Ein Ende des Gaza-Kriegs rückt nach einem Durchbruch in den Friedensverhandlungen in greifbare Nähe. In einem als "historisch" bezeichneten Moment haben Israel und die Terrororganisation Hamas der ersten Phase des Friedensplans von US-Präsident Donald Trump zugestimmt.
In der Nacht billigte die israelische Regierung dann das mühsam ausgehandelte Abkommen. Das teilte das Büro von Premier Benjamin Netanjahu nach einer Kabinettssitzung mit. Mehrere rechtsextreme Minister stimmten allerdings Medienberichten zufolge gegen die Vereinbarung mit der Hamas, unter ihnen Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir und Finanzminister Bezalel Smotrich. Die radikal-islamistische Hamas erklärte den Krieg im Gazastreifen ebenfalls für beendet.
Erste Stufe des Friedensplans ist nun in Kraft
Damit kann nun die erste Phase des Friedensplans umgesetzt werden: Die Waffenruhe soll demnach unverzüglich in Kraft treten. Dafür sollen sich die israelischen Streitkräfte auf eine vereinbarte Linie zurückziehen. Anschließend ist vorgesehen, dass alle 48 israelischen Geiseln innerhalb der vereinbarten 72-Stunden-Frist freigelassen oder ihre Leichen in die Heimat gebracht werden; außerdem sollen rund 2.000 palästinensische Häftlinge freigelassen werden. Hilfslieferungen in den Gazastreifen sollen ermöglicht werden.
"Wir alle haben schon viel zu lange auf diesen Moment gewartet. Jetzt müssen wir es hinbekommen, dass er wirklich zählt", sagte UN-Generalsekretär António Guterres. Trump bezeichnete das Abkommen als ersten Schritt "hin zu einem starken, dauerhaften und ewigen Frieden. Alle Parteien werden fair behandelt!", schrieb er auf der Plattform Truth Social.
Hoffnungen auf Stabilität für gesamte Region
Die Einigung hatte unter Israelis wie unter Palästinensern große Erleichterung ausgelöst. Sie wurde auch international und vor allem im Nahen und Mittleren Osten gefeiert. Die zwei Millionen Menschen im Gazastreifen können nach langer Zeit großen Leidens nun mit umfangreicher humanitärer Hilfe rechnen.
"Dies ist ein diplomatischer Erfolg und ein nationaler und moralischer Sieg für den Staat Israel", sagte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Israels Militär wird den Angaben zufolge nach dem Rückzug hinter besagte Linie weiterhin 53 Prozent des Gazastreifens kontrollieren. Netanjahu forderte für Trump den Friedensnobelpreis.
Feiern im Gazastreifen und in Israel
Die Angehörigen der Geiseln und viele Palästinenser im Gazastreifen feierten erleichtert das mögliche Ende des seit zwei Jahren dauernden Kriegs mit Zehntausenden getöteter Zivilisten.
Im Gazastreifen brachen nach Bekanntwerden der Einigung Jubelszenen aus. Der arabische Nachrichtensender Al-Dschasira zeigte Bilder von feiernden Menschen in Chan Junis. Junge Männer trugen einander auf den Schultern, andere tanzten und spielten Musik. "Meine erste Reaktion war, hemmungslos zu weinen", sagte Mohammed Abu Auda im Gazastreifen der Deutschen Presse-Agentur.
Auch in Tel Aviv, auf dem sogenannten Geiselplatz, versammelten sich Menschen mit strahlenden Gesichtern, fielen sich in die Arme und stießen an. Einige schwenkten israelische und US-Flaggen.
Der Krieg war eine Reaktion Israels auf das von der Hamas und anderen islamistischen Terrorgruppen begangene Massaker an israelischen Zivilisten im Oktober 2023.
Merz: "Die Entwicklung in Israel macht uns Mut"
Das Abkommen weckte Zuversicht in der gesamten Region. Es öffne "das Tor der Hoffnung für die Völker der Region – für eine Zukunft, die von Gerechtigkeit und Stabilität geprägt ist", so Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi in einem Post auf X. "Die Entwicklung in Israel macht uns Mut", sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU).
Spitzenvertreter der EU kündigten nach dem Durchbruch bei den Verhandlungen Hilfe an. Die EU werde weiterhin die schnelle und sichere Lieferung humanitärer Hilfe in den Gazastreifen unterstützen, teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit. Deutschland will gemeinsam mit Ägypten zu einer Wiederaufbaukonferenz einladen.
Großer Druck auf Konfliktparteien
Die Einigung müsse das Ende des Konflikts und den Beginn einer politischen Lösung auf der Grundlage der Zweistaatenlösung markieren, forderte Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron. Als wesentlicher Grund für den Erfolg gilt der große Druck, den Trump auf Netanjahu ausgeübt hat. Vermittler-Staaten wie Ägypten und Katar hatten dem Trump-Plan zugestimmt und damit ihrerseits die Hamas unter Druck gesetzt.
Die Vereinbarung betrifft nur die erste Phase des US-Friedensplans. In einer zweiten Verhandlungsphase sollen Bedingungen geschaffen werden, die einen langfristigen Frieden sichern. Dazu gehören der vollständige Rückzug israelischer Soldaten aus Gaza, sobald eine internationale Stabilisierungstruppe (ISF) für Sicherheit sorgt sowie eine Übergangsregierung palästinensischer Technokraten unter internationaler Aufsicht. Unklar bleibt, welche Rolle die Hamas in der zukünftigen Verwaltung des Gazastreifens spielen wird.
Mit Informationen von dpa.
Im Video: Das sagt der Experte
Prof. Simon Wolfgang Fuchs von der Hebrew University of Jerusalem im BR-Gespräch.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!