Friedensaktivistin Renate Schunck an ihrem Fenster, an dem die Pace-Flagge weht
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Am Fenster von Friedensaktivistin Renate Schunck weht die Pace-Flagge
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Am Fenster von Friedensaktivistin Renate Schunck weht die Pace-Flagge

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Corona-Nachwirkung: Friedensbewegung gespalten

Corona-Nachwirkung: Friedensbewegung gespalten

Während der Corona-Pandemie sind nicht nur langjährige Freundschaften zerbrochen. Auch innerhalb der Friedensbewegung gibt es zwei Fraktionen, die seitdem nicht mehr gemeinsam kämpfen - obwohl sie dasselbe Ziel haben. Ein Beispiel aus dem Chiemgau.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Ein Riss geht durch die Friedensbewegung. Im Südosten Oberbayerns trennt er zwei alte Weggefährtinnen: Auf der einen Seite Renate Schunck, Ärztin und Vorsitzende der "Friedensinitiative Traunstein Traunreut Trostberg". Auf der anderen Seite Gertraud Angerpointner, Öko-Bäuerin, Gastwirtin und aktiv in der "Initiative für Selbstbestimmung und eine menschliche Zukunft".

Einigkeit beim Thema Frieden - Zusammenarbeit nicht möglich

Noch 2018 standen sie gemeinsam beim Ostermarsch in Traunstein auf der Bühne - heute wäre das undenkbar. Wie konnte es so weit kommen?

Anfang Juli auf einem Berggasthof im Berchtesgadener Land. Der Stadel mit fast 300 Leuten ausverkauft. Das Publikum: überwiegend mittelalt, Angestellte, Landwirte, Menschen mit christlichem Hintergrund. Gleich wird die frühere Russland-Korrespondentin der ARD, Gabriele Krone-Schmalz, einen Vortrag halten. Gertraud Angerpointner hat sie eingeladen.

Umstrittene Rednerin im Berggasthof

"Ich finde es wichtig, dass solche Leute ihre Meinung mal wieder in der Öffentlichkeit sagen können", sagt die Wirtin. Die Suche nach Frieden müsse wieder viel mehr ins Bewusstsein der Leute kommen. Angerpointner hat sich schon als Jugendliche und während des Volkswirtschaftsstudiums in München in der Friedensbewegung engagiert, nennt sich selbst eine "Alt-Linke": "Ich bin für fairen Welthandel, gegen imperialistische Politik. Ich will, dass es allen Leuten gut geht."

Zurück im Chiemgau, wurde sie Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Gemeinsam mit Renate Schunck fuhr sie zu Protestaktionen nach München und Berlin. Sie kämpften für kleine, nachhaltig bewirtschaftete Bauernhöfe und gegen, wie sie es nannten, Agrarfabriken. Noch heute sagt Schunck, sie schätze die Erfahrung ihrer früheren Mitstreiterin. Und auch der Vortrag von Krone-Schmalz hätte sie interessiert, nur aus Termingründen kann sie nicht dabei sein.

Während Corona kam der Bruch - Zu wenig Abgrenzung von rechts?

Es sind nicht die Differenzen beim Thema Frieden, die die beiden ehemaligen Weggefährtinnen trennen. Schunck und Angerpointner kritisieren Nato und Aufrüstung fast wortgleich. Sie streiten auch nicht über die Thesen von Krone-Schmalz, der Experten eine verharmlosende Sicht auf die aggressive Politik Russlands vorwerfen. Was die beiden Frauen vor allem trennt, sind die Themen Corona, Migration und Gesellschaftspolitik.

Während der Pandemie ging Angerpointner mit einer von ihr und ihrem Partner gegründeten Initiative gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße. Der Kampf etwa gegen die Impfpflicht war für die Ärztin Schunck nicht nachvollziehbar. Und: Es seien Transparente zu sehen gewesen mit der Aufschrift "Die eine Partei für das eine Deutschland", "Gegen die illegale Migration" und "Gegen den Genderwahn". Zu krass für die Traunsteiner Friedensinitiative: "Uns ist der Slogan - Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg - sehr wichtig, weil Faschismus immer zum Krieg führt."

Soziologe: Frieden für viele nur eins von mehreren Themen

Einigkeit beim Thema Frieden und trotzdem kein gemeinsamer Kampf für dieses Ziel - laut dem Soziologen Marco Bitschnau von der Universität Konstanz ein weit verbreitetes Phänomen. Der eigentlich starke Friedensbegriff werde zunehmend von "Reizthemen" wie etwa Migration überlagert. Welche Haltung man zum Reizthema einnehme, entscheide dann, ob man sich der einen oder anderen Friedensgruppe zugehörig fühle - nicht die Positionierung zum Thema Frieden selbst.

Ist Minimalkonsens die Rettung?

Lassen sich solche Hürden überwinden? Grundsätzlich sei es für soziale Bewegungen ratsam, den Kern der eigenen Botschaft nicht an Bekenntnisse zu anderen Botschaften zu binden, so der Wissenschaftler. "Man müsste sich in der Zusammenarbeit auf einen Minimalkonsens verständigen oder weiter getrennt marschieren."

Gabriele Krone-Schmalz rät den getrennten Chiemgauer Friedensinitiativen im Anschluss an ihren Vortrag auf dem Berggasthof: Nicht auf das Trennende konzentrieren. Sondern auf das Einende. Denn: "Wenn das mit dem Frieden nicht funktioniert, ist alles andere auch schon egal."

Appell für eine geeinte Friedensbewegung

Ihr Appell trifft im Publikum auf breite Unterstützung. Eine Krankenpflegerin aus dem Salzburger Land sagt, ihr sei es egal, ob jemand links oder rechts sei, solange er ein Mensch sei. Eine Rentnerin aus dem Chiemgau ergänzt, es wäre gerade jetzt total wichtig, dass die Friedensbewegung zusammenhält.

Eine starke Friedensbewegung wünschen sich sowohl Gertraud Angerpointner als auch Renate Schunck. Dass sie wieder gemeinsam marschieren - danach sieht es zurzeit aber nicht aus.

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