Der Hausärzteverband, die Deutsche Stiftung Patientenschutz und die Gewerkschaft Verdi haben sich gegen die Einführung einer Kontaktgebühr für Patientinnen und Patienten in deutschen Arztpraxen ausgesprochen. Diese hatte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, angesichts der Finanzprobleme der gesetzlichen Krankenversicherung angeregt. Auch Bayerns ehemaliger Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) lehnt die Idee ab.
Hausärzte finden Kontaktgebühr "unsozial"
"Dieser Vorschlag der Arbeitgeber ist nicht nur unsozial, sondern auch komplett undurchdacht", sagte die Hausärzteverbandsvorsitzende Nicola Buhlinger-Göpfarth der "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe). "Eine solche Kontaktgebühr für alle Arztbesuche würde nicht unnötige, sondern auch zwingend notwendige Arztbesuche verhindern."
BDA-Chef Kampeter will mit einer neuen Gebühr Ärzte-Hopping, also den mehrfachen und unnötigen Besuch von Ärzten wegen desselben Problems, eindämmen. Die Hausärzteverband-Chefin aber warnt: "Chroniker wie beispielsweise Dialysepatientinnen und -patienten müssten die Gebühr dann Dutzende Male im Jahr bezahlen." Sie würde "insbesondere sozial Schwache finanziell komplett überfordern". Wenn deswegen auf einen Arztbesuch verzichtet werde, könne das schwere gesundheitliche Folgen haben - die auch zu hohen Folgekosten führen könnten.
Buhlinger-Göpfarth räumt aber ein, dass nicht alle Arzt-Patienten-Kontakte notwendig seien. Sie sieht die Lösung in einer besseren Patientensteuerung durch ein hausärztliches Primärarztsystem: "Dabei ist die Hausarztpraxis immer die erste Anlaufstelle, die bei Bedarf weitere Fachärztinnen und Fachärzte hinzuzieht."
Stiftung Patientenschutz spricht von "alter Leier"
Von 2004 bis Ende 2012 hatte es in Deutschland bereits eine Praxisgebühr gegeben. Gesetzlich Versicherte mussten dabei zehn Euro pro Quartal bezahlen, wenn sie zum Arzt gingen.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sprach deshalb bei ZDFheute von einer "alten Leier". Die 2012 abgeschaffte Gebühr habe keine Steuerwirkung gehabt und Patienten teils davon abgehalten, rechtzeitig ärztliche Hilfe zu suchen. Zudem sei der Verwaltungsaufwand hoch gewesen. Auch Verdi mahnt, dass die Gebühr "die soziale Schieflage in der medizinischen Versorgung weiter verschärfen" würde.
CSU-Politiker Holetschek gegen die Kontaktgebühr
Der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Holetschek, sagte dem "Münchner Merkur" (externer Link, möglicherweise Bezahl-Inhalt): "Eine Kontaktgebühr bei Arztbesuchen wäre völlig der falsche Weg." Statt neue Gebühren einzuführen, müsse das System so gestaltet werden, dass die Sozialabgaben nicht weiter stiegen.
Auch Holetschek setzt auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Primärarztsystem. "Wer will, dass die Menschen zuerst zum Hausarzt gehen, erreicht das nicht über Strafzahlungen, sondern über Anreize", sagte der ehemalige bayerische Gesundheitsminister.
Mit Informationen von dpa und AFP
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht's zur Anmeldung!