Im Fall des mutmaßlichen Diesel-Betrugs durch einen Tankstellenbetreiber aus Schwarzenbach an der Saale im Landkreis Hof und ein Firmengeflecht von Mineralölhändlern in Osteuropa und Deutschland hat das Landgericht Hof nun die Anklage zugelassen: Ab 16. Januar 2026 wird verhandelt, und zwar mindestens 60 Verhandlungstage lang bis in den Oktober, teilte die Justizpressestelle mit.
Vorwurf: Energiesteuer in Höhe von 44 Millionen Euro nicht bezahlt
Der Fall ist komplex und beschäftigt gleich mehrere Ermittlungsbehörden. Die Staatsanwaltschaft Hof wirft sieben der acht Beschuldigten vor, dass sie über verschiedene Firmen Kraftstoff aus Polen nach Deutschland eingeführt haben – ohne dafür die nötige Energiesteuer zu bezahlen. Und das im großen Stil: Der Tankstellenbetreiber aus dem Landkreis Hof soll laut den Angaben der Hofer Justiz zwischen November 2023 und November 2024 rund 90,5 Millionen Liter unversteuerten Kraftstoff für sein Unternehmen mit Tankstellen in Oberfranken und Sachsen gekauft haben. Er selbst habe zwar keine Steuer hinterzogen, aber weil er gewusst habe, dass die Lieferanten die nötige Energiesteuer von 44 Millionen Euro nicht bezahlt hatten, wirft ihm die Staatsanwaltschaft Hof Steuerhehlerei vor.
Kunden erstatteten Anzeige
Dazu kommt noch ein weiterer Vorwurf: Der Kraftstoff soll laut Analysen von Sachverständigen nicht der Normen für Diesel entsprochen haben. Laut Staatsanwaltschaft soll "ein anderes Schweröl oder Gasöl" aus den Zapfsäulen geflossen sein. Nach der Festnahme des Seniorchefs und einer großangelegten Firmendurchsuchung im November 2024 hatte das Schwarzenbacher Familienunternehmen diesen Vorwurf vehement bestritten.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe haben rund 100 Kunden Anzeige wegen Betrugs gegen die Firma erstattet, teilt die Staatsanwaltschaft Hof auf BR-Anfrage mit. Dies seien Privat- und Firmenkunden gewesen, aber zum Beispiel auch der Bauhof der Stadt Hof oder das Landratsamt Kulmbach.
Exemplarisch habe man davon 27 Fälle zur Anklage gebracht, die ab Januar verhandelt werden, so die Staatsanwaltschaft Hof. Es gehe um den Betrugsvorwurf. Ob eine mögliche Sachbeschädigung an den Fahrzeugen durch das Betanken mit nicht-genormtem Diesel entstanden sei, werde in diesem Verfahren nicht verhandelt.
Ermittlungen auf europäischer Ebene
Der Mammut-Prozess mit vorläufig 60 Verhandlungstagen wird nicht das einzige Verfahren bleiben. Denn zusätzlich zur Hofer Staatsanwaltschaft ermittelt auch die "Europäische Staatsanwaltschaft" mit Sitz in Berlin: Sie ist nach eigenen Angaben zuständig für die "Verfolgung von Straftaten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union". Konkret spricht sie im Fall rund um die Schwarzenbacher Firma von einer "kriminellen Organisation" und wirft den Beschuldigten vor, 66 Millionen Euro Mehrwertsteuer und mehr als 137 Millionen Euro an Verbrauchssteuern hinterzogen zu haben.
Vater und Sohn in U-Haft
Deshalb rückten Ermittler im Sommer ein zweites Mal auf dem Firmengelände in Schwarzenbach an der Saale an. Im Laufe der Durchsuchungen wurde nicht nur der Seniorchef, der erst im Januar wieder aus der Untersuchungshaft entlassen worden war, festgenommen – sondern auch sein Sohn, ebenfalls Geschäftsführer. Beide sitzen nun auf Antrag der Europäischen Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft.
Gegen den Sohn laufen bei der Staatsanwaltschaft Hof weitere Ermittlungen. Er hatte nach der ersten Festnahme seines Vaters im November 2024 seine Unschuld beteuert – erst als die Staatsanwaltschaft Stück für Stück die beschlagnahmten Geschäftsunterlagen auswertete, habe sich auch beim Sohn der Verdacht einer Tatbeteiligung mit dem Ankauf unversteuerten Kraftstoffs ergeben. Mit einem Abschluss dieser Ermittlungen wird Anfang 2026 gerechnet, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Hof.
Vorwürfe gegen Zoll und Staatsanwaltschaft
Nach der ersten Durchsuchungen vor einem Jahr hatten die Verteidiger schwere Vorwürfe gegen Zoll und Staatsanwaltschaft erhoben: Wegen der Festnahme eines Geschäftsführers und der Beschlagnahmung von Betriebsvermögen wie zum Beispiel der Tanklaster sei die Zukunft des Familienunternehmens mit 125-jähriger Geschichte gefährdet, hieß es damals. Das Oberlandesgericht Bamberg hatte im Januar 2025 auf Antrag der Verteidiger die Sicherstellung von Teilen des Betriebsvermögens wieder aufgehoben.
Inzwischen gab es einen Wechsel bei den Verteidigern – und die aktuell betrauten Anwälte wollen sich zur Anklageschrift ebenso wenig öffentlich äußern, wie eine Vertreterin des Familienunternehmens. Das betreibt nicht nur Tankstellen, sondern handelt unter anderem auch mit Heizöl und Pellets. Wie es um die Arbeitsplätze der rund 50 Beschäftigten bestellt ist, ist unklar. An den Zapfsäulen der Tankstellen hängen "Außer Betrieb"-Schilder.
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