08.01.24: Traktoren stehen während einer Demonstration von Landwirten in der Münchner Innenstadt.
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08.01.24: Traktoren stehen während einer Demonstration von Landwirten in der Münchner Innenstadt.

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Blockaden und Demos: Zehntausende Bauern auf Bayerns Straßen

Blockaden und Demos: Zehntausende Bauern auf Bayerns Straßen

Die Ampel-Koalition hat die Sparpläne für die Landwirtschaft zwar angepasst, trotzdem protestierten Bauern im ganzen Bundesgebiet. Auch im Freistaat waren die Auswirkungen spürbar. Bayerns Bauernverband schließt derweil Kompromisse mit der Ampel aus.

Über dieses Thema berichtet: BR24live am .

An den Protesten gegen die Steuerpläne der Bundesregierung haben an diesem Montag in ganz Bayern unzählige Landwirte mit vielen Tausend Traktoren teilgenommen. Allein in der Oberpfalz registrierte die Polizei bis zum Mittag 30 Aktionen mit rund 6.000 Fahrzeugen. In Niederbayern nahmen nach polizeilicher Schätzung etwa 4.000 Personen mit 2.500 Fahrzeugen an Protestaktionen teil, in Oberfranken 5.500 Menschen mit 3.400 Fahrzeugen, in Oberbayern nördlich von München zählte die Polizei 4.700 Traktoren, in Nordschwaben 2.300.

Anlass für die Bauernproteste ist die Ankündigung der Bundesregierung, Subventionen für die Landwirtschaft zu kürzen. Zum einen geht es dabei um die Kfz-Steuer für landwirtschaftlich genutzte Maschinen, zum anderen um Vergünstigungen für den in der Landwirtschaft genutzten Diesel-Kraftstoff. Einen Teil der Kürzungspläne hat die Regierung bereits zurückgenommen. Landwirte versammeln sich bayern- und bundesweit dennoch weiter zu zahlreichen Kundgebungen.

Große Kundgebungen in München, Augsburg und Nürnberg

Vielerorts meldeten die Polizeipräsidien am Morgen und am Vormittag Verkehrsbehinderungen im Zuge der Bauernproteste, etwa weil Straßen nur einspurig befahrbar waren oder Autobahnauffahrten zeitweise blockiert wurden. Auch am Nachmittag mussten Pendler und andere Autofahrer mit zahlreichen Behinderungen rechnen, weil sich die Landwirte mit ihren Fahrzeugen auf den Rückweg machten. Besonders große Kundgebungen fanden etwa in München, Augsburg und Nürnberg statt, aber auch an vielen weiteren Orten haben sich Landwirte versammelt.

Allein zur zentralen Münchner Kundgebung des Bayerischen Bauernverbands und des Vereins "Landwirtschaft verbindet Bayern" kamen nach Schätzung der Polizei 8.000 Menschen. Insgesamt rollten rund 5.500 Traktoren in die Stadt. Die Veranstalter sprachen von 10.000 Demonstranten und 7.000 Schleppern.

Der BBV-Chef betonte angesichts der aufgeheizten Stimmung in der Bauernschaft jedoch die Dialogbereitschaft des Verbands und distanzierte sich von Extremisten jeglicher Couleur, unangemeldeten Verkehrsblockaden und Angriffen auf Politiker. "Denn Bauern sind keine Chaoten oder Klimakleber", sagte Felßner. "Bleiben wir sympathisch, bleiben wir friedlich."

Bauernverband warnt vor Verdopplung der Lebensmittelpreise

Felßner erklärte am Rande der Kundgebung, es gehe um 33 Cent pro Tag, die jeder europäische Bürger für die Landwirtschaft bezahle. Die Alternative sei die Rücknahme von Subventionen und die Abschottung von Importen, was dann zu einer Verdopplung der Lebensmittelpreise führen würde.

Dass die Bundesregierung die Pläne bei der Kfz-Steuer bereits zurückgenommen hat und die Subventionierung des Agrardiesels jetzt schrittweise statt auf einen Schlag umsetzen will, reicht dem bayerischen Bauernpräsidenten nicht aus. Man habe über die Jahre bereits Kröten geschluckt. Dabei geht es laut Felßner um zehn Milliarden Euro für die Landwirtschaft. "Diese zwei Maßnahmen haben jetzt dem Fass den Boden ausgeschlagen und deshalb müssen die komplett vom Tisch", gab sich Felßner kompromisslos. Die heimische Lebensmittelversorgung und die bäuerlichen Familienbetriebe seien gefährdet.

Grünen-Politiker Bär in München ausgebuht

Als einziger Politiker war der Grünen-Bundestagsabgeordnete Karl Bär als Gastredner in München geladen. Bär wurde jedoch lautstark ausgebuht und von Teilen der Menge mit "Hau Ab"-Sprechchören zum Aufhören aufgefordert. Der Obmann der Grünen im Agrarausschuss des Bundestags warnte die Bauern seinerseits vor Radikalisierung. Bär forderte die Landwirte auf, es nicht den Klimademonstranten der Letzten Generation gleichzutun, die die Sympathie der Bevölkerung verloren hätten. Mit diesem Vergleich erntete der Grünen-Politiker wütenden Protest.

Landwirtschaftsministerin Kaniber unterstützt Bauernproteste

Zur Münchner Kundgebung erschienen mehrere CSU-Politiker und Kabinettsmitglieder, darunter Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber. Sie warf der Bundesregierung am Rande der Veranstaltung vor, dem Agrar- und Industriestandort Deutschland zu schaden. "Die Bauern gehen zu Recht auf die Straße und setzen hier ein ganz friedliches Zeichen", sagte sie in BR24live. Kaniber beklagte unter anderem, dass die Vorschläge der Borchert-Kommission, die für den Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland jährlich vier Milliarden Euro vorgesehen hätten, nicht in diesem Umfang umgesetzt wurden. Gefragt nach eigenen Vorschlägen zu Einsparungen für den Bundeshaushalt erklärte Kaniber: "Es gibt viele Möglichkeiten." Leistungsträger mit Mehrauflagen und Steuererhöhung zu "überziehen" sei der falsche Weg.

CSU und Bauernverband waren einander über Jahrzehnte politisch eng verbunden, doch führte vor allem das Bienen-Volksbegehren 2019 zu einer Entfremdung. Mittlerweile versucht die CSU, verlorene Unterstützung in der Bauernschaft zurückzugewinnen.

Zur Münchner Kundgebung kam auch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), der zuvor die Teilnahme an gleich drei Protestveranstaltungen angekündigt hatte. Innerhalb der bayerischen Koalition gibt es häufig Ärger hinter den Kulissen, weil Aiwanger versucht, als Sprachrohr bäuerlicher Interessen aufzutreten. Aus der CSU wird dem Freie-Wähler-Chef vorgeworfen, dabei auch populistisch gegen Positionen aufzutreten, die er als stellvertretender Ministerpräsident selbst mit unterschrieben hat.

Video: Aiwanger solidarisiert sich mit Bauern

Aiwanger solidarisiert sich mit Bauern
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Aiwanger solidarisiert sich mit Bauern

Anzeigen wegen Blockaden an der A96

Ganz überwiegend lief der Protest in Bayern friedlich und im Rahmen des geltenden Rechts ab. Die Blockade eines Kreisverkehrs an der Autobahnauffahrt Lindau zur A96 wertete die Polizei allerdings als Nötigung. Drei Teilnehmer wurden hier angezeigt. Ordnungswidrigkeiten registrierte die Polizei außerdem zwischen Weißensberg und Lindau. Der Protest hier war nach Angaben der Polizei nicht angemeldet. Mehrere Landwirte wurden wegen "extremer Langsamfahrt" angezeigt.

Laut der Autobahnpolizei Wörth an der Isar kam es auch auf der A92 zu mehreren nicht genehmigten Protestaktionen. Diese würden nun strafrechtliche Ermittlungen nach sich ziehen, hieß es. So fuhren morgens demnach zwei Lkw in Fahrtrichtung Deggendorf zwischen Landshut und Wörth an der Isar nebeneinander und drosselten ihre Geschwindigkeit so stark, dass es schnell zu einem längeren Stau kam.

In Mindelheim im Unterallgäu konnte ein Caterer aufgrund von Straßenblockaden den Großteil seines Essens nicht zustellen. Die Fahrer seien nicht zu den Schulen und Kitas gelangt, die sie täglich beliefern. Das führte dazu, dass rund 80 Einrichtungen im Unter- und Ostallgäu nicht mit einem Mittagessen versorgt werden konnten. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen meldeten dagegen bislang keine nennenswerten Einschränkungen.

Rechtsextreme und Verschwörungsideologen mischen sich unter Bauernproteste in München

Nach BR-Informationen waren bei den Protesten in München auch Personen mit rechtsextremen Symbolen sowie Banner mit verschwörungsideologischen Inhalten sichtbar. Wie mehrere Quellen bestätigten, waren Vertreter der Identitären Bewegung sowie des Dritten Wegs auf der Kundgebung am Odeonsplatz anwesend. Auch die vom Verfassungsschutz beobachtete Burschenschaft Danubia war mit Mützen und der NS-Landvolkfahne unter den Protestierenden.

Trotz vorheriger Warnung und Distanzierung des Bauernverbandes wurden auch drei Galgen gesichtet. Ein Banner mit der Aufschrift "Ohne Bauernstand stirbt unser Bayernland" war deutlich sichtbar mit den Farben der Reichsflagge bemalt. Auch ein Vertreter aus dem Querdenker-Spektrum war laut BR-Quellen auf der zentralen Bauern-Kundgebung am Odeonsplatz dabei.

Bio-Landwirt aus Schwaben beziffert Agrardiesel-Subvention auf 6.000 Euro

Wie die allermeisten Proteste ordnungsgemäß angemeldet war eine Kundgebung auf der Nördlinger Kaiserwiese. Landwirte stellten mehrere Hundert Traktoren dort ab. Bio-Landwirt Maximilian Faul erklärte bei BR24live, für seinen Betrieb gehe es um rund 6.000 Euro, die er bislang als Agrardiesel-Rückvergütung im Jahr bekommt. Wenn man vergleiche, wie lange man für 6.000 Euro arbeiten müsse, dann sehe man, dass das ein sehr hoher Betrag sei, so der Landwirt.

Seine Erzeugnisse teurer verkaufen könne er nicht, betonte Faul. Er verwies auf die Konkurrenz am Markt. Als Rohstofflieferant habe er eine schlechte Verhandlungsposition. Seine Karotten würden im Handel einfach eins zu eins durch andere ersetzt.

Bauer betont hohe Standards in der deutschen Landwirtschaft

Subventionen für seinen Betrieb rechtfertigte Faul mit den hohen Standards in Deutschland. Wegen dieser Standards könne man nicht ohne Subventionen auskommen, "auch wenn es viele Betriebe gerne würden", so der Bio-Landwirt aus Deiningen im Landkreis Donau-Ries. "Diese Standards müssen wir natürlich auch bezahlt bekommen, sonst geht das auf Dauer nicht", sagte Faul bei BR24live.

Grünen-Politikerin Künast beharrt auf verbliebenen Kürzungen

Die Grünen-Politikerin und ehemalige Landwirtschaftsministerin Renate Künast ist aktuell Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Ernährung und Landwirtschaft ihrer Fraktion im Bundestag. Sie räumte im BR24-Interview ein, die Abschaffung der Kfz-Steuer-Befreiung und die Abschaffung des Agrardiesel-Privilegs seien gemeinsam "zu viel und zu schnell" gewesen. Das habe man aber geändert.

Gefragt nach weiteren Möglichkeiten, den Landwirten entgegenzukommen, sagte Künast: "Ich denke, das war es jetzt." Die Abschmelzung der Agrardiesel-Subventionierung bis 2026 sei ein fairer Beitrag. Man müsse insgesamt 17 Milliarden Euro finden, betonte Künast.

Mit Informationen von dpa

BR24live zum Nachschauen: Bauern starten Protestwoche

BR24live zu den bundesweiten Bauernprotesten
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Bauernproteste

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