Das Bürgergeld wird von der schwarz-roten Berliner Koalition abgewickelt und weicht einer "neuen Grundsicherung". Die Philosophie: mehr fordern, härtere Sanktionen. Und erneut - wie schon bei Hartz IV - spaltet es die Genossen.
Bayerische Jusos fragen: "Spürt" die SPD-Spitze noch was?
Als SPD-Kanzler Gerhard Schröder die so genannte Hartz IV-Reform einführte, drohte es die SPD zu zerreißen. Die Regeln für Langzeitarbeitslose und Bedürftige wurden damals verschärft. 18 Jahre später lockerte die Ampel die Regeln für sie mit dem "Bürgergeld". Das Fördern, die Unterstützung der Bedürftigen sollte im Vordergrund stehen. Nun wieder Verschärfungen. Widerspruch und sogar ein Aufruf, das im Bundestag noch zu verhindern, kommt von der SPD-Jugendorganisation, den Jusos.
Die SPD habe sich "von Kampagnen treiben lassen", sagte etwa der bayerische Juso-Landesvorsitzende Benedict Lang im Gespräch mit BR24. Man müsse sich fragen, ob die SPD-Spitze "noch was spürt". Lang forderte "alle SPD-Abgeordneten" dazu auf, "sich dem Gesetzgebungsverfahren entgegenzustellen". Er hält die Sanktionen für verfassungswidrig. Dass an die Schonvermögen gegangen werde, "ignoriert, dass Menschen niemals freiwillig in die Grundsicherung fallen". Details wie auch die Gesamtbotschaft seien inakzeptabel, so der Landeschef der SPD-Jugendorganisation.
Landtagsfraktionschef Grießhammer begrüßt stärkeres "Durchgreifen"
Ganz andere Töne kommen aus der SPD-Landtagsfraktion von Chef Holger Grießhammer. Er findet es richtig, dass die Bundesregierung bei "notorischen Arbeitsverweigerern oder Termin-Schwänzern" stärker durchgreift - "das fordere ich schon seit langem". Niemand werde "einfach auf die Straße gesetzt oder um seine Ersparnisse gebracht", so der bayerische SPD-Fraktionschef.
Der Staat müsse "für diejenigen da sein, die Hilfe benötigen, und nicht für diejenigen, die unsere Sozialsysteme ausnutzen". Grießhammer versucht seit Monaten seine Fraktion in die politische Mitte zu führen, und würde gerne Juniorpartner in einer schwarz-roten Koalition in Bayern werden.
Co-Landeschef Roloff sieht Grundsicherung als "schmerzhaften Kompromiss"
Erst vor knapp zwei Wochen wurde der Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff in Landshut ins Amt des bayerischen SPD-Co-Vorsitzenden gewählt. Schon vor Beginn des vielzitierten "Herbsts der Reformen" hatte er gesagt, die Debatte ums Bürgergeld mache ihn "nervös", wegen der Erfahrungen seiner Partei mit Hartz IV. Auf eine Ablehnung der Bürgergeldreform im Bundestag will sich Roloff auf BR24-Nachfrage nicht festlegen: "Grundsätzlich stimme ich mit der SPD-Fraktion. Über mein Abstimmungsverhalten im Deutschen Bundestag entscheide ich allerdings immer, nachdem ich die Gesetzentwürfe und Anträge schriftlich und im Detail kenne."
Ganz ähnlich äußern sich auch andere bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete auf Nachfrage. Den - so Roloff - "schmerzhaften Kompromiss" wird er also wohl mittragen, auch wenn er gleichzeitig die mehrheitlich linken Genossen in Bayern repräsentieren muss.
Landeschefin und Jusos fordern Vermögenssteuer
Für die bayerischen Genossen ist die neue Grundsicherung nur ein Teil der Sozialstaatreform. Juso-Landeschef Lang fordert für seine SPD: "Wer Partei der Arbeit sein will, muss die echten Baustellen in den Blick nehmen. Das sind Steuerhinterziehung im großen Stil oder die enorme Vermögensungerechtigkeit."
Auch Co-Landeschefin Ronja Endres fordert eine "Reaktivierung" der Vermögenssteuer. Diese ist ihr zufolge überfällig: "Die schwächsten Schultern haben nun einen Beitrag zum Haushalt geleistet. Es wird Zeit, dass die Reichsten das ebenfalls tun", so die Co-Landesvorsitzende.
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