Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) muss sparen – und setzt den Rotstift ausgerechnet bei der Kirchenmusik an. Ab 2027 wird der jährliche Zuschuss von 50.000 Euro an den Allgemeinen Cäcilienverband (ACV), den Dachverband der katholischen Kirchenmusik in Deutschland, gestrichen. Das sind 40 Prozent der Verbandseinnahmen. Ohne diese Mittel droht die Auflösung einer Institution, die bundesweit laut eigenen Aussagen mehr als 14.000 Chöre und Instrumentalensembles mit rund 300.000 Mitwirkenden vertritt.
Verband für Kirchenmusik: "Ein fatales Signal"
In der Geschäftsstelle des ACV in Regensburg ist die Bestürzung groß. "Viele Menschen sind zu Recht empört. Hier geht es nicht nur um 50.000 Euro, sondern um ein Zeichen: Kirchenmusik ist für die Kirche nicht viel wert, besonders für die deutschen Bischöfe", sagte Raphael Baader, Generalsekretär des ACV, dem Bayerischen Rundfunk. Der Verband versteht sich als Stimme der Kirchenmusik, allein in Bayern repräsentiert er rund 5.000 katholische Chöre mit etwa 60.000 Mitgliedern.
Baader warnt: Fällt der ACV weg, fehlt nicht nur ein Ansprechpartner in Kirche und Gesellschaft, sondern auch die Struktur, über die Fördergelder verteilt werden. So leitet der Verband jährlich rund 127.000 Euro staatlicher Zuschüsse an die sieben bayerischen Diözesen weiter – für Chorprojekte, Ausbildung und Konzerte.
Folgen weit über die Kirche hinaus
Die Bischofskonferenz begründet den Schritt mit einem erheblichen Haushaltsdefizit, das zwingend ausgeglichen werden müsse. Doch Kritiker verweisen auf die Signalwirkung. Der Bayerische Musikrat warnt Kardinal Reinhard Marx in einem Brandbrief: Wenn die Kirche sich aus der Verantwortung ziehe, könnte auch der Staat bei künftigen Sparrunden seine Unterstützung zurückfahren – mit unkalkulierbaren Folgen für die Musiklandschaft.
Auch der Deutsche Musikrat stellt sich also gegen die Entscheidung. Präsident Martin Maria Krüger betont, dass das Erleben von Musik und das aktive Musizieren im Bereich der Kirche nicht nur Ausdruck und Teil der Glaubensvermittlung seien, "sondern auch eine tragende Säule der musikalischen Bildung in der Gesellschaft". In Zeiten sinkender Mitgliederzahlen schade sich die Kirche selbst, wenn sie ihre "historisch gewachsene Musikkultur" schwäche.
Bayern besonders betroffen
Für die Chöre in Bayern ändert sich kurzfristig wenig. Langfristig jedoch drohen Einschnitte: Ohne den ACV fehlen absehbar staatliche Zuschüsse in sechsstelliger Höhe, der Zugang zu bundesweiten Fördergeldern bricht weg. Auch der Wegfall von Rahmenverträgen, etwa mit der GEMA, könnte katholische Ensembles künftig deutlich teurer zu stehen kommen, so die Befürchtungen.
"Es würde auf jeden Fall einen Baustein weniger geben. Und wenn bei einem Gebäude ein Stein fehlt, kann das die Stabilität gefährden", sagt Baader. Die Lücke für die Kirchenmusik in Bayern sei groß – unklar, ob sie je geschlossen werde.
Offene Zukunft
Fest steht: Die Entscheidung der Bischöfe ist, laut eigener Aussage, "unumstößlich". Am 30. September will der ACV in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung über die Konsequenzen beraten. Parallel läuft eine Online-Petition, die bereits über 7.500 Unterstützerinnen und Unterstützer gefunden hat.
Für Baader bleibt die Hoffnung, dass Politik und Kirche neue Wege finden, die Kirchenmusik von Laien zu sichern. Letztlich gehe es um die Frage, welche Bedeutung Kirchenmusik in Zukunft noch haben soll.
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