(Archivbild) "Spendenlauf" für Neonazis in Wunsiedel
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(Archivbild) Es war die wohl aufsehenerregendste Aktion des Bündnisses für Toleranz: der "Spendenlauf" für Neonazis 2014 in Wunsiedel.

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Bündnis für Toleranz: Mehr Geld für Demokratie-Bildung nötig

Bündnis für Toleranz: Mehr Geld für Demokratie-Bildung nötig

Das "Bündnis für Toleranz" ist Bayerns breitester Zusammenschluss zur Stärkung von Demokratie und Menschenwürde. Jetzt wird es 20 Jahre alt – und ist angesichts der Zunahme von Antisemitismus, rechter Gewalt und Hetze wichtiger denn je.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Der Gründungsimpuls für das Bayerische Bündnis für Toleranz geht auf ein Schockerlebnis zurück: 2003 wurden mehrere Mitglieder der rechtsextremistischen "Kameradschaft Süd" verhaftet. Sie hatten im Umfeld der Grundsteinlegung für das neue jüdische Kulturzentrum in München einen Sprengstoffanschlag geplant – am 65. Jahrestag der Reichspogromnacht. 600 nationale und internationale Gäste waren geladen. Der Sprengstoffanschlag wurde vereitelt, die Rechtsterroristen gestoppt.

Kampf für Demokratie, Toleranz und Menschenwürde

Als Reaktion entstand die Idee, einen breiten Zusammenschluss politischer, zivilgesellschaftlicher und kirchlicher Akteure zu organisieren, der die Toleranz und den Schutz von Demokratie und Menschenwürde zum obersten Ziel haben sollte. Am 3. Juni 2005 wurde das "Bayerische Bündnis für Toleranz" gegründet.

Neben den christlichen Kirchen und den israelitischen Kultusgemeinden in Bayern zählten unter anderem auch das bayerische Innenministerium, der Städte- und der Landkreistag, der DGB Bayern, die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft und der Bayerische Landes-Sportverband BLSV zu den Gründungsmitgliedern.

Über die Jahre wuchs es zu Bayerns breitestem Zusammenschluss zur Stärkung von Demokratie und Menschenwürde heran. So gehören aktuell 102 Einrichtungen und Verbände dazu, darunter der Bayerische Landtag, Bildungseinrichtungen und der Bayerische Bauernverband. Seinen Sitz hat das Bayerische Bündnis für Toleranz in Bad Alexandersbad im Landkreis Wunsiedel.

Festakt zum 20-jährigen Gründungsjubiläum

"Unsere Aufgabe ist heute dringender denn je", sagt Philipp Hildmann beim Festakt zum 20-jährigen Bestehen des Bündnisses in Nürnberg. Hildmann ist seit Oktober 2023 sein Geschäftsführer und sieht die Demokratie und die Wahrung der Menschenrechte "aktuell unter Druck, wie nie seit Gründung der Bundesrepublik". Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus seien auch in Bayern auf dem Vormarsch. Aufklärung sei deshalb dringend notwendig, meint Hildmann, "um dem menschenverachtenden Trend der angstbesetzten Extremisten eine positive Erzählung von Freiheit, Gleichheit, Demokratie und Menschenwürde entgegenzusetzen".

Bündnis-Chef fordert mehr Unterstützung vom Staat

Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk fordert Philipp Hildmann mehr staatliche Unterstützung. Und damit meint er auch Geld vom Freistaat Bayern. Das Bündnis unterstütze zwar Lehrkräfte und die kommunale Jugendarbeit nach Kräften. Bei allem Engagement könnten das Bündnis für Toleranz und andere zivilgesellschaftliche Gruppen aber nicht die massive finanzielle Unterversorgung bei der politischen Bildung auffangen. "Hier wäre der Staat gut beraten, auch um seiner eigenen demokratischen Zukunft willen, wieder mehr Geld in die Hand zu nehmen", sagt Hildmann.

Innenminister Herrmann betont "gemeinsame Verantwortung"

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann würdigt beim Festakt das gemeinsame Engagement des Bündnisses in den vergangen beiden Jahrzehnten. Der CSU-Politiker betont, es sei "unsere gemeinsame Verantwortung - von der Staatsregierung, den Religionsgemeinschaften und den großen Verbänden bis zu jedem einzelnen Bürger - aktiv gegen menschenverachtende Ideologien und Extremismus einzutreten".

Aufsehen für unfreiwilligen "Spendenlauf" von Neonazis

Als bisher größter Erfolg der Bündnisarbeit gilt der "unfreiwilligste Spendenlauf Deutschlands" 2014 in Wunsiedel. Damals wurde der dortige Aufmarsch von Rechtsextremisten in einen Spendenlauf für eine Aussteiger-Organisation umfunktioniert. Für jeden marschierten Meter der Neonazis flossen zehn Euro aus einem von Bürgern und Kleinunternehmen gespeisten Spendentopf an "Exit Deutschland". Die rechten Demonstranten wurden von Bürgerinnen und Bürgern bejubelt und mit Durchhalteparolen wie "Spenden marsch!" oder "National und freigiebig" an der Route angefeuert. Diese kreative Art des Protests schaffte es damals sogar bis in die "New York Times".

Aktionen in ganz Bayern

Das Bündnis ist mit Aktionen in ganz Bayern aktiv. Zum Beispiel bietet es Fortbildungen für Lehrerinnen und Lehrer zum Thema Rechtsextremismus in der Gesellschaft und an Schulen an. Auch mit Fußballvereinen arbeitet das Bündnis zusammen. Man werde bewusst auch lokal aktiv, sagt Bündnis-Chef Hildmann. Aktuell und auch künftig wolle man "stark in den digitalen Raum gehen", mit verschiedenen Web-Angeboten und Online-Projekten, wie der Kampagne "Zu wertvoll für Hass" (externer Link).

AfD wollte Ausstieg des Landtages aus dem Bündnis

Nach ihrer erstmaligen Wahl in den Bayerischen Landtag 2018 versuchte die AfD-Fraktion, die Mitgliedschaft des Landtags im Bündnis für Toleranz gerichtlich zu beenden. Zwei Abgeordnete der Partei sahen dadurch das staatliche Neutralitätsgebot verletzt. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof verneinte das im August 2021 allerdings ausdrücklich: Neben der formalen Unzulässigkeit des Antrages betonten die Richterinnen und Richter, dass sich das Bündnis letztlich für dasselbe einsetze wie die Bayerische Verfassung: die freiheitlich-demokratische Grundordnung des Freistaates.

BR-Moderator interviewt einen Mann.
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20 Jahre Bayerisches Bündnis für Toleranz

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