber, in denen wir sehen: Da sind die Toten einfach vom Wagen in die Massengrab-Grube hineingerutscht und so liegengeblieben. Das hat natürlich mit der Bestattung nach christlichem Ritus nichts mehr zu tun." Es müssen unfassbare Zustände gewesen sein – innerhalb von zwei Jahren ist fast die Hälfte der Nürnberger Einwohner dem schwarzen Tod zum Opfer gefallen.
3.000 Skelette freigelegt
Knapp 400 Jahre später soll im Nürnberger Stadtteil St. Johannis ein Seniorenheim gebaut werden. Vor Beginn der Bauarbeiten rückten die Archäologen an – und stießen auf acht Massengräber. 3.000 Skelette wurden seither in mühsamer Kleinarbeit freigelegt. Eines davon ist jetzt in der Ausstellung zum Pestfriedhof im Büro des Nürnberger Stadtplanungsamts zu sehen. Die Knochen einer Nürnbergerin – von den Archäologen geführt als Individuum 827.
Skelett einer jungen Frau ausgestellt
Stellvertretend für alle anderen Toten wird das Skelett Nummer 827 ausgestellt. Melanie Langbein erklärt, was man über dieses Skelett herausgefunden hat: "Es war eine Frau, das sieht man am Becken, vom Alter her eher so zwischen Anfang und Mitte 20. (...) Sie ist in einem relativ guten gesundheitlichen Zustand gewesen. Wir sehen keine Mangelerscheinungen, aber da sind ein paar Entzündungen der Knochenhaut vorhanden und bei den Zähnen hat Karies zu Zahnausfall geführt. Das ist in der Zeit relativ typisch für einen jungen Menschen."
Seltene Fundstücke: Münzen und Textilreste
Besonders interessant für die Forschung ist auch das, was in der Eile der Epidemie mit den Verstorbenen ins Grab geworfen wurde. In der Ausstellung zu sehen sind Münzen, Ringe und Überreste von Textilien, die im feuchten Boden in der Nähe der Pegnitz erhalten geblieben sind. Besonders die Textilreste sind für die Forschung interessant, da es sich um Alltagskleidung handelt. Zu Zeit der Pest tobte in Deutschland der Dreißigjährige Krieg, deshalb wurden auch schwedische Münzen und Uniformreste gefunden.
Ausstellung nur ein Zwischenstand
Für Geschichtsinteressierte ist es ein sehenswerter Einblick, der im schlicht gehaltenen offenen Büro in der Nürnberger Lorenzer Straße gezeigt wird. 15 Stellwände mit Informationen zu den Grabungen, dem geschichtlichen Hintergrund und drei Vitrinen mit Fundstücken.
Es ist aber auch nur ein Zwischenstand, sagt der Nürnberger Baureferent Daniel Ulrich: "Das ist aber nicht das Ende der Fahnenstange, denn es ist längst noch nicht alles ausgewertet. Aber das ist ein Einblick in den Stand der Forschung und zeigt, was wir heute wissen über dieses riesige Pestgrab. Und es zeigt, glaube ich, auch ein bisschen was darüber, wie Menschen im Dreißigjährigen Krieg in Nürnberg gelebt haben."
Zu sehen ist die Ausstellung "Der Pestfriedhof in St. Johannis" im offenen Büro des Nürnberger Stadtplanungsamts noch bis zum 5. Januar 2026.
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